Inklusive Ganztagsschule

(c) DKJS/ D. Ibovnik
DKJS/D. Ibovnik

An der Gebhard-Schule in Konstanz ist der Ganztagsbetrieb durch ein ausgefeiltes Management ein Teamspiel zwischen unterschiedlichen Professionen. Die ganztägigen Angebote ermöglichen das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderungen.

„Wir lernen hier, wie das ist wenn sich die Wände bewegen und der Boden voller Wasser ist. Wir fliegen über Länder und können Blödsinn machen. Das macht irgendwie Spaß.“ Fabian packt seine Sachen zusammen. Es ist 16:30 Uhr und sein Schultag ist zu Ende. Die Tür zu Aula öffnet sich schwerer. Fabian merkt, dass er knapp zwei Stunden hart gearbeitet hat. 

Schule mit Theater

Die Aula seiner Schule besticht durch Opulenz. Auf der Bühne schlugen eben noch Wogen aufeinander, ein Schiff mit ihm und seinen Mitschülerinnen und Mitschülern, kämpfte sich durch den Sturm. „Wir befanden uns in einem Klassenzimmer. In diesem passierten merkwürdige Dinge. Wir waren auf einmal auf einem Schiff, weit draußen auf dem riesigen Meer.“ Fabian, Saskia und die anderen sind eine Theatergruppe, die sich jeden Dienstag mit Herrn Michael Müller,  Schauspieler des Stadttheaters Konstanz, trifft. Er ist versteht sich als außerschulischer Partner der Gebhard-Schule. Seit Jahren besucht er wöchentlich die Schule und fordert die Kinder zum Improvisieren heraus. Ohne große Staffage sind die eigenen Schultaschen der Requisitenfundus. Michael Müller etabliert Spielsituationen. Die Szenen werden per Definition und dann aus dem Reservoir eigener Phantasien gespielt. Jeder Einzelne lässt sich auf die Darstellungen der anderen ein. Auf diese Weise fügen sich die Kinder zu einem Ganzen, von dem sie überrascht werden und sich freuen. Es ist die Chance mit der eigenen Phantasie zu spielen. Sehr plastisch. Die Theaterarbeit beginnt und endet mit einem Kreisspiel. Schulter an Schulter konzentrieren sie sich auf sich selbst und auf die anderen, lassen sich auf die Spielarbeit ein, öffnen sich für andere Perspektiven. Am Ende resümieren sie ihre Erlebnisse, verabschieden sich mit gemeinsamen Bewegungen. 

Durch das Theaterspielen erhalten die Kinder einen anderen Zugang zu sich selbst und zu den anderen. Grenzen zwischen gesunden und Kindern mit Behinderungen lösen sich beim Spielen auf. Über diesen Effekt freut sich Rektorin Elke Grosskreutz ganz besonders. Als inklusive Schule beobachtet sie, wie durch die Angebote, welche der Ganztagsbetrieb in die Schule holt, Inklusion gelebt wird. Als Beobachterin des Theaterspielens kann selbst sie nicht mehr unterscheiden, welche ihrer Kinder beeinträchtigt sind und besondere Zuwendung bedürfen. „Im Miteinander auf der Ebene der Phantasie sind alle gleich, stark und einzigartig!“. 

 

 

Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern

Zu gleicher Zeit. In der Atelierwerkstatt stecken Mädchen wie Jungen in übergroßen und voll geklecksten Hemden. Es ist still im Raum, lediglich eine Druckerpresse schnurrt. Das Ritzen von Radiernadel auf Druckerplatten schickt ein Summen durch den Raum. Die Uhr steht schon auf 15:30 Uhr. Die meisten der Kinder hatten einen vollen Schultag und sind hier dennoch höchst konzentriert. Angebotsverantwortliche Verena Flick ist fasziniert von der Aufmerksamkeit und Intensität, mit denen sich die Kinder ihrer künstlerischen Arbeit widmen. Das Kulturamt unterstützt die Schule über einen Fond, der Künstler für ihre schulischen Einsätze finanziert. Lehrerin Susanne Petz findet den regelmäßigen Kontakt mit Künstlern und neben sich mit den Kindern wichtig und formend. 

Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern hat direkte Auswirkungen auf die Lehrerinnen und Lehrer. Nicht nur die Schülerinnen und Schüler profitieren. Partner zeichnen sich durch einen anders gelebten Zugang zu den Kindern aus. Zum einen fordernder, dann wieder ohne Vorbehalte, immer mit einem offenen Blick! Die Kinder haben in den Angeboten die Chance auf neue Weise von vorn anzufangen. Was Lehrerinnen und Lehrer an der Seite der Partner erleben ist Stoff für weiterführende pädagogische Arbeit, aber auch Selbsterfahrung. Eingefahrene Theorien werden in Frage gestellt, verfahrene Sichtweisen auf komplizierte Kinder revidiert.

Ebenen für das Besondere

Das historische Schulgebäude hat einen dreistöckigen Anbau. In jedem Stockwerk werden Schwerpunkte gesetzt. Ganz oben finden die Kinder Gelegenheiten zum lesen, schreiben und sprechen, dann auf nächster Ebene zum spielen, basteln und gestalten. Auf der unteren Etage lädt ein Psychomotorikraum zum bewegen und toben ein, aber auch eine Atelierwerkstatt zum künstlerischen Gestalten. Anbau und altes Gebäude fügen sich aneinander. Die Außenfassade der im Jugendstil entworfenen Schule, ist gleichzeitig Innenwand in Anbau. Die Stuckaturen sind Gestaltungselemente und ergänzen sich auf stilvolle Weise mit den Glaswänden gegenüber. Bunte Möbel bergen das Lernmaterial, behagliche Sofas laden zum Entspannen ein.

Jede Klasse freut sich über einen eigenen Raum. Rektorin Elke Grosskreutz ermuntert ihre Kollegen zu einem kreativen Umgang mit dem Grundmobiliar, freut sich, wenn sie durch die Klassenzimmer streift und immer wieder neue Varianten für Tisch- und Stuhlformationen entdeckt. „Öffne ich die Türen und sehe beieinander gestellte Tische, dann schließe ich auf die Lernkultur.“

Offene Türen

„Wir arbeiten nicht selten auf der Basis offener Türen.“ meint Konrektorin Sieglinde Diem. Klassen einer Altersstufe lernen und leben in Nachbarschaft. Werden die Türen geöffnet verteilen sich die Kinder auf drei Räume, aber auch in den Fluren. Dort stehen vorsorglich Tische und Stühle. Differenziertes Arbeiten erhält damit mehr Raum. Für die Lehrerinnen und Lehrer bedeutet das Begegnung und pädagogisches Zusammenarbeiten. Sieglinde Diem ist mitverantwortlich, dass Unterrichtsbänder organisiert werden, wo das Öffnen der Türen dazugehört. Die Struktur der Stunden bestimmt die Möglichkeiten für fächer- und klassenübergreifendes Lernen. Eine differenzierende und am Schüler orientierte Lernkultur beginnt bei einem intelligenten Stundenplan. Drei Wochen bastelt die Schulleitung an den Tages- und Wochenstrukturen. Konstituenten des Ganztagsbetriebes haben neue Steckschilder erhalten. „Die bekommt man nicht aus dem Katalog.“ Partner, Interessen und Fähigkeiten unter den Kollegen bringen Angebote auf den Plan, die wir mit neuen Steckplatten visualisieren. Der Stundenplan hängt hinter Glas, versteht sich als Grundlage für den komplexen Alltag einer inklusiven Ganztagsschule. 

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www.ganztaegig-lernen.de