Das Rangsdorfer Fontane-Gymnasium hat erste Erfahrungen mit einer effektiven Methode des Austauschs

Projektdaten

Klassenstufen:
alle

Anzahl der Schüler/innen:
alle

Anzahl der Lehrer/innen:
alle

Fachbereiche:
alle

Wochenstunden:
regelmäßig

Das Projekt

Im Schuljahr 2003/04 brüteten die Schüler/innen der 7., 8. und 9. Klassen des Fontane-Gymnasiums in Rangsdorf nicht nur über Schulaufgaben und Tests. Sie beschäftigten sich darüber hinaus mit einer Einschätzung und konstruktiven Kritik an ihren Lehrer/innen und der Situation an der Schule allgemein. Anhand präzise formulierter Fragestellungen gaben die Schüler/innen ein Feedback unter anderem zu Verständlichkeit des Unterrichts, Unterrichtsmethoden, dem Umgang mit Konflikten, dem Eingehen der Lehrer/innen auf ihre Schüler/innen, Lernmethoden sowie zu positiven und negativen Aspekten des Schullebens. Die Lehrer/innen ihrerseits versuchten gleichzeitig, sich selbst in diesen Bereichen einzuschätzen. In einer anschließenden vertraulichen Gruppenbesprechung, die Frau Schreiber moderierte, eine Schülermutter und selbst Expertin auf dem Gebiet der Mitarbeiterführung und Organisationsentwicklung, wurden Schülereinschätzung und Lehrerselbstbild nebeneinander gestellt; eine lohnende, wenn auch für manche neue und schwierige Erfahrung. Die Schüler/innen haben kritische Punkte angesprochen wie die Gestaltung des Tafelbildes oder gleichzeitiges Sprechen und Schreiben des Lehrers. Gleichzeitig haben sie aber auch ihren Wunsch geäußert, bei Themen im Unterricht mitbestimmen zu können, und viel positive Rückmeldung gegeben. Ein besonderer Gewinn der Feedback-Runde war, dass sich aus ihr sehr differenzierte Möglichkeiten ergaben, mit den Schüler/innen zu sprechen und in einen intensiven Kommunikationsprozess einzutreten. Die Schüler/innen ihrerseits begrüßten ebenfalls die Gelegenheit, sich zu äußern. Das so genannte Schüler-Lehrer-Feedback ist am Rangsdorfer Gymnasium nur ein Baustein eines komplexen Schulentwicklungsprozesses, in dessen Zentrum die Schaffung einer Feedback-Kultur an der Schule steht. Mit ihr soll die Kommunikationsdichte zwischen allen am Schulleben Beteiligten erhöht und Verbindlichkeitsstrukturen errichtet werden. Neben den Schüler/innen haben nun auch die Lehrer/innen ein Feedback zur Schulkultur, zur Zusammenarbeit im Kollegium und zur Schulleitung abgegeben. Auch ein Elternfeedback hat mittlerweile stattgefunden. Basis der schulischen Arbeit ist eine Grundlagenvereinbarung, die alle Gruppen – Lehrer/innen, Schulleitung, Schüler/innen und Eltern – unterzeichnet haben und in der sie sich zu ihren gegenseitigen Erwartungen äußerten und für ihre Pflichten verantwortlich zeichneten. So erklärt sich die Schule verantwortlich, die Schüler/innen zu fördern, bei Problemen zu beraten und zu helfen, ihre Vermittlungsaufgabe auszufüllen und eine konstruktive und vertrauensvolle Atmosphäre an der Schule zu schaffen. Die Schüler/innen hingegen verpflichten sich, mitzuarbeiten, zuverlässig zu sein, eigene Meinungen zu bilden und Konflikte sachlich auszutragen. Auf der Elternseite stehen die Unterstützung der Kinder sowie die Bereitschaft zu einer engen Kommunikation mit der Schule im Vordergrund. Statt in eine stärkere Betonung der „Gremienkultur“ zu investieren, will Schulleiter Friedrich mit dem Prinzip Selbstverantwortung und Feedback die Gestaltungskompetenz aller Beteiligten erhöhen. Schüler/innen übernehmen Verantwortung für ihren eigenen Lernfortschritt. Lehrer/innen unterstützen sie dabei und übernehmen ihrerseits die Verantwortung für ihre eigene methodische Weiterentwicklung. Die Schulleitung wiederum unterstützt, mobilisiert Ressourcen, schafft Spielräume. Damit ist das Rangsdorfer Gymnasium auf dem Weg, Selbstverantwortung und Partizipation zu ermöglichen und überholte Rollenverständnisse von Lehrer/innen und Schüler/innen aufzubrechen. Ein Ergebnis aus den Feedbacks war die Einführung der so genannten Jahrgangsteams. Alle Lehrer/innen eines Schuljahrgangs treffen sich regelmäßig, um neben sozialen Belangen der Klassen auch die pädagogische Arbeit in den entsprechenden Jahrgangsstufen zu besprechen. In diesen Gruppen konnten die Lehrer/innen sich auch über die Ergebnisse der Feedbacks austauschen. Ein weiterer Schritt zu Kommunikation, Selbstorganisation und Demokratie im Schulleben besteht in der Einrichtung von so genannten Klassenrats-Stunden. Hier lernen die Schüler/innen, ihre Anliegen innerhalb der Klasse demokratisch zu besprechen und Lösungsansätze zu finden.

