Wie denken Eltern über die Ganztagsschule?

 

 

Einstellungen und Faktoren der Eltern von Kindern einer Ganztagsschule, sowie deren Mitwirkungen

Auch die Elternarbeit ist von Schule zu Schule verschieden. Dies richtet sich sowohl nach den Rahmenbedingungen der Schule als auch nach der Bereitschaft zur Mitarbeit und Zusammenarbeit der Eltern. Für die Kooperation mit den Eltern ist es von Vorteil, wenn die Mitarbeiter des Ganztags den Eltern als Gesprächspartnern dienen und ihnen aufgeschlossen, freundlich und vorurteilsfrei begegnen. Unter anderem beinhaltet dies auch die Unterstützung in Erziehungsfragen, wobei hier stets die Anliegen, Wünsche, Probleme und Bedürfnisse der Kinder im Vordergrund stehen sollten (Mescher 2006, S.190). Der Lehrer sollte Zeit für Elterngespräche haben, damit die Ganztagsschule von ihnen akzeptiert wird, ebenso wollen sie an Entscheidungen, die die Ganztagsschule betreffen, mitwirken können (ebd., S.195).

Eltern orientieren sich an Schulprogrammen

Im Allgemeinen ist zu erwähnen, dass den Eltern ein pädagogisches Konzept, das Ziele, Methoden und Inhalte offen legt und somit eine große Transparenz aufweist, ihre Einstellung positiv verändert (ebd., S.196). Eine gute Zusammenarbeit der Eltern und Lehrer, die von beiden Seiten gefördert wird, wird das Kind in seiner schulischen und sozialen Entwicklung unterstützen (ebd., S.191).

Eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Eltern und den Mitarbeitern der Ganztagsschule ist unabdingbar für eine gute Einstellung der Eltern gegenüber der Schule. Da ihre Kinder die meiste Zeit des Tages in der Schule verbringen, sollten Eltern die Schule wertschätzen. Die Schule wird somit zum Lebensmittelpunkt der Schüler. Neben dem Bildungsauftrag der Schule kommt bei einer Ganztagsschule insbesondere der Erziehungsauftrag hinzu, weshalb zwischen Eltern und Pädagogen ein stabiles Vertrauensverhältnis bestehen muss (Autorenteam Bochum 2006, S.218).

Die Mitwirkung der Eltern an den Schulen ist im Schulgesetz verankert und geregelt. Sie können in Gremien der Schule ihre Ideen einbringen, ebenso bei der Klassenpflegschaft, der Schulpflegschaft und der Schulkonferenz. Die Ideen sollen der Schulentwicklung und Lernförderung dienen (Autorenteam Bochum 2006, S.75). Die Bildung eines Elternrates, regelmäßige Elternsprechstunden und Elternabende können die Mitarbeit der Eltern, sowie ihre Einstellung gegenüber der Ganztagsschule positiv verändern (vgl. Autorenteam Bochum 2006, S.218). Die Eltern sollen ebenfalls an außerunterrichtlichen Angeboten beteiligt werden, sowie an der Lebens- und Lernumwelt der Kinder teilnehmen können (Mescher 2006, S.195). So spielt sich die Elterntätigkeit eher an außerunterrichtlichen Aktivitäten, als an unterrichtsbezogenen Beteiligungsformen ab. Das Elternengagement und die Elternmitwirkung werden hauptsächlich von Müttern getragen, es ist sozusagen „Frauensache“ (Beher/ Prein 2007, S.165).

Engagement ist eine Frage der Schichtzugehörigkeit

Ehrenamtliche Elternhilfen, die bei der Betreuung der Hausaufgaben helfen, sind gerne willkommen. Auf diese Weise bekommen die Schüler zusätzlich mehr Hilfe und die Schüler erfahren durch die Kontakte der Eltern mehr Geborgenheit (Autorenteam Bochum 2006, S.219). Das freiwillige Elternengagement ist auch eine Frage der Schichtzugehörigkeit der Eltern. Es steigt mit dem sozio- ökonomischen Status. Die Bereitschaft zur Mitarbeit ist bei Eltern mit Migrationshintergrund, sowie bei allein erziehenden Eltern schwächer ausgeprägt (Beher/ Prein 2007, S.167).

Die Faktoren für den Besuch einer Ganztagsschule richten sich unter anderem nach dem Bildungs-, Sozial- und Erwerbsstatus der Familien. Eltern von Kindern, die auf eine Ganztagsschule gehen, verfügen über eine vergleichsweise gute Bildung. Sie haben auch meist einen mittleren bis hohen Sozialstatus. Unter mittlerem Sozialstatus versteht man qualifizierte Büro-, Dienstleistungs- und Handelsberufe, hoher Sozialstatus bezeichnet zum Beispiel Unternehmer und Manager. Ebenso wird das Angebot der Ganztagsschule meist von Familien gebraucht, in denen beide Elternteile erwerbstätig sind (ebd., S.131-133).

