Alles für die Zukunft

Die individuelle Förderung ihrer Schüler ist dem Team der Regionalen Schulen Banzkow ein besonderes Anliegen. Dafür bieten sie Förderstunden und individuelle Hausaufgabenhilfe an. Mithilfe eines Portfolios erhalten die Schüler ab der fünften Klasse Unterstützung beim selbständigen Lernen und der Berufsfrühorientierung.

Von Britta Kuntoff

Solche Himmel gibt es nur in Mecklenburg. Irgendwo darunter liegt der kleine Ort Banzkow. 2997 Einwohner zählt die Gemeinde, die sich zu DDR-Zeiten mit einer Vorzeige-LPG einen Namen machte. Heute hält der Tante-Emma-Wagen einmal pro Woche in der Straße des Friedens, und um die Ecke, gleich hinter der Schleuse, lockt ein Schild mit Bratwurst vom Grill. Drumherum fällt Licht weich auf weite Felder und knorrige Weiden. Die Regionale Schule Bankow, fünfzehn Kilometer von Schwerin entfernt, liegt mitten im Uwe-Johnson-Land. Eine Dorfschule. Eine, in der Kinder Lernen erleben, das provinziellen Mief und Kleingeisterei schon lange hinter sich gelassen hat. 

Regionale Schulen sind, kurz gesagt, eine Kombination aus Haupt- und Realschulen. In Mecklenburg-Vorpommern ist diese Schulform im Schuljahr 2002/2003 gestartet. Seit 2005 ist die Schule in Banzkow Ganztagsschule. 211 Kinder, 19 Lehrer und 2 Referendare gehen jeden Morgen durch die Türen des 1989 erbauten Flachdachbaus. Derzeit gibt es drei fünfte und zwei sechste Klassen, von Klassenstufe sieben bis zehn wird einzügig unterrichtet. 

„Weil wir so klein sind, können wir uns um jeden einzelnen Schüler kümmern“, meint Carola Silbernagel. Die stellvertretende Schulleiterin kennt alle Kinder mit Namen. „Es ist eine unserer ganz großen Stärken, die Schüler individuell zu fördern.“ Deshalb sind die Förderstunden, die für die fünften und sechsten dreimal die Woche um die Mittagszeit und für die siebten in der ersten Stunde liegen, fester Bestandteil des Stundenplans. 

In einer Förderstunde widmet sich ein zusätzlicher Lehrer ausschließlich den Kindern, die mit dem Stoff Schwierigkeiten haben oder aber schon viel weiter sind als der Rest der Klasse. Drei der insgesamt 30 Schüler der Siebten haben dementsprechend heute ihren Tag mit Matheförderung begonnen, während die anderen sich auf die nächste Klassenarbeit in Englisch vorbereiteten. 
Ähnlich geteilt ist die Hausaufgabenzeit; einige Kinder arbeiten intensiv mit einem Lehrer, andere erledigen dass, was der Klassen- oder Fachlehrer ihnen aufgetragen hat. 

„Um auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder eingehen zu können, versuchen wir, so viel wie möglich individualisiert zu unterrichten. In wie weit das tatsächlich funktioniert, hängt allerdings davon ab, wie sehr die einzelnen Lehrer das freie Lernen mögen“, erzählt Carola Silbernagel, „es gibt aber keinen, der sich ganz dagegen sperrt.“ In eine der fünften Klasse gehen zwei Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf. „Da ist individualisierter Unterricht absolut vorteilhaft, weil sie in der Gruppenarbeit mitgezogen werden“, berichtet Silbernagel und freut sich: „dieser integrative Unterricht ist neu für uns. Aber wir scheinen das ganz gut hinzukriegen. Denn nach Einschätzung der Sonderpädagogin, die uns zweimal die Woche besucht, haben die beiden hier ausgezeichnete Lernerfolge.“

