Die Heinz-Brandt-Schule in Berlin hat 2011 den „Preis der Akademie“ des Deutschen Schulpreises gewonnen. Die ehemalige Hauptschule ist im letzten Jahr zur integrierten Sekundarschule geworden und hat angebaut. Die neuen Räume bieten die Möglichkeit für differenziertes Lernen und die Schule kann sich noch stärker für den Kiez öffnen.
Von Katharina Zabrzynski
Die Kunden in der Schlange sind schon ein wenig ungeduldig, als Jay und Kim die Tür zur Cafeteria aufschließen. Während Jay noch das Geld in der Kasse zählt, nimmt Kim bereits die Bestellungen auf. Es gibt belegte Brötchen, Kuchen, Smoothies. Kurze Zeit später schaut Dominic herein. „Die Becher kommen hier hin und den Müll wirfst du da hinein“, weist er Kim in den Dienst ein. Sie vertritt ihn heute, denn Dominic hat gerade Sport. „Unser neuer Dientsplan steht noch nicht fest, deshalb ist alles noch etwas chaotisch“, sagt der 14-Jährige und eilt wieder zum Unterricht.
Erst vor ein paar Tagen ist die Schülerfirma „Just Eat“ der Heinz-Brandt-Schule in den Neubau umgezogen. Doch die Jugendlichen fühlen sich schon richtig wohl hier. „Wir haben viel mehr Platz als drüben im alten Raum“, erklärt der 13-jährige Jay, während er die ersten Brötchen schmiert, „außerdem hat es dort immer so gehallt, wenn die Schüler laut waren“.
Die jungen Betreiber des Schülercafés sind nicht die Einzigen, die sich über den kürzlich fertiggestellten Neubau freuen. „Die letzten Wochen seit Schulbeginn waren eine Katastrophe“, erinnert sich Schulleiterin Miriam Pech, „um alle Schüler in den alten Räumen unterzubringen, mussten wir sehr geschickt planen. Trotzdem kam es immer wieder vor, dass eine Klasse ausweichen musste.“
Schülerzahl wird sich verdoppeln
An der Schule ist es nicht ohne Grund eng geworden. Vor einem Jahr wurde aus der Hauptschule eine integrierte Sekundarschule. Heute lernen in den Klassenstufen 7 und 8 Haupt- und Realschüler gemeinsam, zudem bereitet die Oberschule Schülerinnen und Schüler aufs Gymnasium vor. Unter anderem für die vorbildliche Integration der verschiedenen Schultypen wurde die Ganztagsschule im Rahmen des diesjährigen Deutschen Schulpreises der Robert-Bosch-Stiftung mit dem Preis der Akademie ausgezeichnet. Ihre Öffnung für eine neue Schülergruppe und die Auszeichnung haben der Schule einen enormen Zuwachs beschert. „Für die Klasse 7 haben sich dieses Jar 120 Schülerinnen und Schüler beworben, von denen wir 104 aufnehmen konnten“, sagt Pech. Sie schätzt, dass sich die Schülerzahl von einst 220 auf 430 nahezu verdoppelt haben wird, wenn der Hauptschulzweig in zwei Jahren ganz ausläuft.
Den Kiez in die Schule holen
Der aus dem Konjunkturpaket II des Bundes finanzierte Erweiterungsbau verbindet die beiden alten Schulgebäude miteinander. Dafür musste das ehemalige Pionierhaus aus DDR-Zeiten abgerissen werden. Wie die gut 100 Jahre alten Häuser ist auch der Neubau mit einer Klinkerfassade versehen und fügt sich somit in die Gesamterscheinung der Schule ein. In den oberen Stockwerken des insgesamt vier Etagen umfassenden Neubaus sind unter anderem vier Klassenzimmer, naturwissenschaftliche Fachräume und ein Kunstraum untergebracht. Im Erdgeschoss wurde neben Cafeteria und Mensa auch eine Bibliothek eingerichtet. „Wir möchten den Raum multifunktional nutzen, indem wir etwa Künstler aus dem Kiez zu Lesungen einladen“, sagt Pech. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Schüler auch selbst vorlesen oder Theaterstücke aufführen. Wir möchten den Kiez in die Schule holen.“
In die Einrichtung muss noch viel Arbeit gesteckt werden. Die Wände des Neubaus sind kahl, in der Bibliothek fehlen Tische, der Beamer ist noch nicht instaliert worden und die Buchsammlung muss erweitert werden. Seit 2009 arbeitet die Schule im Netzwerk Ganztagsschule der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Im Austausch mit Kollegen aus Partnerschulen holt sich die Schule auch Ideen für eine Gestaltung der ganztägig genutzten Räume und der zuletzt etwas vernachlässigten Außenanlage.
