Themenschwerpunkt Wellbeing - Ein Blick nach Kanada
DKJS/Andi Weiland

Themenschwerpunkt Wellbeing – Ein Blick nach Kanada

Wie sich mit dem Faktor Wellbeing – der Zufriedenheit und dem Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften – Bildungserfolg strategisch steuern lässt, zeigt sich am Beispiel der Provinz Alberta im Westen Kanadas. Das erläuterte Bildungswissenschaftlerin Prof. Dr. Anne Sliwka in ihrem Vortrag auf dem bundesweiten Beratungsforum „Kooperation und multiprofessionelle Zusammenarbeit“ des Programms Ganztägig bilden der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) im Mai 2019 in Berlin.  

In Alberta ist Wellbeing Teil der strategischen Ziele für die Schulentwicklung, die sich die Provinz gestellt hat: Eine Triade aus einem möglichst hohen Leistungsniveau, Chancengerechtigkeit und eben Wellbeing.

Das Schulsystem Kanadas gilt als eines der stärksten der Welt. Zum Beispiel spielt hier – im Gegensatz zu Deutschland – die ethnische und sozioökonomische Herkunft der Schülerinnen und Schüler für den Schulerfolg kaum eine Rolle. Dies liegt, wie Anne Sliwka erklärte, hauptsächlich an zwei Punkten: dem ineinander verzahnten Schulsystem Kanadas und einer datengestützten Schulentwicklung.

Vertikale und horizontale Verzahnung des Schulsystems

In Alberta greifen alle Ebenen des Schulsystems eng ineinander – Schulämter, Schulaufsicht und Schulleitungen fühlen sich alle für das Erreichen der obengenannten Ziele verantwortlich. Sie arbeiten stetig und ko-konstruktiv zusammen, sodass die individuelle Entwicklung der Einzelschulen zu einer Gemeinschaftsaufgabe des Systems wird.
Wie Professorin Dr. Anne Sliwka in ihrem Vortrag detailliert darstellte, sind die einzelnen Ebenen des kanadischen Schulsystems horizontal und vertikal ineinander verschränkt. Es existieren nicht nur professionelle Lerngemeinschaften innerhalb einer Schule, sondern auch zwischen den Schulen, die sich als Schulfamilien alle vier Wochen zu Beratungen treffen. Genauso kommen die Schulämter jeden Herbst zusammen, um sich zu besprechen, sowie Ziele und Handlungsschritte festzulegen.

Außerdem finden zwischen den einzelnen Ebenen des Schulsystems regelmäßige Gespräche statt, so dass die vertikale Verknüpfung durch Zielvereinbarungen zwischen Ministerium, Schulaufsicht und Schulleitungen sichergestellt ist. Diese klaren Abläufe sorgen dafür, dass alle Akteure des gesamten Schulsystems ständig miteinander im Gespräch sind, voneinander lernen und sich weiterentwickeln.

Datengestützte Schulentwicklung

Grundlage für alle Gespräche und Zielvereinbarungen sind

  • systematisch erhobene Daten über den Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler, Schulabschlussquoten,
  • soziodemografische Daten,
  • Informationen zur Schülerzufriedenheit,
  • Elternpartizipation,
  • Schulkultur
  • und die Sichtweise der Lehrkräfte auf die Schule.

Wie Professorin Dr. Anne Sliwka betonte, wird dabei der Datenschutz durch ID-Codes und anonymisierte Umfragen eingehalten.
Das Besondere daran ist nicht nur, dass überhaupt regelmäßig Daten erhoben werden, sondern auch, dass sie von zentraler Stelle zielgruppengerecht aufbereitet und an die einzelnen Ebenen zurückgemeldet werden. Dabei werden die Ergebnisse zum Beispiel farbig unterlegt. Dieses Ampelsystem ermöglicht es den Verantwortlichen, Stärken und Schwächen auf einem Blick zu erkennen und dort direkt anzusetzen.   

Auch die einzelnen Lehrkräfte erhalten auf diese Weise genaue Informationen über den Leistungsstand ihrer Schülerinnen und Schüler. Diese konkreten Kompetenzbeschreibungen helfen den Lehrenden dabei, mit den Schülerinnen und Schülern sowie ihren Eltern ins Gespräch zu kommen und konkrete Fördermöglichkeiten anzustoßen. Sie dienen aber auch zur Unterrichtsentwicklung.

Wellbeing als Grundlage für guten Unterricht

Nicht nur das Wohlergehen der Schülerinnen und Schüler spielt im Schulalltag eine Rolle. Ergebnisse der TALIS-Studie* haben gezeigt, dass sich Lehrkräfte besonders dann wohlfühlen, wenn ihr Arbeitsumfeld und das Schulsystem von Dialog, Vertrauen und Ko-konstruktion geprägt sind. Wellbeing als strategische Zielsetzung beinhaltet deshalb in Alberta auch das Wohlergehen des Kollegiums. Denn nur wer sich gut fühlt, kann guten Unterricht machen.

Einen ausführlichen Artikel zu dem Thema finden Sie hier:
https://deutsches-schulportal.de/stimmen/warum-der-blick-nach-alberta-lohnt/

Dr. Anne Sliwka
ist Professorin am Institut für Bildungswissenschaften der Universität Heidelberg. Ihre Arbeitsschwerpunkte in Forschung und Lehre sind unter anderen Schul- und Schulsystementwicklungen in international vergleichender Perspektive, Lernformate im 21. Jahrhundert und die Professionalisierung von Lehrkräften.

*Lehrerprofessionsstudie der OECD 2013