In der Reformpädagogik ging es generell darum, die Lernprozesse Heranwachsender durch Selbsttätigkeit zu ermöglichen, so dass sich die Lernenden als Mitkonstrukteure ihres Wissens und Könnens erleben. So plädiert KEY (1902) in ihrem Buch „Das Jahrhundert des Kindes“ für eine Schule der Selbsttätigkeit, in der sich die individuelle Persönlichkeit entfalten kann und selbstbestimmte Lernziele verfolgt und das vor allem in Lerngruppen.
Mit dem Lernen in einer Gruppe verbindet sich die Erwartung, dass Schüler einen größeren Lernerfolg erzielen, wenn sie Gelegenheit erhalten, sich über Inhalte auszutauschen. Der Vorteil hinsichtlich des Wissenserwerbs wird dabei weniger im Behalten von Fakten gesehen, als vielmehr im Verstehen von Zusammenhängen, was durch einen Disput besser gelingt. Das Verstehen von Zusammenhängen befähigt die Lernenden, komplexe Aufgabenstellungen zu bewältigen. Es werden dabei sowohl kommunikative wie auch kooperative Kompetenzen entwickelt.
Gelegenheit zur sprachlichen Auseinandersetzung
In der Tradition PIAGETs wird die Wirksamkeit kooperativen Lernens in erster Linie auf die bessere Bewältigung und Lösung kognitiver Konflikte zurückgeführt. Gemeint ist, dass unterschiedliche Sichtweisen bzw. Divergenzen zwischen verschiedenen Personen dazu führen, die individuelle Wissenskonstruktion zu erweitern und zu modifizieren. Folgt man der konstruktivistischen Lerntheorie, dann ist die Konstruktion von Wissen nicht ausschließlich ein individueller Prozess, sondern beruht immer auch auf kooperativen Prozessen. Zwischen den Mitgliedern einer Lerngemeinschaft ergeben sich sprachliche Aushandlungsprozesse. In diesen wird Wissen gemeinsam konstruiert, indem eine Annäherung zwischen verschiedenen Perspektiven sowie eine Aushandlung von Bedeutungen, also die Erarbeitung gemeinsamer Begriffsbedeutungen, stattfinden. Dem Disput der Lernenden wird hoher Stellenwert beigemessen.
Gemeinsam Lernen macht mehr Spaß
Kooperatives Lernen steigert die Lernmotivation bei den Schülern. Diese Tatsache wirkt sich generell förderlich auf die Qualität von Kognitionsprozessen aus. Eine Bedingung für den Erfolg kooperativen Lernens ist, dass die Vorerfahrungen und Kompetenzen von Schülern berücksichtigt und die professionelle Handlungsfähigkeit der Lehrkraft berücksichtigt werden. Vor allem in von außen gut strukturierten und begleiteten Lerngruppen wird ein hohes Aktivierungsniveau der Lernenden mit nachhaltigen Erfolgen im kognitiven Bereich erreicht. Somit hängt sehr viel von der Lehrkraft ab, dass kooperatives Lernen zu einer Entwicklung führt.
Die Wirksamkeit kooperativen Lernens ist an Erfolgsfaktoren gebunden (RENKL/MANDL 1995). Dazu gehören:
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motivationale Anreize,
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passende Lernaufgaben,
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eine strukturierte Interaktion,
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passende organisatorische Rahmenbedingungen,
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die Einbeziehung der individuellen Besonderheiten der Lernenden.
Pro für die Ganztagsschule
Für kooperatives Lernen werden zur gemeinsamen Zielfindung Handlungsraum und Zeit benötigt. Die Wahrnehmung aller Ideen Einzelner und der Disput untereinander benötigen mehr Zeit, als im traditionellen Unterricht zur Verfügung steht – das mehr bietet der ganztägige Lernbetrieb mit einer geschickten Rhythmisierung.
Von: Sabine Schweder
Datum: 23.09.2010
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