Umschalten auf Ganztag

(c) DKJS / D. Ibovnik
DKJS/D. Ibovnik

Die Gesamtschule in Gersfeld startet mit ihrem offenen Ganztagsangebot. Die bereits etablierten Arbeitsgemeinschaften locken bereits schon jetzt viele der Schüler nachmittags in die Schule. Die Rhythmisierung und eine dafür zugeschnittene Lernkultur werden die größten Herausforderungen für das Lehrerteam sein.

Allmorgendlich steigen die Schüler aus unzähligen Schulbussen und starten mit traditionell organisiertem Unterricht im 45-Minuten-Takt. Der Schulgong signalisiert, wann die Schüler in ein anderes Fach oder in die Pause wechseln. Die Schule ist nach hessischer Definition mit der pädagogischen Mittagsbetreuung, schon eine Ganztagsschule. Diese Auflage geht dem Kollegium nicht weit genug. Mit ihrer Beteiligung am Netzwerk bereitet die Schule das „Umschalten“ in den Ganztag vor.

Dafür gibt es zum einen ein hochmotiviertes „Ausnahmeteam“ von Sportlehrern, zum anderen wird das Schulhaus umgeben von einem weiträumigen, fast hektargroßen Gelände mit altem Baumbestand, einer Mini-Golfanlage, von sanft ansteigenden Hügeln und einem darin eingebetteten Bolzplatz und Sportanlage. Trainer wie Trainingsräume sind der Grund für die zahlreichen Sportgemeinschaften am Nachmittag.

Schule mit Skikeller

Langlauf ist in den Rhöntälern ein Volkssport, was sicher durch die Kurse an der Rhönschule gefördert wird. Die Schule hat einen eigenen Ski-Keller und ist Kaderschmiede für Wintersportarten wie Langlauf und Biathlon. Die vielen Skier sind durch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb in Schülerverantwortung angeschafft worden. In schneereichen Zeiten werden sie am Wochenende an die Gemeinde und andere Langlaufbegeisterte ausgeliehen, mit den Einnahmen werden Reparaturen und Neuanschaffungen möglich. Mit dieser „Schnittstelle“ sorgt die AG für sich selbst und konnte nachhaltig im Schulleben verankert werden.

Neben der Wintersport-Förderung hat sich der Sport mit dem Rhön-Rad etabliert. Dieses Rad ist zum „Logo“ der Schule avanciert und über dem Eingang der Schule als Wahrzeichen angebracht. Schüler, die Lust auf kunstvolle Bewegung und Akrobatik haben, können sich ab der 5. Klasse in Anfänger- und Fortgeschrittenenkursen entwickeln und es zur Meisterschaft bringen. Auch hier steht im Hintergrund ein Sportlehrer-Team, das selbst für die Idee brennt und die Schüler ansteckt.

Sprungbrett für unentdeckte Talente

Neben Sportförderung hat die Schule einen Weg gefunden, um auch der künstlerischen Förderung Raum zu geben. Jährlich wird der „THEMUTA“ ausgeschrieben. „THE“ steht für Theater, „MU“ steht für Musik, „TA“ steht für Tanz. Mit dieser Ausschreibung bewerben sich Schülerteams, Klassen und ihre Tutoren oder Einzeldarsteller, um am alljährlichen „THEMUTA“–Abend als Programmmacher mitzuwirken. Ganz Gersfeld und Umgebung besucht diesen traditionsreichen Abend in der Stadthalle. Die Ausschreibung ist zum Sprungbrett für unentdeckte Talente geworden, aber auch zu einem Instrument der Eigenförderung und Initiativgründung für Arbeitsgemeinschaften, die im Rahmen einer organisierten Ganztagschule viele Schüler begeistern könnte.

Sport und „THEMUTA“ bringen Schüler aus der unter einem Dach angesiedelten Hauptschule, Realschule und dem Gymnasium zusammen. Außerhalb der Fächerwelten, wie Mathematik, Deutsch, Sprachen und Naturwissenschaften, treffen sich die Schüler unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zur Hauptschule, Realschule oder Gymnasium. Das damit etablierte Gemeinschaftsgefühlt wirkt direkt in den Vormittag und die Schüler sagen selbst, dass sie es genießen, keine Unterschiede zu spüren.