Viel hat der Schulhof momentan nämlich nicht zu bieten, unter den alten Kastanien der parkähnlichen Anlage stehen Bagger und manch andere Hinterlassenschaften der Baustelle. In der Mittagspause bilden sich auf dem Schulhof kleine Gruppen. Doch viele der Schülerinnen und Schüler schnappen nur etwas frische Luft und verschwinden dann wieder im Schulgebäude. Das soll sich nächstes Jahr ändern. „Das Gelände wird neu begrünt und dann sollen hier ein Boltzplatz, eine Basketballanlage und Sitzgelegenheiten entstehen“, erzählt die Schulleiterin. „Außerdem möchte ich den Schülern einen alten Bauwagen hinstellen, damit sie dort in den Pausen chillen können.“ Eine Arbeitsgruppe soll die Wünsche der Schülerinnen und Schüler aufgreifen und sich um die Gestaltung des Schulhofes kümmern. Derzeit werden noch Eltern, Schüler und Partner aus der Wirtschaft gesucht, die gerne mitmachen würden.
In der Schulmensa herscht schon Hochbetrieb. Mit Essen versorgt, nehmen die Schülerinnen und Schüler Platz an einem der vielen Tische. Trotz des trüben Wetters wirkt der halbrunde, verglaste Raum sehr hell. Draußen fließt der Mittagsverkehr, Passanten werfen neugierige Blicke ins Gebäudeinnere. Räumlich hat sich die Schule dem Kiez bereits geöffnet. Miriam Pech schüttelt ungläubig den Kopf. „Vorher wurde das Essen in der Lehrküche ausgeteilt, das war absurd“, sagt sie.
Mit Eigeninitiative gegen Finanznot
Absurd wirkt auch der Kontrast zwischen den neuen und alten Räumen. Mit ihren schwere Türen und klobigen Heizkörpern erinnern die Flure und Klassenzimmer des Altbaus an die sozialistische Ära. Die Schüler bemühen sich zwar, mit Pflanzen und Bildern den Räumen eine gewisse Gemütlichkeit zu verleihen, der an allen Ecken abfallende Putz bleibt trotzdem sichtbar. Seit 20 Jahren wurde hier kein Geld mehr reingesteckt. „Wir warten bis der Bezirk Pankow wieder flüssig wird“, sagt Pech nicht gerade erwartungsvoll. Lediglich kleine Inseln trotzen dem Verfall, so wie der frisch verputzte Treppenaufgang: Hier haben die Eltern Hand angelegt – wie so oft an der Schule. Und so sehr sie sich über diese Unterstützung freut, abfinden möchte sich Pech damit nicht: „Es ist doch nicht im Sinne des Erfinders, dass wir das selbst machen!“
Den zweiten Aufgang haben die Schülerinnen und Schüler zusammen mit einem Künstler gestaltet. Zitate berühmter Personen zieren die gelb-weißen Wände. Und es kommt einem so vor, als hätte die von Geldsorgen geplagte, aber durch Eigeninitiative so erfolgreiche Schule, mit den Worten des brasilianischen Regiesseurs Augusto Boal auch ihr Motto ausgedrückt: „We are all actors: being a citizen is not living in society, it is changing it“.
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