Nicht alle Familien brauchen eine Ganztagsschule

Die Familiengröße und Familienform ist auch für den Besuch einer Ganztagsschule ausschlaggebend. Allgemein ist festzustellen, dass mit wachsender Haushaltsgröße der Besuch an einer Ganztagsschule abnimmt. Die Ganztagsschule hat somit einen höheren Stellenwert für kleinere Familien, das Interesse sinkt mit steigernder Kinderzahl. Rund 37% der Kinder einer Ganztagsschule sind Einzelkinder, dagegen sind lediglich 14% Kinder von Familien mit vier Kindern. Festzustellen ist auch, dass Alleinerziehende eher das Ganztagsangebot nutzen (ebd., S.133/134).

Der Besuch einer Ganztagsschule ist auch vom Altern der Kinder abhängig beziehungsweise von der Klassenstufe. So nehmen Eltern mit jüngeren Kindern stärker das Ganztagsangebot in Anspruch (ebd., S.134). Wie bereits erwähnt nutzen insbesondere erwerbstätige Eltern und alleinerziehende Eltern das Ganztagsangebot. Sie erfahren Hilfe und Entlastung durch die Angebote der Ganztagsschulen. Sie erwarten hiervon unter anderem eine Lern- und Persönlichkeitsentwicklung ihrer Kinder (Holtappels 1997, S.168). Im Hinblick auf eine Vereinbarung von Familie und Beruf wird die Ganztagsschule bevorzugt von erwerbstätigen Eltern gewählt. Sie haben sowohl den Wunsch nach einer verlässlichen Betreuung und nach der der Möglichkeit ihren Beruf weiterhin auszuüben (Beher/ Prein 2007, S.143).

Erwerbstätige und alleinerziehende Eltern sehen unter anderem durch die Betreuungszeiten in den Ferien, sowie ein konkretes Angebot am Nachmittag und ein Förderangebot, den Besuch ihrer Kinder in einer Ganztagsschule als beste Lösung an (Mescher 2006, S.196). Bei dem Ferienprogramm steht die Freizeitgestaltung im Vordergrund. Es soll ein deutlicher Unterschied zwischen der Betreuung in der Schulzeit und in den Ferien vorliegen. Dies geschieht durch viele Unternehmungen auch außerhalb des Schulgeländes. Das Programm berücksichtigt sowohl Eltern als auch Kinderwünsche. Die Eltern werden zum Beispiel über einen Elternbrief über die geplante Veranstaltung in Kenntnis gesetzt. Sie können dabei zusätzlich Wünsche und Kritik äußern (Autorenteam Bochum 2006, S.62). Auf diese Weise wird die Einstellung gegenüber dem Ferienprogramm und vor allem der Ganztagsschule verbessert.

Verunsicherung, Verlustangst oder sogar Schuldgefühle

Das attraktive Kursangebot mit einer sinnvollen Freizeitgestaltung, Kinderförderung -durch Unterstützung bei den Hausaufgaben, stärkere Förderung und mehr Selbstständigkeit-, sowie Kontaktmöglichkeiten mit anderen Kinder stärkt die soziale Einbindung in den Augen der Eltern (Beher/ Prein 2007, S.143). Für die Eltern steht vor allem der Gewinn an Sozialkontakt ihrer Kinder, für den Besuch einer Ganztagsschule, im Vordergrund. Auch die attraktiven Angebote, sowie die Stärkung des Selbstvertrauens und die Erfahrung von neuem haben wie bereits erwähnt einen hohen Stellenwert (ebd., S.155).

Jedoch bringt eine Ganztagsschule nicht nur Erleichterung und Entlastung für die Eltern mit sich. Auch Verunsicherung, Verlustangst oder sogar Schuldgefühle können entstehen. Diese Empfindungen sind abhängig von den Beweggründen und der Erwartungshaltung sowie der eigenen Schulerinnerung der Eltern (Mescher 2006, S.191). Häufig entstehen auch Bedenken durch die allgemeine und zeitliche Überforderung der Kinder. Dies kann durch ungünstige Busfahrzeiten und zuviel schulischem Eingriff in die Erziehung, sowie geringer Freizeit -zu wenig Zeit zum Spielen- der Fall sein (Holtappels 1997, S.168).
Ein weiterer Grund der Eltern, ihr Kind lieber nicht an einer Ganztagsschule anzumelden liegt darin, dass sie ihr Kind lieber selbst zu Hause betreuen möchten (Beher/ Prein 2007, S.136).

Ebenso stellen auch strukturelle Gründe, wie die Kosten einer Ganztagsschule, einen Hinderungsgrund dar. Insbesondere für Familien mit niedrigem sozio- ökonomischen Status liegt hierin ein Problem, wobei meist Familien mit vielen Kindern betroffen sind. Die Ganztagsschulen sollten jedoch allen ermöglicht werden, das heißt es sollte keine Frage des Status sein. Daher ist es empfehlenswert die Gebühren nach dem Einkommen zu differenzieren oder zum Beispiel Geschwisterrabatte einzuführen (ebd., S.143).

