In Zukunft wird es wieder mehr Lehrerinnen und Lehrer geben. Denn an den Universitäten sind die Studienplätze für Lehramtskandidaten ausgebaut worden. Diese pädagogischen Fachkräfte werden jedoch erst in ein paar Jahren ihre vollständige Ausbildung beendet haben, mehr Studienplätze für das Lehramt zu öffnen, scheint im Angesicht der aktuelle Brisanz einzig ein für die Zukunft gedachter Lösungsansatz.
Auf der Suche nach kurzfristigen Lösungen für die dringend notwendige Fachkräftegewinnung schlagen Forscher verschiedene Ansätze vor. So könnten beispielsweise in Teilzeit Beschäftigte durch besondere Anreize motiviert werden, ihr wöchentliches Stundendeputat aufzustocken. Erfahrene Lehrkräfte, die vor der Verrentung stehen, sollen davon überzeugen werden, ihre Anstellung zu verlängern. Auch bereits verrentete Pädagoginnen und Pädagoge könnten unter besonderen Voraussetzungen für eine vorübergehende Wiedereinstellung gewonnen werden. Dies sind Teilaspekte der zurzeit kontrovers diskutierten Überlegungen, wie dem Mangel an pädagogischen Fachkräften vor allem an Grundschulen zu begegnen ist. Da viele der Vorschläge allerdings auf Freiwilligkeit beruhen, sind sie nur schwer planbar. Der Blick richtet sich deshalb verstärkt auf die Option, Interessierten, obwohl deren Studienabschluss nicht auf das Lehramt abzielt, das Unterrichten an Schulen mit Unterstützung von Zusatzqualifikationen zu ermöglichen.
Eine detaillierte Bedarfsanalyse von Lehrkräften an Grundschulen und daraus abzuleitende Handlungsempfehlungen haben im Januar 2018 die Bildungswissenschaftler Klaus Klemm und Dirk Zorn für die Bertelsmann Stiftung in der Studie „Lehrkräfte dringend gesucht. Bedarf und Angebot für die Primarstufe.“ vorgelegt.
Ebenfalls von der Bertelsmann Stiftung publiziert ist eine ganz aktuelle Studie aus diesem Monat, „Lehrkräfte im Quereinstieg. Sozial ungleich verteilt?“ ist eine Analyse zum Lehrermangel an Berliner Grundschulen von Dirk Richter, Alexandra Marx und Dirk Zorn. Auch diese Studie wartet mit fundierten Zahlen und Erkenntnissen zu der derzeitigen Situation von Quereinsteigern an Berliner Schulen auf und leitet darüber hinaus konkrete Handlungsempfehlungen für die Schulen aber vor allem für die Verantwortlichen in Politik und Bildungsverwaltungen ab.
Mit der Herausforderung, Quer- und Seiteneinsteiger in den ganztägigen Unterrichtsalltag zu integrieren, nimmt der Anspruch an eine qualitativ hochwertige Schulentwicklung an Komplexität weiter zu. Bestand die bisherige Einbindung meist in Form von Kooperationen und der multiprofessionellen Teambildung für den Ganztag, werden nun Quer- und Seiteneinsteiger mit weniger Vorkenntnissen für Schule allgemein und speziell für Ganztagsschule dort eingesetzt werden, wo bis dato pädagogisch qualifizierte Hochschulabsolventen unterrichteten. Nichtsdestotrotz: Berufseinsteiger sind zwar häufig ohne pädagogische Vollqualifizierung, viele arbeiten jedoch schon lange mit Kindern und Jugendlichen zusammen. Diese Berufsgruppe gilt es zu professionalisieren.
Zwar weisen übereinstimmend Pädagoginnen und Pädagogen im Schuldienst, Bildungsforscher und andere Erfahrene darauf hin, dass die Rahmenbedingungen für Seiteneinsteiger nicht die gleichen sein können, wie für voll ausgebildete Lehramtskandidaten nach dem Referendariat. Auch Vorbehalte und Bedenken werden vorgebracht. Aber im Quereinstieg und der schrittweisen Professionalisierung liegen auch große Chancen. Dass Kinder und Jugendliche, aber auch das Pädagogenteam einer Schule den Austausch mit lebens- und berufserfahrenen Menschen in der Regel als eine große Bereicherung wahrnehmen, ist unbestritten. Gerade ein unverstellter Blick von Außen kann die Aufmerksamkeit auf neue und andere Herangehensweisen lenken, die sich auf die Schulgemeinschaft bereichernd auswirken. Hinzu kommt, dass Quereinsteiger hoch motiviert sind, denn sie haben eine bewusste Berufsentscheidung getroffen, von der sie wissen, dass sie ihnen ein hohes Maß an Engagement, fortwährende Weiterbildung, einen hohen zeitlichen Aufwand und vieles mehr abverlangt.
