An der Gesamtschule Gießen-Ost geben ältere Schüler/innen den jüngeren Nachhilfe und beweisen dabei sehr viel Kompetenz, Verantwortungsgefühl und Zuverlässigkeit
An der Gesamtschule Gießen-Ost geben ältere Schüler/innen den jüngeren Nachhilfe und beweisen dabei sehr viel Kompetenz, Verantwortungsgefühl und Zuverlässigkeit
Projektdaten
Klassenstufen:
5–13
Anzahl der Schüler/innen:
70–80
Anzahl der Lehrer/innen:
–
Fachbereiche:
Englisch, Mathematik, Deutsch und andere
Wochenstunden:
35–40
Das Projekt
Oberstufenschüler/innen geben jüngeren Schülerinnen und Schülern Nachhilfe in allen Fächern. Sie findet in der Regel an den drei Hauptangebotstagen des Ganztagsangebots am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag nach der Mittagspause von 13.30–15 Uhr und vor den Arbeitsgemeinschaften statt. Wegen des gedrängten Stundenplans der Oberstufenschüler/innen gibt es aber auch Termine am Montag und am Freitag. Die Nachhilfe ist in Kleingruppen mit zwei bis drei Schüler/innen organisiert. Ort ist die Mediothek, die bis 15 Uhr geöffnet ist. Die Schüler/innen müssen für die Nachhilfe nichts bezahlen, das übernimmt die Schule aus dem Etat „Geld statt Stelle“, der Teil der Ganztagszuweisung des Hessischen Kultusministeriums ist. Die Organisation übernimmt die stellvertretende Schulleiterin, die für das Ganztagsangebot zuständig ist. Das Projekt läuft jetzt im vierten Jahr. Von den jüngeren Schülern und ihren Eltern kommen sehr zufriedene Rückmeldungen, die älteren fühlen sich bestätigt. Auf beiden Seiten ist die Nachfrage sehr groß. Das Nachhilfeprojekt ergänzt sozusagen wie ein Einzelunterricht die für die Jahrgänge 5, 6 und 7 eingerichtete Hausaufgabenbetreuung durch Lehrkräfte des Jahrgangs, die gleichzeitig stattfindet, und den von Fachlehrkräften angebotenen Förderunterricht in Deutsch, Englisch und Mathematik. In diesem Projekt sind die älteren Schülerinnen und Schüler fest in das Angebot der Schule eingebunden. Sie übernehmen Verantwortung und Kompetenzen, die sonst nur die Lehrkräfte haben. Die jüngeren Schülerinnen und Schüler lernen, dass nicht nur Lehrkräfte für Unterricht verantwortlich sein müssen.
Der Auslöser
Auslöser war die begrenzte Angebotsmöglichkeit des Förderunterrichts, der wegen knapper Lehrerstunden nur für jeweils vier Jahrgänge stattfinden kann, und die zum Teil sehr großen Hausaufgabengruppen, die nicht die intensive Betreuung bieten konnten, die viele Eltern erwartet hatten. Außerdem gab es in der Oberstufe Schülerinnen und Schüler, die von sich aus angeboten hatten, Jüngere zu betreuen.
Der Weg
Im Mai und Juni 2001 fand vor den Sommerferien eine Vorlaufphase statt, um die Nachfrage und die Umsetzbarkeit des Projekts zu erproben. Nachdem Anfang April das Projekt bekannt gegeben worden war, fanden sich schnell viele Schüler/innen, die teilnehmen wollten. Da von allen Seiten sehr positive Rückmeldungen kamen und die Eltern immer wieder auf die Besonderheit dieses Projekts hinwiesen, wurde es ab dem Schuljahr 2001/02 fest im Ganztagsbereich installiert. In den Regelzeiten ist die Mediothek der ideale Ort für dieses Angebot, da hier eine angenehme Atmosphäre herrscht und Nachschlagewerke zur Verfügung stehen. Montags und freitags beziehungsweise an solchen Tagen, an denen die Aufsicht wegen Krankheit ausfällt, wird auf freie Klassenräume ausgewichen. Die Oberstufenschüler/innen als „Lehrkräfte“ gehen einen Vertrag mit der Schule ein, an den beide Seiten gebunden sind. Im Krankheitsfall verständigen sich die Teilnehmer/innen der Nachhilfegruppe untereinander. Die unterrichtenden Schüler/innen tragen sich in Anwesenheitslisten ein und führen ein Nachweisblatt. Dies wird vierteljährlich abgegeben und danach die Bezahlung berechnet. Wir haben versucht, Kontrolle und Vertrauen zu verbinden. Bisher gab es keinerlei Probleme hinsichtlich ihrer Lehrkompetenz. Offensichtlich haben sich nur diejenigen Schüler/innen gemeldet, die sich einen solchen Unterricht zutrauen und ihn bewältigen können. In Erklärungszusammenhängen sind sie zum Teil sogar besser als die Lehrer/innen.
