Die Herbert-Tschäpe-Oberschule fokussiert das Praxislernen. Betriebe und Gewerke des Umlandes werden in die Berufsfrühorientierung einbezogen. Der lebensnahe Unterricht begeistert die Schülerinnen und Schüler. Neben Berufen wird auch Fußball zum Lerngegenstand. Selbständige Lernprozesse werden neuerdings durch die Arbeit mit Logbüchern unterstützt.
Katharina Zabrzynski
Im Grunde bietet die Umgebung der Herbert-Tschäpe-Oberschule in Dahlewitz optimale Lernbedingungen: Eine Straße, ein paar Einfamilienhäuser und überall weite, von Bäumen gesäumte Felder.
Vor vier Jahren ist die Oberschule von Mahlow hierher umgezogen. Weil in dem Ortsteil von Blankenfelde-Mahlow der Nachwuchs fehlte, wurde die Gesamtschule Dahlewitz aufgelöst und das Gebäude stand leer. Doch die ruhige Lage des neuen Standortes erwies sich als ein Problem. „Die Schülerinnen und Schüler wollten die neue Schule nicht annehmen, auch weil Dahlewitz etwas außerhalb liegt“, erinnert sich die stellvertretende Schulleiterin Christine Rölle.
Um die Schülerinnen und Schüler für die neue Schule zu gewinnen, beschloss das Lehrerkollegium sportliche und kulturelle Höhepunkte in den Schulalltag zu integieren: Als 2006 in Deutschland die Fußball-WM ausgetragen wurde, hat die Schule eine eigene Schulmeisterschaft eingeführt. Seitdem werden alle vier Jahre Schulen aus ganz
Deutschland nach Dahlewitz eingeladen, um spielerisch gegeneinander anzutreten. Jedes Jahr am Nikolaustag veranstaltet die Schule ein Fußballturnier für den eigenen Nachwuchs. Dann dürfen sich Grundschüler aus der Region mit den Großen messen. Und in der Adventszeit singen die Oberschüler in der Mittagspause Weihnachtslieder. „Eine Schule braucht solche Rituale, damit die Schülerinnen und Schüler sich mit ihr identifizieren können“, sagt Christine Rölle.
Gleichzeitig wird eine Identifikation mit Dahlewitz angestrebt: Zur Begrüßung der Siebtklässler und zur feierlichen Übergabe des Berufspasses an die Zehnklässler wird der Oberbürgermeister eingeladen. „Wenn wir die Schülerinnen und Schüler hier verankern können, dann hat auch der Ort etwas davon. Schließlich lebt er von der Jugend“, so die stellvertretende Schulleiterin.
Traditionenpflege im Unterricht
Traditionen pflegen und dabei etwas lernen. Im Praxislernen-Unterricht der Klasse 7b geht das Hand in Hand. Heute sollen sich die Jugendlichen vorstellen, sie seien das Organisationskommitee des Nikolausturniers, das nächste Woche stattfindet. „Wie würdet ihr vorgehen, um die Spiele für die Gäste, Schüler und Spieler attraktiv zu machen?“, fragt Lehrer Matthias Stiller. Die Siebtklässler tauschen ihre Ideen aus und teilen sich in Gruppen auf, um die Spielregeln, die Einteilung der Räume und die Verpflegung der Teilnehmer zu besprechen. „Das geht jetzt ein bißchen in die Mathematik rein: Wir haben zwei Spielgruppen mit jeweils vier Mannschaften. Wie viele Spiele finden statt?“, fragt anschließend der Lehrer. Klarer Heimvorteil für die vielen männlichen Fußball-Fans, doch bei der nächsten Aufgabe kommen auch die Fans von Herta BSC ordentlich ins grübeln: Die acht Mannschaften müssen auf vier Umkleidekabinen verteilt werden, aber eine Mannschaft ist weiblich und sollte eine Kabine ganz für sich haben – eine Herausforderung für das heutige Komitee. „Ich möchte mit den Schülern die nächste Schulmeisterschaft organisieren und ihnen schon mal bewusst machen, wie aufwendig die Vorbereitung eines solchen Turniers ist“, erklärt Matthias Stiller den Zweck des Unterrichts. „Das Turnier ist eine große Sache für die Schüler. Für ein paar Tage übernehmen sie gemeinsam Verantwortung und alle ziehen an einem Strang.“