Der Auslöser

Die Verantwortlichen an der Schule hatten die Idee, möglichst viele Beteiligte, also Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern, in Entscheidungsprozesse einzubinden. Da kam der Beginn des BLK-Programms „Demokratie lernen und leben“ sehr gelegen. Ditmar Friedrich, der Schulleiter, fasste die Methode des Feedbacks ins Auge. Schnell wurde klar, dass die Einführung demokratischer Strukturen nur realisierbar ist, wenn alle – somit auch die Schüler/innen – daran beteiligt sind. Und wer beteiligt wird, übernimmt gleichzeitig mehr Verantwortung! Daraus ergaben sich auch die Ziele, dass die Schüler/innen mehr Verantwortung für das eigene Lernen und mehr Verantwortung für die Gestaltung des Lebensraums „Schule“ übernehmen sollen. Dies sollte durch eine regelmäßige Einflussnahme auf Schule und Unterricht erreicht werden. Gleichzeitig sollte hierdurch nicht nur ein demokratisches Bewusstsein bei den Schüler/innen entwickelt werden, sondern auch das Lernklima und damit eng verbunden das Leistungsniveau jedes einzelnen verbessert werden.

Der Weg

In Absprachen mit dem Bildungsministerium des Landes Brandenburg und dem BLK-Programm „Demokratie lernen & leben“, welche einige Monate dauerten, erreichte das Fontane-Gymnasium die Bereitstellung von Ressourcen. Es wurden Stunden frei für Lehrer/innen, um sich im Projekt zu engagieren, und es gab fachliche Unterstützung von außen. Auf dieser Grundlage bildete sich eine innerschulische Projektsteuerungsgruppe, an der die vier schulischen Akteursgruppen (Lehrer/innen, Schüler/innen, Eltern, Schulleitung) beteiligt wurden. Die Schulleitung präsentierte die Pläne eines Feedbackprojekts der Versammlung der Fachvorsitzenden und der Schulkonferenz, welche beide einstimmig zustimmten. Eine Grundidee des Feedbacks war es, möglichst alle an der Schule Beteiligten zu erreichen. Daher wurden gleich drei Arten von Feedback geplant: das Schulleitungsfeedback, in dem Lehrer/innen die Arbeit der Mitglieder der Schulleitung einschätzen können; das Schülerfeedback, in dem Schüler/innen den Unterricht der Lehrer/innen beurteilen; und das Elternfeedback, in dem die Eltern den Lehrer/innen Rückmeldung geben können. Die Projektsteuerungsgruppe entwickelte hierzu die nötigen Fragebögen. Diese Fragebögen wurden Eltern, Lehrer/innen und der Schulleitung vorgelegt, und jede/r konnte Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge einbringen. Die Klassenlehrer und -lehrerinnen der 9. Klassen verteilten in einer Unterrichtsstunde den Fragebogen, und die Schüler/innen benoteten verschiedene Bereiche des Unterrichts (wie zum Beispiel das Erläutern von Lernzielen, die Verwendung unterschiedlicher Methoden und die Unterrichtsatmosphäre) für alle ihre Lehrer und Lehrerinnen. Des Weiteren gab es offene Fragen, in denen die Schüler/innen Lob, Kritik und Änderungsvorschläge anbringen konnten. Dieser Fragebogen wurde auch für die Selbsteinschätzung der Lehrer/innen verwendet. So waren auch Vergleiche zwischen den Selbsteinschätzungen der Lehrer/innen und den Einschätzungen der Schüler/innen möglich. Die gesamten Ergebnisse wurden dann mit externer Hilfe ausgezählt. Dies war für die Schule sehr hilfreich, da das reine Aufaddieren der Werte einen enormen Aufwand bedeutet hätte. Als die Ergebnisse vorlagen, führte Frau Schreiber mit mehreren Kleingruppen von Lehrer/innen (idealerweise zwischen acht und zehn Personen) einen vierstündigen Workshop durch. Dort übergab sie jedem die Ergebnisse des Feedbacks sowie allgemeinen schriftliche Informationen zu Feedback und zur Interpretation der Ergebnisse. Nun konnte jede/r die Selbsteinschätzung mit der Einschätzung der Schüler/innen vergleichen. Darüber hinaus erhielten die Lehrer/innen die Ergebnisse der offenen Fragen. Es erwies sich als zwingend notwendig, dass der Prozess durch Frau Schreiber – als externe Person – begleitet wurde, da dadurch Ängste und Vorbehalte der Lehrer/innen abgebaut werden konnten. Aber nicht nur die Begleitung der Lehrkräfte war wichtig, sondern auch die