Soziale Netzwerke sind längst ein wichtiger Bestandteil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen geworden. Ihr Merkmal: Sie fördern Kontakte und Vernetzung. Auch im „wirklichen“ Leben treffen sich laut JIM-Studie 2010 83% der Jugendlichen in ihrer Freizeit am liebsten mit Freunden. Welche Rolle spielen nun Soziale Netzwerke wie Schüler- /StudiVZ, Facebook etc. bei dieser Entwicklung? Sind sie dabei, ein Ersatz für echte soziale Kontakte zu werden? Und welche Rolle spielt dabei die Ganztagsschule, in der Schülerinnen und Schüler fast den ganzen Tag mit Gleichaltrigen zusammen sind?
Die Ganztagsschule bietet mehr Zeit für Lernen, aber darüber hinaus auch zusätzliche Zeit am Nachmittag, die für Projekte oder freies Lernen verwendet wird. Bedeutet diese Zeit, während der die Schülerinnen und Schüler betreut sind, automatisch auch Abstinenz von Sozialen Netzwerken? Die aktuelle JIM-Studie, die das Medienverhalten der 12-19Jährigen untersucht, stellt fest: Soziale Netzwerke dienen größtenteils der Fortführung der Kontakte, mit denen man auch im wahren Leben befreundet ist. Das heißt, wenn die Schule aus ist, tauschen sich die Jugendlichen im Netz aus. Dieses Forschungsergebnis ließe den Rückschluss zu, dass der Besuch einer Ganztagsschule den Nebeneffekt hat, dass die Nutzungsdauer bzw. der Bedarf sozialer Netzwerke zurückgeht. Schließlich können sich die Jugendlichen länger im „real life“ erleben. Doch was ist mit den Kontakten im Sozialen Netzwerk, mit denen man im Alltag kaum Zeit verbringt, zum Beispiel, weil sie nicht die gleiche Schule besuchen?
Was macht soziale Netzwerke so wichtig?
Soziale Netzwerke boomen. Nutzten 2008 noch etwas mehr als die Hälfte der Jugendlichen Online Communities mindestens einmal die Woche, sind es in der Studie von 2010 bereits 70 Prozent, Tendenz weiter steigend. Die Netzwerke bieten den Jugendlichen Rückzugsräume, in denen Sie mit Freunden und Bekannten kommunizieren und auf deren Profilen stöbern können.
Diesem Rückzug der Jugendlichen in die Communities entspringt auch die Furcht vieler Eltern, ihre Kinder könnten der sozialen Kontrolle durch die Erwachsenen entgleiten. Inwieweit solche Ängste begründet sind, hängt stark vom jeweiligen Einzelfall ab, also vom jeweiligen sozialen Verhalten des/der Jugendlichen und den Kommunikationsformen im Elternhaus. In einem gesunden familiären Umfeld mit gemeinsamen Unternehmungen, Mahlzeiten und Unterhaltungen wird sich die Zeit, die in sozialen Netzwerken verbracht wird, automatisch reduzieren.
Sicherheit im Netz
Das tägliche Miteinander von Jugendlichen wird auf die sozialen Netzwerke ausgeweitet – mit allen positiven und negativen Effekten. Sich ein Online-Profil anzulegen, hat viel mit Selbstdarstellung zu tun. So ist die Identität im Netz für die Jugendlichen ein zusätzlicher Orientierungsrahmen zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Das Netz macht möglich, was im wahren Leben oft nicht so einfach ist: Die jugendlichen Nutzer können entscheiden, welche Bilder sie veröffentlichen und welche Neuigkeiten sie posten. Aus eingestellten Informationen ergibt sich eine selbst geschaffene Netz-Identität, die nicht unbedingt mit der im „wahren“ Leben übereinstimmen muss.
Das ist grundsätzlich erst einmal nichts Schlechtes, vorausgesetzt, die Kinder und Jugendlichen sind genau über die Risiken informiert sind, die mit der Veröffentlichung von Informationen im Netz verbunden sind. Die unkontrollierte Verbreitung von Bildern und Daten kann gebannt werden, wenn man über einige grundlegende Sicherheitseinstellungen Bescheid weiß. Doch wie können Jugendliche das lernen, wenn ihre Eltern meist selbst nur wenig von den Communities verstehen, die ihre Kinder ganz aktiv und selbstverständlich nutzen?
Die zunehmende Auseinandersetzung mit Möglichkeiten und Risiken von Sozialen Netzwerken in der Öffentlichkeit, aber auch an Schulen, hat zu einem wachsenden Bewusstsein der jugendlichen Nutzer geführt. Während laut JIM-Studie 2009 weniger als die Hälfte der Nutzer die sogenannten Privacy-Optionen – also die Sicherheitseinstellungen bei der Privatsphäre – aktiviert hatten, nutzen 2010 bereits zwei Drittel aller Nutzer diese Möglichkeit. Auffällig ist dabei, dass Gymnasiasten die Einstellung überdurchschnittlich viel nutzen.
Soziale Netzwerke im Unterricht
Und nicht nur der Umgang mit den Communities bietet interessanten Stoff für Unterrichtseinheiten, auch das Konzept der Selbstdarstellung, die in sozialen Netzwerken stattfindet. Was man bei der Kreation einer Netz-Identität über sich und andere lernen kann, hat Potenzial für Fortschritte beim individuellen und sozialen Lernen. Lehrkräfte können gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern die Gestaltung des eigenen Profils reflektieren und in diesem Prozess auch mögliche Risiken oder negative Tendenzen ganz offen thematisieren. Als Resultat können gemeinsam Verhaltenskodizes erarbeitet werden, die den Jugendlichen Regeln für die sinnvolle und sichere Nutzung der Plattformen an die Hand geben.
Am besten können die Berührungsängste mit den sozialen Netzwerken ohnehin ausgeräumt werden, indem man sie bewusst in den Unterricht integriert. Nicht wenige Lehrer arbeiten inzwischen mit geschlossenen Facebook-Gruppen, in denen man sich über Hausaufgaben und Unterrichtsinhalte austauschen kann. Eine Methode, welche Offenheit und Lernbereitschaft von Seiten der Lehrkräfte voraussetzt – und den Schülerinnen und Schülern ganz selbstverständlich einen verantwortlichen Umgang mit den Netzwerken nahebringt. Dabei muss alle Kommunikation und Vernetzung auch immer im Unterricht stattfinden, damit sich keine Schülerin und kein Schüler verpflichtet fühlt, dem Facebook-Trend zu folgen. Die Nutzung Sozialer Netzwerke muss immer freiwillig bleiben.
Datum: 10.05.2011
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