Um die Lernkultur entwickeln und Fördermaßnahmen wirksam organisieren zu können, sind intensive Formen der Kooperation zur Steuerung sowie institutionalisierte Teambildungen notwendig. Auch hierzu wurden die Schulleitungen befragt. Fast durchgängig zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den Ganztagsschultypen, da voll gebundene Modelle intensivere Lehrerteamarbeit im Schulalltag pflegen, gefolgt von teilgebundenen Modellen: Doppelbesetzungen im Unterricht und Jahrgangsteams existieren jeweils zu fast drei Fünfteln in gebundenen GTS, in der Hälfte der teilgebundenen, aber nur zu 37 % bzw. 42 % in offenen. Klassenleitungstandems finden sich in gebundenen Formen mit 72 % doppelt so häufig wie in offenen, in teilgebundenen sind es 52 %. Was die für Lernförderung äußerst relevante Lehrerbeteiligung am Ganztagsbetrieb anbetrifft, so wirken in der Alltagsarbeit nur in knapp einem Drittel der Schulen mehr als 75 % der Lehrkräfte aktiv in außerunterrichtlichen Gestaltungselementen mit; bei 21 % der Schulen zeigt sich eine aktive Mitarbeit nur bei einem Viertel der Lehrerschaft.
Im Personaleinsatz sind in offenen GTS deutlich mehr Honorarkräfte als an den gebundenen tätig. Neben den Sonderpädagogen kommt speziell geschultes pädagogisches Personal in Fördermaßnahmen zum Einsatz. 24 % der gebundenen, 35 % der teilgebundenen und 30 % der offenen GTS arbeiten mit Kräften aus diesem Bereich zusammen. Im Bereich der Hausaufgabenbetreuung indes finden sich in gebundenen GTS zu 7 %, in teilgebundenen zu 16 % und in offenen GTS zu 16 % Honorar-kräfte, womit sich aber Qualitätsfragen stellen.
Es wird deutlich, dass sich die drei Organisationsformen von Ganztagsschule hinsichtlich der konkreten Förderkonzeption und den Bedingungen für Förderung im Unterricht und auf konzeptioneller Ebene stark unterscheiden (Förderformen, konzeptionelle Einbindung, Lehrereinsatz, Teambildung und Individualisierung im Unterricht). Insgesamt gesehen wird in gebundenen Modellen nicht nur eine stärkere Schulentwicklungsorientierung und ausgebautere Teambildung sowie ein intensiveres Bemühen um konzeptionelle Fundierung als in offenen sichtbar. Gebundene Modelle weisen auch einen höheren Entwicklungsstand in den Kernbereichen schulischer Ganztagsbildung – im Unterricht und in den Förderansätzen – auf, ebenso in der Verbindung von Unterricht und zusätzlichen Angeboten.
Studien über Elternakzeptanz, -nachfrage und -einschätzungen
Bei Bevölkerungs- und Elternumfragen unterscheiden wir zwischen Akzeptanzstudien, Nachfragestudien und Forschungen zu Einschätzungen und Motiven von Eltern.
Elternpräferenzen für die Gestaltung
Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der pädagogischen Angebot (vgl. HOLTAPPELS 1994) war lange Zeit für rund vier Fünftel der Eltern die täglich „verlässliche Versorgung“ der Kinder der mit Abstand bedeutsamste Aspekt. Gleichaltrigen-Kontakte und Freundschaftsbildungen, vielfältige Spiel-, Sport- und Freizeitangebote, Hausaufgabenbetreuung, Lernförderung, musische Angebote sowie Möglichkeiten der Mitgestaltung des Schullebens durch Schüler folgen als weitere für „sehr wichtig“ erachtete Angebotselemente. Weniger wichtig sind den meisten Eltern dagegen zusätzliche Wahlfächer/AGs und erzieherische Hilfen der Schule.
Die neue IFS-Umfrage 2004 verdeutlicht ein teilweise gewandeltes Bild bei den Schülereltern: Eltern wurden zur Bewertung der Wichtigkeit mittels einer vierstufigen Skala fünf Gestaltungsaspekte vorgelegt. Danach haben für Eltern Gemeinschaftserfahrungen und soziales Lernen sowie Unterstützungsaspekte zur Leistungsförderung mit Abstand höchste Relevanz. Erst dann folgen erweiterte Neigungsangebote sowohl zur Freizeitgestaltung als auch in Form zusätzlicher Lerngelegenheiten. Reine Betreuungs- und Versorgungsaspekte bleiben für Eltern wichtig, aber belegen hier erst den fünften Rang. Auch Grundschülereltern sehen in etwa diese Reihenfolge. Sie präferieren ebenfalls soziales Lernen und Leistungsförderung, allerdings erlangen für sie alle Gestaltungselemente höhere Wichtigkeit. Im Osten liegen die Elterneinschätzungen zu den einzelnen Aspekten dichter beieinander, Förderung und Soziales werden wiederum am wichtigsten eingestuft, aber Freizeit und Betreuung erhalten nahezu ähnliche Relevanzwerte. Grundschülereltern im Osten gewichten alle Gestaltungsbereiche deutlich stärker als andere Eltern und auch als Grundschülereltern im Westen; dabei kommen Freizeit und Sport sowie Leistungsförderung auf die ersten Plätze.