Mehr Chancen für den Bildungsaufstieg!

Die Rhönschule nimmt die Idee der Kooperativen Gesamtschule ernst. „Miteinander leben und miteinander lernen“ ist das Motto der Schule und „Claim“ des Fördervereins. Treffend auch „Eine Schule für alle!“ – innerhalb des Systems freuen sich die Kollegen darüber, dass die hausinterne Durchlässigkeit der Schularten die Leistungsbereitschaft ihrer Schüler steigert. Der knappe Weg in eine „höhere“ Schule motiviert auch Familien aus Fulda ihre Kinder dort anzumelden, um die Chancen zum „Bildungsaufstieg“ zu nutzen. Mit der Eigenschaft „Kooperative Gesamtschule“ verschafft sich die Schule „Wettbewerbsvorteile“, so dass die Anmeldezahlen stimmen.

Lehrerzimmer mit Sonnenterasse

Die Schule besticht darüber hinaus mit ihrer Architektur. Die Räume bieten Licht und Farbe. Werkstätten und Forschungsräume sind Lernumgebungen, wo mit allen Sinnen gelernt werden kann. Jede Klasse hat ihren eigenen Raum. Das Lehrerzimmer gleicht einem Lichtgarten und wird durch eine Terrasse mit Sonnenstühlen ergänzt. Die Fensterfront bietet den Blick in die Berge der Rhön.
Noch beziehen sich diese günstigen Rahmenbedingungen auf den Vor- und den frühen Nachmittag. Das schmackhafte Essen wird derzeit von ca. 25 Schülern „gebucht“. Die meisten der über 600 Kinder steigen nach der letzten Stunde in die Busse und essen zu Hause. Die vielen noch traditionell organisierten Familien halten an ihren Gewohnheiten fest. Um mit der gesellschaftlichen Entwicklung Schritt zu halten, will die Schule als offene Ganztagsschule noch attraktiver werden und ein geeignetes Konzept entwickeln, das den Vor- und Nachmittag sinnvoll verzahnt und eine Unterrichtskultur anbietet, die den Schüler zum Regisseur werden lässt. Letzteres steht im Vordergrund und ist eine Folge des Teamgeistes, der im Kollegium herrscht. Selbst bezeichnen sich die Lehrer als „starkes Team“, was mit einem so lautenden Aufkleber an der Tür des Lehrerzimmers zum Ausdruck kommt.

Baustellen zum Ganztag

Die Schule wird im Rahmen der Netzwerkarbeit drei Baustellen diskutieren:

  • Lernkultur
    Auf der Ebene des Lernens werden Lernziele an den bereits etablierten „Bildungsstandards“ ausgerichtet. Diese wiederum bestimmen die Art und Weise des Lernens. Unterrichtskonzeptionen werden somit nicht mehr durch  Fachwissensziele als vielmehr durch Kompetenzziele bestimmt. Das Team hat schon jetzt die richtige Haltung und weiß um die Kräfte eines sinnhaften Lernens. Die Strukturierung des Chemieraumes lässt erkennen, dass bereits forschend gelernt wird.
  • Teamorientierung
    Jahrgang-Teams und Klassenteams werden die Fachschaften ergänzen. Die Einführung von Bildungsstandards schließt fächerübergreifende Bildungsziele ein. Kompetenzwissen macht für gewöhnlich nicht an Fachgrenzen halt, sondern bildet sich vorzugsweise im fächerübergreifenden Lernen. Aus diesem Grunde wird die Teamstruktur verändert.
  • Zeitgestaltung
    Auf der Ebene der Zeitgestaltung wird sich die Schule radikal verändern. Die jetzige Taktung schränkt die Umsetzung von schülerorientierten Lernarrangements ein. Die Schule wird den Unterricht rhythmisieren.

Die Rhönschule in Gersfeld will die zahlreichen Erfahrungen im Netzwerk und darüber hinaus aufgreifen, um „das Rad nicht neu zu erfinden“. Über die Einführung von Blockunterricht und einem offenen Einstieg soll der Methodenwechsel unterstützt werden. Die schon starken Angebote des Nachmittags komplettieren den Tag. Die Mensa wird sich demnächst auf eine steigende Nachfrage einstellen müssen.