Präferenzen

Selbstverständlich gibt es auch Präferenzen von Eltern und Kindern, das heißt die Eltern oder das Kind möchten nicht eine Ganztagsschule besuchen, da es ihren Vorstellungen nicht entspricht (ebd., S.139). Vor allem ist ein sensibler Umgang mit Eltern mit Migrationshintergrund wichtig. Bei einem Ansprechen der Eltern ist es von großer Bedeutung keine Nationen auszuschließen oder abfällige Bemerkungen über eine Nation zu machen. Bei fremden Kulturen empfiehlt es sich, ihr mit besonderer Wertschätzung und Aufgeschlossenheit zu begegnen. Hierbei muss vorsichtig gehandelt werden, da schnell Missverständnisse auftreten können, durch zum Beispiel unterschiedliche Traditionen, Regeln und Kulturen (Mescher 2006, S.192). Auf diese Weise können Eltern mit Migrationshintergrund eine Ganztagsschule positiv annehmen. Um die Schüler nicht in einen kulturellen Identitätskonflikt zu stürzen, ist an dieser Stelle noch einmal eine gute Zusammenarbeit mit den immigrierten Eltern zu erwähnen. Der Lehrer soll die Kulturen gleichberechtigt existieren lassen, ohne sie zu bewerten, damit die Kinder und Eltern die Ganztagsschule akzeptieren und eine positive Einstellung bekommen können (ebd., S.193).

Die Eltern schätzen mehrheitlich ein, dass ihre Kinder sich in der Ganztagsschule wohl fühlen (Beher/ Prein 2007, S.150). Allgemein werden die Erwartungen der Eltern an die Ganztagsschule weitgehend erfüllt (ebd., S.148). Sehr zufrieden sind die Eltern mit den organisatorischen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel dem Betreuungsangebot außerhalb der Ferienzeiten und dem zeitlichen Ablauf des Schultags. Sie sind zwar nicht ganz zufrieden mit dem Betreuungsangebot während der Ferien. Jedoch schneiden andere Freizeitangebote und Kurse bei Befragungen sehr gut ab. Auch die Materialausstattung sowie der Kontakt zu den Ganztagsmitarbeitern werden von vielen Eltern als positiv bewertet (ebd., S.149).

Für eine Weiterentwicklung der Ganztagsschule

Nicht glücklich sind die Eltern der Kinder einer Ganztagsschule über die Förderung ihrer Kinder sowohl bei gezielten Angeboten als auch bei der Hausaufgabenhilfe. Auch die Ruhe- und Entspannungsmöglichkeiten schneiden relativ schlecht ab (ebd., S.150). Die Eltern plädieren für eine Weiterentwicklung der Ganztagsschule, vor allem in den Bereichen mit geringem Zufriedenheitsgrad (ebd., S.164). Ich bin der Meinung, dass die Elternarbeit viel Engagement, sensibles und vorurteilsfreies Aufeinanderzugehen von Seiten der Eltern und von Seiten der Lehrer erfordert. Die Zusammenarbeit ist wichtig, damit die Eltern die Ganztagsschule akzeptieren. Dies sollte zum Wohl des Kindes geschehen. Die Akzeptanz für eine Ganztagsschule ist bei manchen Eltern sicher schwerer zu erreichen, da ihr Kind über viele Stunden von Zuhause abwesend ist. Ein Austausch über die Anliegen der Eltern kann hierbei brückenbildend sein. Ein genaues und vor allem transparentes Bild der Ganztagsschule kann die Ängste verringern.

Wichtig für die Mitwirkung der Eltern ist vor allem gegenseitige Wertschätzung und Vertrauen in die Lehrperson und in die Ganztagsschule. Die meisten Eltern sehen viele Gewinne durch den Besuch einer Ganztagsschule. Sie selbst können Beruf und Familie miteinander vereinen und ihr Kind gewinnt an Sozialkontakt. Auch die attraktiven Angebote und Kurse der Ganztagsschule werden sehr geschätzt. Die Erwartungen der Eltern werden weitgehend erfüllt. Sie fordern allerdings verständlicherweise eine Weiterentwicklung der Ganztagsschule.

 

Literaturverzeichnis:

Autorenteam Bochum (2006):
So funktioniert die offene Ganztagsgrundschule, Mülheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr
Beher, K./ Prein, G. (2007):
Die offene Ganztagsschule aus Sicht der Eltern,
in: Beher, K./ Haenisch, H./ Hermens, C./ Nordt, G./ Prein, G./ Schulz, U., Die offene Ganztagsschule in der Entwicklung. Empirische Befunde zum Primarbereich in Nordrhein- Westfalen, Weinheim und München: Juventa Verlag, S. 121- 178
Holtappels, Heinz Günter (1997):
Grundschule bis mittags. Innovationsstudie über Zeitgestaltung und Lernkultur, Weinheim und München: Juventa Verlag
Mescher, Birgit (2006):
Handbuch. Offene Ganztagsgrundschule, Troisdorf: Bildungsverlag EINS GmbH

 

Von: Felicitas Bleile

Datum: 25.05.2009
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