Kinder in ihrem Lernen unterstützen

… diesem Ziel dienen auch die Portfolios, an deren Entwicklung die Schule innerhalb des Netzwerkes Lernkultur arbeitet. Dabei liegt der Schwerpunkt bei Klassenstufe fünf und sechs auf der Methodenentwicklung. „Die Kinder sollen all das an die Hand bekommen, was sie zu selbständigen und selbst organisierten Lernen brauchen“, erklärt die stellvertretende Schulleiterin. Wie gestalte ich ein Plakat? Worauf muss ich bei einem Kurzvortrag achten? Wie wird ein Ordner überhaupt geführt? Fragen, deren Antworten die Kinder in ihrer roten Din A4-Mappe abheften und immer wieder nachschlagen können. 

Ausgerüstet mit Methodenwissen in Kopf und Hefter soll sich dann das Portfolio ab Klasse sieben mit Informationen und Arbeitsmaterialien rund um die Berufswahl füllen. Ein Prozess, der im letzten Jahr in Klasse neun angestoßen wurde und an dem die Schule noch arbeitet. Hier finden sich ein Lebenslauf oder die Zertifikate über AGs wie Fotografie, an denen die Kinder am Nachmittag teilgenommen haben.  

„Unsere Idee ist, dass die Kinder ihr Portfolio bei einem Bewerbungsgespräch mitnehmen können“, sagt Elvia Keding, Lehrerin für das Fach Arbeit-Wirtschaft-Technik und für die Koordinierung der Berufsfrühorientierung an der Schule zuständig. „Die Berufsfrühorientierung ist das Kernthema unserer Schule“, fasst Elvia Keding zusammen: „Unsere Jugendlichen sollen am Ende ihrer Schulzeit nicht nur ein Abschlusszeugnis kriegen, sondern mindestens einen Ausbildungsplatz – am besten aber den, den sie sich gewünscht haben.“ Hehre Ziele. Die Regionale Schule Banzkow erreicht sie: Alle Abgänger 2010/2011 sind in einem Ausbildungsbetrieb untergekommen. 

Das geht nicht ohne enormes Engagement. Regelmäßig besuchen Elvira Keding und die Schulleiterin Barbara Kalkstein örtliche Unternehmen, halten Kontakt zum Ingenieurbüro oder fragen beim Friseurbesuch an, ob der Betrieb Platz für einen Schulpraktikanten hat. Denn in Klassenstufe neun und zehn steht je ein vierzehntägiges Betriebspraktikum an. Doch das ist längst nicht alles: Fünfte und sechste Klassen lernen in Werken über das Tischlern. Die Siebte besucht die Solaranlage. Die achte Klasse fährt alle vierzehn Tage in Berufsausbildungszentrum nach Schwerin. Einmal im Jahr reisen Firmen aus ganz Mecklenburg-Vorpommern zur schulinternen Berufsmesse an. In zwei Schülerfirmen können sich die Kinder im Wirtschaften ausprobieren. 

„Wir kämpfen – mit allen Mitteln, die wir haben.“

Elvira Keding ist sicher: „Wir machen alles, was geht.“ Und dennoch: Seit 1997 hat sich die Zahl der Schüler um gewaltige sechzig Prozent verringert. Schuld sind vor allem Geburtenrückgang und der Wegzug junger Menschen, die in den neuen Bundesländern mehr verdienen. Ein Umstand, der sich auch im Kollegium bemerkbar macht: Im nächsten Jahr sind bis auf drei alle Lehrer über fünfzig oder sechzig Jahre alt. 

„Das hier ist unsere Existenz. Wir müssen sehr aktiv sein, um konkurrenzfähig zu bleiben“, sagt Carola Silbernagel bestimmt, „Wir kämpfen – mit allen Mitteln, die wir haben.“
Draußen kämpft sich gerade eine einsame Radfahrerin im Rentenalter durch den Wind. Banzkow hat 2008 die Goldmedaille beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ gewonnen. 

Datum: 06.12.2011
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