Sensibilisierung der Schüler/innen für den Feedbackprozess. So fand vor der Durchführung des eigentlichen Feedbacks eine Stunde zu Feedbackregeln statt. Ein wesentliches Prinzip bei der Rückmeldung war dabei die Anonymität der Schüler/innen, dass jede/r Lehrer/in nur ihre/seine eigenen Ergebnisse erhält, und niemand anders. Daher sahen alle Beteiligten es auch als sehr wichtig an, dass die Auswertung von einer außen stehenden Einrichtung erfolgte, die nicht in die Hierarchien der Schule eingebettet war. So konnte dem Verdacht entgegengewirkt werden, die Bewertungen würden später in die Beurteilung oder gar in das Gehalt des einzelnen Lehrers einfließen. In den Workshops wurde auch besprochen, wie diese Ergebnisse auf jede/n einzelne/n wirkten. Manche waren etwas überrascht, einige betroffen, andere erfreut. Frau Schreiber erläuterte, dass durch gewisse Bewertungstendenzen solche Einschätzungen verzerrt werden können. So kann es zum Beispiel sein, dass ein Schüler nur ein Muster zeichnet, ohne sich groß Gedanken über den Sinn des Feedbacks zu machen, oder aus Protest einfach überall eine Sechs gibt. Insgesamt fanden die Ergebnisse aber positiven Anklang bei den Lehrer/innen. Darüber hinaus wurde in den Workshops besprochen, dass die Ergebnisse den Schüler/innen transparent gemacht werden sollten – dazu wurden Alternativen erarbeitet, wie dies geschehen könnte. Der nächste Schritt bestand darin, dass die einzelnen Lehrer/innen mit den Schüler/innen ein Gespräch zu den Ergebnissen führten. Während einer Unterrichtsstunde konnten sie dann mit den Schüler/innen besprechen, was sie genau mit verschiedenen Kritikpunkten meinten, Missverständnisse klären und sich für Lob bedanken. In welchem Umfang die Lehrer/innen den Schüler/innen ihre Ergebnisse mitteilten, stand ihnen frei. Den Schritt, den Diskurs mit der Klasse zu suchen, hatten beim Erstellen des Interviews einige der Lehrer/innen noch nicht vollzogen. Doch durch direkte Gespräche mit Frau Schreiber und im Jahrgangsstufenteam konnten viele Bedenken ausgeräumt werden, denn Gespräche mit den Schüler/innen können immer auch eine Hilfe für die/den Lehrer/in sein. Nach dieser ersten Phase, die durch die Verwendung von Papierfragebögen ziemlich aufwändig war, wurde entschieden, den Fragebogen in elektronischer Form bereitzustellen. Der Fragebogen wurde so aufbereitet, dass Schüler/innen ihn jetzt im PC-Raum der Schule innerhalb einer Stunde ausfüllen können. Die gesamten Daten waren somit gleich ausgezählt, aber nicht ausgewertet. Überblick über die Etappen des Feedbackprojekts: Die Idee eines Feedbackverfahrens entsteht. Die Fachvorsitzenden, die Eltern und die Schulkonferenz geben ihr Einverständnis. Das Fontane-Gymnasium bewirbt sich beim BLK-Programm „Demokratie lernen und leben“. Das LISUM Brandenburg unterstützt das Projektteam bei der Entwicklung der Fragebögen. Eine Pilotgruppe von Lehrer/innen schätzt ihren Unterricht selbst ein. Die Schüler/innen schätzen den Unterricht der Lehrer/innen ein. Die Daten werden ausgewertet und die Ergebnisse grafisch dargestellt (mittlerweile webbasiert mit minimalem Arbeitsaufwand!) In 3- bis 4-stündigen Workshops werden die Ergebnisse in kleinen Gruppen von maximal 10-12 Lehrer/innen und die Möglichkeiten des weiteren Umgangs damit besprochen. Die Lehrer/innen besprechen die Ergebnisse mit den einzelnen Klassen und planen gemeinsam mit den Schüler/innen erste Veränderungsmaßnahmen. Die Schulleitung unterstellt sich einem solchen Feedbackprozess (Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzung durch die Lehrkräfte). Die Auswertung erfolgte in Analogie des Schüler-Lehrer-Feedbacks. Die Grundlage für ein flächendeckendes Schüler-Lehrer-Feedback war somit geschaffen, welches unmittelbar darauf folgte. Die Schule führt ein flächendeckendes Elternfeedback durch und erschließt sich damit Ressourcen für die Unterstützung der schulischen Arbeit. Das Projektsteuerungsteam plant in Abstimmung mit dem Lehrerkollegium und den Gremien der Schule die Fortführung des Feedbacks.

