Victoria Schmidt im Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Olk
Bei der Fachtagung zum Thema „Bildung, Schule und Bürgerengagement in Ostdeutschland“ die vom 4. bis 5. Mai in Halle stattfand stand die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements für die Bildungsreform im Vordergrund. Prof. Dr. Thomas Olk von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hielt zu diesem Thema einen Vortrag. Er ist fest davon überzeugt, dass die Schulen Formen des Nicht-schulischen Lernens integrieren müssen und bürgerliches Engagement ein fester Bestandteil des erweiterten Bildungskonzeptes zu sein hat. Im folgenden Interview erläutert Prof. Olk seine Thesen genauer.
Sie haben in Ihrem Vortrag stark für die Verknüpfung von schulischem und außerschulischem Lernen plädiert, wie kann das in konkreter Form aussehen?
Es gibt zwei verschiedene Richtungen. Die eine Richtung geht von der Schule nach außen, diese Variante nennt sich Service Learning. Die Schüler begeben sich in ein konkretes Projekt im Umfeld, gestalten etwas und reflektieren es danach in der Schule. Bei der zweiten Variante holt sich die Schule Partner von außen herein oder verabredet etwas zusammen mit ihnen. Das wäre zum Beispiel in Bereich Wirtschaft eine Vereinbarung mit einem Betrieb, in dem die Schüler mehrere Wochen ein Praktikum absolvieren können.
Sind Ganztagschulen die optimale Variante um diese Verknüpfung zu ermöglichen?
Ganztagsschulen bieten neue Handlungsspielräume dafür, weil der Unterricht nicht nur eng zusammengepresst im Vormittag abläuft, sondern die Möglichkeit besteht den ganzen Tag auszuschöpfen. Man hat dadurch mehr Gestaltungsspielräume. Diese Zeit muss aber sinnvoll genutzt werden. Ich halte nichts von Ganztagsschulen, wo morgens Unterricht stattfindet und nachmittags Spaßangebote zur Verfügung gestellt werden. Das nutzt die Möglichkeiten der Ganztagsschule nicht aus und ist unbefriedigend. Wir brauchen eine neue Rhythmisierung des Ganztagsunterrichts, eine Abwechslung von herkömmlichem Unterricht, praxisorientierten Projekten, Entspannungsphasen, Essen und weiterem gemeinsames Schulleben. Dafür braucht man aber auch Partner, weil die Schule nicht alle diese Kompetenzen hat. Da kommen dann die Betriebe, die Jugendhilfe und Jugendarbeit ins Spiel.
Was braucht die Schule um sich als solch eine Organisation weiterzuentwickeln?
Sie braucht zuallererst Spielräume, zum Beispiel bei der Auswahl von Personal, bei der Verausgabung des Budgets, das wird alles diskutiert unter der Autonomisierung der Einzelschule. Wenn dieser Rahmen gegeben ist, dann braucht sie allerdings auch Unterstützung bei Prozessen der Entwicklung in der Schule Das bedeutet, dass man Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und Eltern in einen Prozess mit einbeziehen muss, wo Schule sich verändert. Dazu braucht man externe Partner, die diesen Weg moderieren, die Konflikte aushandeln, das Wissen von außen einbringen wie so etwas gemanagt wird. Das sind Anbieter auf dem freien Markt, die man entsprechend finanzieren muss.
Wird dadurch auch die so häufig erwähnte Überforderung der Lehrer an Ganztagsschulen vermieden?
Richtig, Lehrer können nicht alles und sind auch nicht für alles zuständig und das ist auch gut so, denn sie können vieles, was zum Beispiel ein Meister aus einer Lehrwerkstatt kann, gar nicht so authentisch rüberbringen.
Reicht diese Verzahnung bereits aus um die vielen Probleme im heutigen Bildungssystem zu beseitigen?
Das entscheidende ist, ob die Schule sich grundsätzlich den neuen Tendenzen öffnet, oder doch im Kernbereich so bleibt wie sie ist und nur in den Randbereichen etwas von den neuen Möglichkeiten hineinlässt. Denn das allein wird nicht ausreichen. Ich glaube, dass die Schule sich auch nach innen öffnen muss, damit sie für SchülerInnen, Eltern aber auch andere zu einer gemeinsamen Angelegenheit wird und nicht nur eine ausschließliche Angelegenheit der Lehrer bleibt.
Sie haben in ihrem Vortrag auch den Begriff „partizipative Unterrichtsformen“ erwähnt? Welche Rolle spielen sie?
Die innere Öffnung für fächerübergreifenden, handlungsorientierten Unterricht, für das Hineinnehmen von Leuten von außen in den Unterricht und in Projekte, die man gemeinsam verabredet hat. Das ist für mich die Form von partizipativem Unterricht. Ohne das alles wird es nicht gehen.
Autorin: Victoria Schmidt
Datum: 10.05.2007
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