Probleme und Lösungen
Das größte Problem liegt in der Organisation. Etwa 50 Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgängen 5 bis 10 benötigen Nachhilfe, etwa 25 ältere Schülerinnen und Schüler bieten sie an unterschiedlichen Tagen und zu unterschiedlichen Zeiten an. Außerdem sind die Mittel, die aus dem Etat zur Verfügung stehen, begrenzt. Anfangs war die Nachhilfe als freies Angebot konzipiert, d.h. die Oberstufenschüler/innen standen zu festen Zeiten in der Mediothek zur Verfügung, die Jüngeren konnten ohne Voranmeldung kommen. Das führte zu Unverbindlichkeit und manchmal zu Frustration, wenn die Älteren erfolglos warteten oder aber die Jüngeren wegen zu großen Andrangs wieder weggehen mussten. Die Lösung war, jahrgangsbezogene Fächergruppen zusammenzustellen, was allerdings wegen der unterschiedlichen Fächer und Terminmöglichkeiten sehr zeitaufwändig ist. Noch können nicht alle Kinder teilnehmen, und so gibt es Wartelisten.
Blitzlicht
Eine Schülerin aus der Jahrgangsstufe 11, die sich auch seit langem in der Schülervertretung engagiert, hat wiederholt nachgefragt, wann sie Nachhilfe geben darf. Seit diesem Jahr arbeitet sie sehr engagiert mit drei jüngeren Schülern und ist sehr beliebt. Ihre Klassenlehrerin ist erstaunt, da sie die Schülerin als unzuverlässig und nicht sehr fleißig eingeschätzt hatte. Eine Schülerin aus Jahrgang 12 kam etwas verzweifelt zu mir. Sie sollte einer Schülerin aus Jahrgang 10 in Englisch Nachhilfe geben. Es stellte sich aber heraus, dass diese einen amerikanischen Vater hat und sich auf ein Jahr an einer amerikanischen Highschool vorbereiten wollte. Obwohl ich der Älteren sagte, dass das den Umfang einer Schülernachhilfe bei weitem übersteigt und sich die Jüngere eine private Lehrerin suchen muss, hat sie noch eine ganze Zeit weitergemacht. Sie hat mir berichtet, dass sie der Jüngeren bei der englischen Bewerbung geholfen und ihr gezeigt hat, wo man Dinge nachschlagen kann. Inzwischen gibt sie zwei kleineren Schülern Nachhilfe in Deutsch und ist zu Recht stolz auf ihre Leistung. Eine Mutter, die mir seit zwei Jahren regelmäßig berichtet, wenn es Probleme mit ihrem Sohn (jetzt Jahrgang 8) gibt, rief neulich an, um mir mitzuteilen, der neue Nachhilfelehrer sei sehr zuverlässig und kompetent. Schon nach drei Wochen habe ihr Sohn in Mathematik bessere Noten, der junge Mann (Jahrgang 13) käme mit ihrem Sohn sehr gut zurecht (was meiner Erfahrung nach durchaus nicht einfach ist).
Schule
Schulname
Gesamtschule Gießen-Ost
Schulart
Integrierte Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe
Schulangebote
offen
Schulanschrift
Gesamtschule Gießen-Ost Alter Steinbacher Weg 28 35390 Gießen
E-Mail
Schulleitung@Ostschule.de
Anzahl der Schüler/innen
1300
Anzahl der Lehrer/innen
110
Sonstiges pädogogisches Personal
14 Referendar/innen
Ansatz der Schule
–
Zeitstruktur
7.50–13 Uhr: Kernunterricht (für die Jahrgänge 9 und 10 zusätzlich 3 Stunden) Mo, Fr bis 15 Uhr, Di, Mi, Do bis 16.30 Uhr: diverse Angebote Unterricht im 45-Minuten-Takt
Netzwerke der Schule
Schulverbund mit 2 Integrierten Gesamtschulen in der Region; Arbeitskreis von Schulen mit EG-Differenzierung in Hessen; Umweltschule in Europa
Programme der Schule
2 Comenius-Projekte; Qualitätspartnerschaft in Europa; Lions Quest und Coole Tour
Wettbewerbe der Schule
Umweltschule in Europa; Prämiertes Bewegungskonzept des DSB
Sozialraum der Schule
randstädtisch; sozialer Brennpunkt und ländliche Nachbargemeinde im Einzugsgebiet
Zusammensetzung
gemischt; 10 Prozent Schüler/innen mit Migrationshintergrund
Besonderheiten
einzige Integrierte Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe im weiten Umkreis, daher große Attraktion trotz dreier Gymnnasien in der Stadt Gießen
Referenzen
Das Projekt hat erfolgreich am 1. Ganztagsschulwettbewerb „Zeigt her eure Schule“ teilgenommen.