Fünf Stunden pro Woche sind in den Klassenstufen 7 bis 9 für das Praxislernen vorgesehen. Ziel des Unterrichts ist es, praktische und reale Lebens- und Arbeitssituationen mit schulischem Lernen zu verbinden und die Jugendlichen so auch auf das Berufsleben vorzubereiten. Dabei wirkt der fächerübergreifende Unterricht auch identitätsstiftend. Zu Beginn jedes Schuljahrs machen die Siebtklässlern eine Kennlernfahrt nach Fürstenberg an der Havel. Das „Wasserlager“ wird vorher von den Schülern im Praxislernen organisiert. „Von der Essensversorgung, über Freizeitgestaltung bis hin zum Zeltaufbau machen sie alles selbst“, erklärt die Koordinatorin des Praxislernens, Antje Markschin, „die Ergebnisse müssen sie den Mitschülern präsentieren und es gehört schon was dazu, gleich in der zweiten Woche vor der Gruppe zu sprechen.“
Nach der Kennlernphase unternehmen die Siebtklässler eine Ortsrallye durch Dahlewitz. Sie erkunden, welche Betriebe es hier gibt, besuchen die Menschen an ihrem Arbeitsplatz und interviewen sie. „Die Schüler lernen mit fremden Menschen in Kontakt zu treten, Informationen zu sammeln und zu verarbeiten. Da sie in der neunten Klasse Praktika absolvieren müssen, können sie schon schauen, wo sie sich später bewerben wollen“, erklärt Markschin. Das Konzept der Oberschule hat auch das Netzwerk Zukunft des Landes Brandenburg überzeugt: im Sommer 2011 wurde die Schule als „Schule mit hervorragender Berufsorientierung“ ausgezeichnet.
Arbeit mit dem Logbuch
Seit 2010 arbeitet die Oberschule auch im Netzwerk Ganztagsschule der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung mit. Beim intensiven Austausch mit den Kollegen spielen auch Rituale eine wichtige Rolle. „Oft werde ich bei den Treffen an Ideen erinnert, die ich schon mal hatte, aber nie dazu kam, sie umzusetzen“, so die stellvertretende Schulleiterin, „beim letzten Treffen sprachen wir über Leseabende, danach habe ich mich mit unserer Bibliothekarin zusammengesetzt. Jetzt suchen wir jemanden, der bereit wäre, vorzulesen.“
Das Projekt der Ganztagsschule im Rahmen des Netzwerks ist die Arbeit mit dem Logbuch. „Wir wollten unsere Schule voranbringen und weil eine gute Kommunikation zwischen Schülern, Lehrern und Eltern heute das A und O ist, haben wir letztes Schuljahr bei uns das Logbuch eingeführt“, erzählt Christine Rölle. Zwar ist es die Aufgabe des Klassenlehrers, die Einträge ins Logbuch zu machen und sie zu kontrollieren, doch die Kollegen können ihm ihre Anregungen mitteilen, indem sie sie auf Zettel schreiben und auf ein dafür vorgesehenes Nagelbrett im Lehrerzimmer befestigen. „Neulich hat uns unsere Hospitationsschule aus dem Netzwerk Ganztagsschule besucht, die Kollegen fanden die Idee mit dem Nagelbrett toll und haben es bei sich auch eingeführt“, sagt Rölle.
Die Bemühungen des Kollegiums, dass sich die Jugendlichen mit der neue Schule identifizieren, zahlen sich langsam aus: „Bei Schülerin, die bereits in Dahlewitz eingeschult wurden, habe ich das Gefühl, sie nehmen die Schule vielmehr an. Sie sehen die Schule als ihre Schule an“, sagt Rölle.
Datum: 16.03.2012
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