Probleme und Lösungen

Am Anfang des Projekts gab es bei vielen Lehrer/innen Bedenken, ob Schüler/innen überhaupt in der Lage seien, eine Bewertung der Lehrer/innen durchzuführen. „Woher nehmen die die Kompetenz dazu?“, sollen einige Lehrer/innen gefragt haben. Im Verlaufe der Diskussion konnten Befürchtungen durch Sicherstellung von Rahmenvorgaben (Freiwilligkeit, Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler, Auswertungsgespräche mit Lehrkräften) ausgeräumt werden. Wichtige Vorbildfunktion hatte darüber hinaus das Schulleitungsfeedback. Die Lehrer/innen füllten einen Fragebogen aus, in dem sie die Arbeit der Mitglieder der Schulleitung und deren Umgang mit den Kolleg/innen aus eigener Sicht beurteilen konnten. Das Schulleitungsfeedback gab den Lehrkräften die Möglichkeit, selbst einmal einen Feedbackfragebogen auszufüllen, die Art von Fragen kennen zu lernen und zu erleben, wie die Mitglieder der Schulleitung mit der Rückmeldung umgingen. So schwanden nach dem Schulleitungsfeedback bei vielen Lehrer/innen die Bedenken. Das Schülerfeedback konnte „flächendeckend“ in Angriff genommen werden. Ein weiteres Problem stellt die Auswertung der Ergebnisse mit den Schüler/innen dar, die zum Teil nur zögerlich erfolgte, aber ein entscheidendes Element der Veränderung von Unterrichtskultur darstellt. Zwei flankierende Änderungen wurden nicht nur, aber auch für diese Problematik eingeführt, die Bildung von Jahrgangsteams zur verbesserten Koordinierung der pädagogischen Arbeit in den Klassen und Einführung des Klassenrates, um den Schüler/innen eine feste Gelegenheit zu geben, über Schule und Unterricht zu reflektieren und hier mitzugestalten.

Blitzlicht

„Besonders positiv war, dass das Feedback der Schüler und Schülerinnen so konkret und damit konstruktiv ausfiel“, fasst Katja Witt, Projektleiterin am Rangsdorfer Gymnasium, ihre Eindrücke zusammen. „Ich habe gemerkt, dass man sich sehr stark um den Einzelnen kümmern muss“, erzählt Frau Schreiber. Auch die Skeptiker muss man ernst nehmen und sie „dort abholen, wo sie sind. Beim Feedback überhaupt mitzumachen – das ist ja auch ein Schritt von denen“, den man wertschätzen müsse. „Ich finde es wichtig, auch Argumente zu hören, die bei uns [den Projektleitern] Änderungen hervorbringen.“

Schule

Schulname
Fontane-Gymnasium Rangsdorf

Schulart
Gymnasium

Schulanschrift
Fontaneweg 10 A, 15834 Rangsdorf

E-Mail
Fontane-Gymnasium.Leiter@t-online.de

Anzahl der Schüler/innen
638

Anzahl der Lehrer/innen
49

Sonstiges pädogogisches Personal
-

Ansatz der Schule
musisch-künstlerische Ausrichtung; Demokratiepädagogik

Programme der Schule

Modellversuche der Schule
BLK-Programm „Demokratie lernen und leben“; Modellvorhaben Selbstständigkeit von Schule

Wettbewerbe der Schule
„Innovative Schule des Landes Brandenburg 2004“; „Qualität macht Schule“; Mathe-Olympiaden etc.

Sozialraum der Schule
kleinstädtisch

Zusammensetzung
Schüler/innen kommen aus unterschiedlichen Gemeinden und aus einem gemischten sozialen Umfeld

Besonderheiten
Projektunterricht, Formen offenen Lernens, Aufbau einer umfassenden Feedback-Kultur

Referenzen

Modellschule im BLK-Programm „Demokratie leben und lernen“

„Demokratie lernen & leben“ ist ein Schulentwicklungsprogramm, bei dem es darum geht, die Demokratisierung von Unterricht und Schulleben und die Bereitschaft junger Menschen zur aktiven Mitwirkung an der Zivilgesellschaft zu fördern.

Autoren

  • Katja Haufe