In den 1980er-Jahren verloren große gemeinnützige Organisationen und Wohlfahrtsverbände Ehrenamtliche und man sprach von einer Ehrenamtsmüdigkeit. In Bezug auf die oben genannte Definition ist dies wohl auch zutreffend. Wie kommt es dann, dass sich immer mehr Menschen freiwillig engagieren? Das liegt daran, dass sich ehrenamtliche Tätigkeiten gewandelt haben. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Begriffen, die mehr oder weniger dasselbe meinen. Zu nennen sind Freiwilligenarbeit, bürgerschaftliches Engagement und freiwilliges Engagement1. Diese Begriffe beinhalten etwas, das immer häufiger auch als das neue Ehrenamt oder das moderne Ehrenamt bezeichnet wird, in dem sich eine Zielsetzung für den Zusammenhalt der Gesellschaft über Generationen- und Professionengrenzen hinweg ausdrückt.
Die Bereitschaft sich freiwillig zu engagieren, hat zu- und nicht abgenommen. Jedoch die Art des Engagements hat sich verändert. Das traditionelle Ehrenamt wird mittlerweile seltener ausgeübt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sieht im freiwilligen Engagement einen wichtigen Beitrag für das Funktionieren der Gesellschaft, so dass es die Freiwilligenarbeit gezielt unterstützt: Im Sommer 2007 wurde die Initiative „ZivilEngagement. Miteinander – Füreinander“ ins Leben gerufen und ein Bundesbeauftragter eingesetzt, um bürgerschaftliches Engagement zu stärken. Im April 2009 wurde das „Nationale Forum für Engagement und Partizipation“ gegründet. Es wird geleitet vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BB E) und besteht aus Expertinnen und Experten aus Bund, Ländern und Kommunen, Kirchen, Verbänden und Initiativen, Wirtschaft und Wissenschaft. Es berät die Bundesregierung in der Weiterentwicklung der Engagementpolitik und erarbeitet konkrete Vorschläge, wie die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliche Aktivitäten verbessert, die Bereitschaft für Engagement gestärkt und die Qualifikationen der Freiwilligen erweitert werden können.
Die wichtigsten Unterschiede des modernen Ehrenamtes gegenüber dem traditionellen Ehrenamt
sind:
Ehrenamtliche bevorzugen zeitlich begrenzte Tätigkeiten anstelle von dauerhaften Verpflichtungen.
Die Auswahl der Tätigkeit erfolgt zunehmend nach eigenen Interessen und Bedürfnissen, ist jedoch nach wie vor an am Allgemeinwohl orientierte Motive geknüpft.
Der Wunsch nach Mitgestaltung nimmt zu und die Unterordnung in hierarchische Verbandssysteme wird zunehmend abgelehnt.
Das Interesse gilt mehr der ausgeübten Tätigkeit als der subjektiven Verpflichtung gegenüber einer Institution (Kirche, Sportverein etc.). (vgl. Freiwillige gewinnen in Kapitel 4.2, Das Jugendbegleiter-Programm Baden-Württemberg)
Ehrenamt in der Schule – Möglichkeiten und Grenzen
Wie eingangs erwähnt, ist auf der einen Seite die Integration ehrenamtlicher Tätigkeit eine gute Unterstützungsmöglichkeit für Schulen bei der Bewältigung derzeitiger Herausforderungen und auf der anderen Seite bieten Schulen einen interessanten Aktionsraum für ehrenamtliche Tätigkeiten. Im Folgenden soll reflektiert werden, wie und wo der Einsatz von Ehrenamtlichen sinnvoll ist. Ein paar gängige Aufgabenfelder, in denen Ehrenamtliche im Schulbetrieb das Kollegium und die Schulleitung entlasten können, sind:
Neigungskurs- und ergänzende Bildungsangebote in den Bereichen:
Erste-Hilfe-Kurse, Sucht- und Gewaltprävention, Integration
Sport, Kunst, auch Handwerk und Basteln sowie Musik
Medien – denkbar sind Fotokurse oder Filmprojekte, die an Unterrichtsinhalte anknüpfen
Kultur(en), Religion(en), Sprachen – z. B. bei der Veranstaltung von thematischen Schulfesten
Natur- und Umweltschutz, Nahraumerkundungen – z. B. kleine Forschungsprojekte zu bestimmten Tier-, Pflanzen- oder Landschaftsarten, Wetter- und Wasserprojekte
Das Angebot in Neigungs- und Nachmittagskursen ist nahezu in unbegrenzter Vielfalt denkbar, solange die Inhalte dem Erziehungs- und Bildungszweck entsprechen. Es ist darauf zu achten, dass die Kurse nicht den Regelunterricht ersetzen können, in ihn eingreifen oder ihm gar widersprechen dürfen. Ein bildendes Angebot durch ehrenamtliche Tätigkeit in den Nachmittagsstunden (oder auch Vormittagsstunden) kann den Regelunterricht ergänzen. Zum Beispiel wird der Chemie-, Biologie- oder Mathematikunterricht durch praktische Versuche, Übungen oder kleine Forschungsprojekte bereichert, die von freiwilligen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit entsprechendem Know-how und in Absprache mit den hauptamtlichen Lehrkräften angeboten werden – dies ist eine Möglichkeit mit dem „Spaßfaktor“ den Lerneffekt zu erhöhen. Für ergänzende Angebote im Bereich Sport und Gesundheit bieten sich Vereine aus den genannten Bereichen an, die entweder Ehrenamtliche in die Schulen entsenden oder ihre Einrichtungen zum außerschulischen Lernort machen.
Einsatzmöglichkeiten
Die Einsatzmöglichkeiten sind bekannt und werden von vielen Schulen auch schon sporadisch genutzt. In dieser Broschüre geht es darum, ein verlässliches Konzept zu entwickeln, das hilft, qualifizierte Ehrenamtliche kontinuierlich in den Schulbetrieb einzubinden und sie erfolgreich zu koordinieren.
Weitere, weniger verbreitete, möglicherweise interessante Einsatzmöglichkeiten von Ehrenamtlichen im Schulbetrieb können sein:
Fundraising/Mittelbeschaffung
Öffentlichkeitsarbeit
Vorstellung von (Trend-)Berufen/Einführung in die Arbeitswelt
Verknüpfung Wirtschaft/Schule durch Planspiele/Besuche außerschulischer, betrieblicher Lernorte
Fortbildung Lehrerkollegium (Zeit- und Aufgabenmanagement etc.)
Instandsetzung/-haltung von Schulgebäuden, Sport- und Außenanlagen
Selbst die Koordination anderer ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann eine freiwillig engagierte Kraft mit entsprechendem Know-how übernehmen. Die Integration ehrenamtlicher Arbeit in den Schulbetrieb soll der dauerhaften Sicherung des Angebotes, der Steigerung der Qualität, der Knüpfung neuer Kontakte/Kooperationen und der Entlastung der hauptamtlichen Mitarbeiter dienen.
Autoren: Eike Christian Appeldorn und Nadia Fritsche