Wie Jung und Alt voneinander lernen

Die Schüler/innen des Frauenlob-Gymnasiums werden nicht nur intellektuell, sondern auch emotional ausgebildet. Sie betreuen Menschen in einem Altenheim, mit denen sie schöne, aber auch traurige Momente erleben

Projektdaten

Klassenstufen:
alle

Anzahl der Schüler/innen:
ca. 100

Anzahl der Lehrer/innen:
10

Fachbereiche:
alle

Das Projekt

Die Schule pflegt seit dem Schuljahr 2000/2001 eine Kooperation mit dem Alten- und Pflegeheim St. Bilhildis, das in der Nähe der Schule liegt. Die Schülerinnen und Schüler erhalten durch dieses Projekt unter anderem die Möglichkeit, ge- und erlebte Geschichte anhand der Biografien alter Menschen kennen zu lernen (Zeitzeugen, „oral history“). Die alten Leute fühlen sich nützlich, wenn sie Schüler/innen Einblicke in die jüngere Geschichte vermitteln können. Weiter wird in diesem Zusammenhang soziales Handeln eingeübt, indem die Schüler kleine Aufgaben für die Senioren erledigen. Wir sehen nachhaltige und langfristige Effekte in der Vernetzung zweier etablierter Insitutionen. Dadurch können gesellschaftliche Probleme wie Einsamkeit und Isolierung alter Menschen angegangen werden. Die Schüler/innen sehen in ihrem Engagement im Altenheim nicht nur einen sozialen Dienst am Nächsten, sondern auch einen wichtigen Schritt in ihrer persönliche Entwicklung. Sie lernen in der Arbeit mit den Senioren Hemmschwellen zu überwinden, Distanz zu Menschen abzubauen, die geistig eingeschränkt und nicht mehr mobil sind, und setzen sich aktiv mit gesellschaftlich tabuisierten Themen wie „Alter“ oder „Tod“ auseinander.

Der Auslöser

Der Impuls für die Zusammenarbeit kam vom Altenheim mit dem Ziel einer besseren Sozialarbeit in der Institution. Von Seiten des Gymnasiums bestand der Wunsch, neben intellektuellem und faktischem Wissen bei den Schüler/innen auch soziale und emotionale Intelligenz auszubilden. Die Schule wollte dem Problem unserer Gesellschaft entgegenwirken, dass sowohl Institutionen als auch Personen nebeneinanderher leben und nichts voneinander wissen und dadurch auch nichts füreinander tun wollen und können.

Der Weg

Anfangs wurde eine Arbeitsgemeinschaft von Schülerinnen und Schülern gebildet, die das Altenheim regelmäßig besuchte. Inzwischen sind auch Eltern und Lehrer/innen integriert. Die Kooperation basiert einerseits auf der Unterrichtsebene, andererseits auf der sozialen und karitativen Ebene. Der Einfluss auf die Unterrichtsinhalte sind beispielsweise Projekte zu den Themen „alte Menschen“, „kranke Menschen“, „Demenz“, „Behinderte“, „Tod“, „Überalterung der Menschen/demographisches Problem“ statt. Dies alles geschieht in Zusammenarbeit mit dem Altenheim. So werden im Rahmen des Fachs Geschichte alte Menschen nach ihren Lebenserfahrungen befragt. Die Ergebnisse dieser Gespräche fließen im Unterricht in Zusammenhang mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts ein. Eine weitere Befragung fand zum Thema „Angst vor dem Tod und Sterben“ statt. Den inhaltlichen Teil begleiteten die Lehrer/innen der Fächer Religion, Erdkunde und Sozialkunde sowie die Schulleitung und der Seelsorger des Altenheims. Die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe können im Rahmen des Altenheim-Projekts benotete Semesterarbeiten schreiben, die in die Abiturnote eingehen. Die soziale bzw. karitative Ebene umfasst die Kontakte der Schüler/innen, Lehrer/innen und Eltern zu den Bewohner/innen des Altenheims. Schülergruppen oder Schulklassen besuchen die Senioren wöchentlich an ein oder zwei Nachmittagen, die Kinder lesen den alten Leuten vor, andere kaufen für sie ein oder begleiten sie sonntags in den Gottesdienst. In der Weihnachtszeit verteilen die Schüler Plätzchen und singen, die Bläserklasse musiziert in den Pausen. Schüler/innen aus allen Klassenstufen haben dort „Adoptivgroßeltern“, besuchen sie regelmäßig und bauen persönliche Kontakte auf. Auf Wunsch erhalten sie seelsorgerische Begleitung von Seiten des Heims, zum Beispiel beim Tod des von ihnen betreuten Menschen. Auch manche Eltern gehen regelmäßig in das Heim, erledigen organisatorische Dinge für die Senioren oder trinken mit ihnen Kaffee. Der Lehrersingkreis der Schule umrahmt zwei- bis dreimal im Jahr den Nachmittagskaffee musikalisch. Zu Schulfesten werden die Senior/innen in die Schule gebracht, betreut und zu Kaffee und Kuchen eingeladen.

Probleme und Lösungen

Bereits mit dem Sozialatlas und dem geplanten „Pavillon der Begegnung“ wurde das Augenmerk von der Beziehung zu dem Alten- und Pflegeheim auf den gesamten Stadtteil gelenkt. Seit Anfang des Jahres 2004 gibt es ein Büro, das die Kontakte der Schülerinnen und Schüler mit alten Menschen der Mainzer Neustadt, die noch eigenständig leben, bündelt, und hilft, Ideen der Zusammenarbeit umzusetzen.

Blitzlicht

Für die Zusammenarbeit hat die Schule bereits diverse Preise erhalten. Das Bundesnetzwerk Bürgeschaftliches Engagement (BBE) führte seine bundesweite Tagung am 29./30. Oktober 2004 im Frauenlob-Gymnasium durch.

Schule

Schulname
Frauenlob-Gymnasium

Schulart
Gymnasium

Schulangebote
Halbtagsschule

Schulanschrift
Frauenlob-Gymnasium Adam-Karrillon-Str. 35 55118 Mainz

E-Mail
luetyens@frauenlob.de

Anzahl der Schüler/innen
1050

Anzahl der Lehrer/innen
80

Sonstiges pädogogisches Personal
14 Referendar/innen

Zeitstruktur
8–14 Uhr: Kernzeit

Netzwerke der Schule
Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)

Modellversuche der Schule
Zusammenarbeit mit der Johannes-Gutenberg-Universität in mehreren Fächern (u.a. Mathematik, Englisch, Philosophie)

Wettbewerbe der Schule
Schulschachmeisterschaft; Jugend trainiert für Olympia; Dechemax

Sozialraum der Schule
städtisch; zentral

Referenzen

Das Projekt hat erfolgreich am 1. Ganztagsschulwettbewerb „Zeigt her eure Schule“ teilgenommen.

Autoren

  • Behr-Heintze