Viele Schulen sind bereits gut auf die Einstiegssituation neuer Kolleginnen und Kollegen vorbereitet. Denn mit dem Aus- und Aufbau von Ganztagsschulen und der Erweiterung der Schulzeiten in den Nachmittag sind Faktoren hinzugekommen, die alle im Ganztag Beschäftigten quasi über Nacht zu Seiteneinsteigern machten. Somit klingen die wichtigsten Forderungen für einen guten, an Schulqualität orientierten Seiteneinstieg wie bekannte und vertraute Themen der Ganztagsschulentwicklung: Qualifizierungsmaßnahmen im fachlichen, pädagogischen und organisatorischen Bereich, gute Mentoringprogramme und geeignete Feedbackmodule etc.. Die Betreuung und Begleitung durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen während des Unterrichts, Zeit für Austausch und Auswertungsgespräche sind unerlässlich. Das gesamte Kollegium und die Schulleitung sind gefragt, wenn es darum geht, einen Austausch auf Augenhöhe zu führen. Eine auf Anerkennung und Wertschätzung fokussierte Schulkultur ist wichtig, soll die Integration im Interesse aller gelingen.
Das diesjährige Bundesweite Beratungsforum widmete sich unter dem Titel „Ganztagsschule als attraktiver Lern- und Arbeitsort“ im Salon 3 der Qualifizierung von Seiteneinsteigern. In einem der Diskussionsbeiträge stellte die Serviceagentur Ganztägig lernen Schleswig-Holstein und ein Vertreter der Landesvolkshochschulen in Schleswig-Holstein den Zertifikatskurs „Qualifizierung pädagogischer Mitarbeiter/innen an Ganztagsschulen“ vor. Um Seiteneinsteiger als pädagogische Fachkräfte für den Ganztag zu qualifizieren und mit „Grundhandwerkszeug“ fit für die Ganztagsschule zu machen, beinhalten die Kurse alles rund um das Arbeitsfeld Ganztagsschule so zum Beispiel Vermittlung von Kommunikationsstrategien, Konfliktbewältigung, Pädagogik und Lernen. Weitere Informationen finden sich auf dem Portal der Serviceagentur Schleswig-Holstein.
Zusätzlich findet am 28. September 2018 zum ersten Mal ein Fachtag speziell für pädagogische Mitarbeiter/-innen in der Theodor-Storm-Gemeinschaftsschule in Kiel statt. Anmeldung hier.
Auch die Volkshochschule Mainburg hat schon seit mehreren Jahren die Kompetenzen von Externen für den schulischen Alltag erkannt und bietet für Eltern und schulexterne Personen, die bereits eine Fachqualifikation vorweisen, pädagogische und didaktische Kurse zur weiteren Qualifizierung für den Ganztag an. MitKESS – Kompetenz extern für Schule und Schulleben – werden Externe am Schulleben und an den schulischen Lern- und Erziehungsprozessen beteiligt.
Auch in anderen Bundesländer ist bereits auf den sich weiter zuspitzenden Fachkräftemangel mit der Qualifizierung von außerschulischem Personal reagiert worden. So stellte die Bildungsministerin von Brandenburg Britta Ernst im März diesen Jahres in Potsdam das „Konzept der Landesregierung zur Qualifizierung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern für den Schuldienst“ vor. Erklärtes Ziel ist es, Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger so zu qualifiziere und zu motivieren, dass sie dauerhaft im Schuldienst bleiben werden.
Zur „Kollegiale Hospitation“ finden sich ausführliche Informationen auf dem Portal und Praxisbeispiele von Schulen, die kollegiale Hospitationen und Feedbackmodule zur Verbesserung ihrer Schulqualität eingeführt haben. So beispielsweise die Gesamtschule Ebsdorfer Grund aus Hessen.