Die Bedeutung der Ganztagsschule für die soziale und kognitive Lernentwicklung der Schüler/innen wird demnach von Eltern offenbar erkannt. Ihre Kinder sollen im Ganztagsbetrieb vor allem für Kernkompetenzen lernen, eine erweiterte Schulzeit wird dagegen weniger in der Freizeit- und Betreuungsfunktion gesehen – ein Auftrag, dem offene Ganztagsformen keineswegs durchgängig Rechnung tragen.
Elternmotive und Elterneinschätzungen für ganztägige Beschulung
Ein weiteres Resultat der IFS-Umfrage 2004 bezieht sich auf die von Eltern antizipierten Effekte des Ganztagsschulbesuchs auf das Familienleben; dabei wurden den Befragten drei Items mit möglichen Effekten zur Einschätzung auf einer dreistufigen Skala vorgelegt: Dass die Ganztagsschule für die Familie generell eine Entlastung sein würde, glauben 18 %, zusätzlich teilweise noch 30 %. Ein Viertel der Eltern erwartet günstige Wirkungen für die Erledigung der Hausaufgaben, teilweise glauben dies 38 %. Positive Effekte für die Weiterführung oder Neuaufnahme einer Erwerbstätigkeit erwarten 19 % und zum Teil nochmals 24 %, womit für einen beträchtlichen Teil der Eltern das Ziel der verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch den Ganztagschulbesuch erreicht würde. Grundschülereltern sehen deutlich stärker eine familiäre Entlastung und Effekte für die Erwerbstätigkeit. Weitaus höher schätzen ostdeutsche Grundschülereltern im Vergleich mit westdeutschen die Wirkungen ein, auch spürbar höher als sonstige Eltern im Osten. Keine Unterschiede zwischen Ost und West bestehen bei den restlichen Eltern.
Bei den Elternmotiven für den Ganztagsschulbesuch standen bei Eltern mit Kindern an Ganztagsschulen die Förderungsaspekte auch schon früher mit Quoten zwischen 49 % und 42 % an der Spit-ze (vgl. BARGEL/KUTHE 1991, S. 199). Dazu gehören die bessere Lernunterstützung, mehr Angebote der Freizeitgestaltung, Kontakt-/Spielmöglichkeiten, mehr kulturelle Anregungen und breitere Bildung, während das Entfallen der Hausaufgaben mit 32 % nicht zu den vorrangigen Motiven zählt. Hinsichtlich der pädagogischen Leistungsfähigkeit schneiden Ganztagsschulen in der Beurteilung von Eltern und Lehrkräften – über fast alle den Befragten vorgelegten Kriterien – erheblich besser ab als Halbtagsschulen (BARGEL/KUTHE 1991, S. 154 ff.). Dies bezieht sich nicht nur auf soziale Entlastungsaufgaben der Schule wie Betreuung, Freizeitangebote und Hausaufgabenhilfe, die von großen Mehrheiten als Stärken der Ganztagsschule angesehen werden. Auch die Förderung von Schülern im Lernbereich wie im Sozialverhalten sowie kulturelle und musische Anregungen stechen als überaus positiv bewertete Merkmale zugunsten der Ganztagsschule hervor.
Als besondere Vorteile der Ganztagsschule nennen jeweils 60 % der Eltern zum einen die Aufsicht und Betreuung der Kinder am Nachmittag, zum anderen die Entlastung von Hausaufgaben. Die Hälfte der Eltern sieht zudem eine Förderung der Schüler durch intensive Betreuung als gewichtigen Vorteil. Die Breite des Freizeitangebots (40 %), eine „spürbare Entlastung der Familie“ (34 %) und das „Einwirken auf das kindliche Sozialverhalten“ (38 %) folgen als weitere Vorteile. Neuere Befragungen in der Bevölkerung (s. forsa 2003) zeigen hohe Erwartungen bei 20- bis 50-Jährigen: Es glauben 68 %, dass sich durch das Mehr an Zeit die individuelle Förderung verbessere, 55 % nehmen dies für die Kreativitätsförderung an.
Auszug aus dem Vortrag zum 2. Ganztagsschulkongress in Berlin am 22. September 2005 „Ganztagsschule – ein Beitrag zur Förderung und Chancengleichheit“
Der Vortrag wurde für eine bessere Nutzung in einzelne Kapitel untergliedert und steht Ihnen in folgenden Themen auszugsweise zur Verfügung!
Mehr Zeit für Kinder – öffnen
Bildungsnotstand- öffnen
Bestandsaufnahme in Ganztagsschule- öffnen
Personaleinsatz in der Ganztagsschule- öffnen
Perspektiven- öffnen
Zusammengestellt: Sabine Schweder
Datum: 11.12.2005
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