Individualisierung des Lernens
Herr Prof. em. Dr. Witlof Vollstädt referierte zu Beginn des Abschlusstreffens über die Individualisierung des Lernens, damit gab er den theoretischen Hintergrund zu Lernformen, Kompetenzförderung, Paradigmenwechsel bei individueller Förderung, Befähigung zum selbstgesteuerten Lernen und Aufgaben und Möglichkeiten individueller Förderung.
In der ersten Arbeitsphase ging es dann um den Rückblick auf die Projektverläufe. Die Schulen stellten auf einem Zeitstrahl ihre Schritte zwischen den Meilensteinen der drei Netzwerktreffen dar und zeigten auch, worin ihr Projekt in Hinblick auf eine neue Lernkultur besonders hervorsticht. Die Chroniken machten deutlich, dass alle Schulen den Programmzeitraum intensiv genutzt und ihre selbst gesetzten Ziele engagiert verfolgt und erreicht haben.
Welche Prozesse hat das „Labor Lernkultur“ an den Schulen in Gang gesetzt bzw. befördert, welche neuen Ansätze für Unterricht und Lernen sind erprobt worden und bereits auf dem Weg, integraler Bestandteil des Schulprogramms zu werden?
Dem Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) ist es gelungen, Zeit für forschendes und experimentierendes Lernen im Physikunterricht zu schaffen – durch geschickte Koppelung von Fach- und Klassenlehrerunterricht. Inzwischen werden entsprechende Lernumgebungen von den Schülern selbst für andere Schüler arrangiert.
Auch an der Grund- und Gemeinschaftsschule Boostedt in Schleswig-Holstein war die Verbindung von obligatorischer Unterrichtszeit und optionaler Angebotszeit die Voraussetzung, um Schülerinnen und Schülern mehr Zeit für fächerverbindendes und selbständiges Lernen zum Thema Gesundheitsförderung und Verbraucherbildung zu verschaffen.
An der Sekundarschule Wanzleben in Sachsen-Anhalt werden im Projekt „Weimar“ die Fächer Deutsch, Geschichte, Kunst und Musik verbunden, außerschulische Ler-norte – Weimar und Buchenwald – einbezogen und neue Formen der Präsentation von Lernprozessen und –ergebnissen entwickelt.
Die Pestalozzi-Grundschule in Eisenberg (Rheinland-Pfalz) ist auf dem Weg zur inklusi-ven Schule weit vorangeschritten und entwickelt modellhaft ein Förderkonzept, bei dem psychomotorische Übungselemente mit fachlichen Lerninhalten verknüpft werden. Mit diesem Beispiel wird die entscheidende Wende von der Zuweisungs- zur Förderdiagnostik eingeleitet.
Im Hochwaldgymnasium Wadern (Saarland) hat die diesjährige Fußballweltmeister-schaft in Südafrika die Inhalte für das Jahresprojekt der ersten Ganztagsklasse an dieser Schule
gestellt. Kurz vor dem Projekthöhepunkt, der Mini-WM in der ganzen Schule, steht fest, dass eine entscheidende Gelingensbedingung für die hier sichtbar werdende umfassende Veränderung der Lernkultur die kontinuierliche Zusammenarbeit aller Lehrkräfte ist.
Dass erfahrungsgemäß der Anstoß zu solchen Veränderungen zunächst von einer kleinen Gruppe im Kollegium ausgeht, ist auch im Gymnasium am Neandertal in Erkrath (Nordrhein-Westfalen) zu beobachten: Dort erarbeitet ein noch relativ kleines Team Module für eine mobile Lernwerkstatt, die u.a. im Vertretungsunterricht eingesetzt werden kann und Modelle, wie an einer Ganztagsschule die Hausaufgaben weitgehend in den Unterricht zurückgeholt werden können.
Offene Unterrichtsformen und individualisierende Lernarrangements sind auch Schwerpunkt der Modellentwicklung in Sachsen an der 128. Mittelschule Dresden. Greifbar wird das Ergebnis des Veränderungsprozesses mit dem kleinen Handbuch, in dem jeder Schüler Lerntipps und Arbeitshilfen für das Lernen in der Schule und Hause findet.
Mithilfe der Internetplattform „Schola-21“ erlernen Lehrer und Schüler des Veit-Ludwig-von-Senckendorff-Gymnasiums in Thüringen Projektorganisation und selb-ständige Planung und Durchführung von Lernvorhaben. Gleichzeitig wird die Freiar-beit in Anlehnung an den Dalton-Plan mit Einbezug veränderter individueller Leis-tungsrückmeldung weiterentwickelt.
Die Schulen waren sich darüber einig, dass die Rahmenvorgaben des Labors, nicht zuletzt die verpflichtenden Zielvereinbarungen, vor allem aber die beratende und unterstützende Prozessbegleitung durch die Mitarbeiter/innen der Serviceagentur des jeweiligen Bundeslandes, die den Schulen zur Seite standen, wesentlichen Anteil an der erfolgreichen Umsetzung der anfangs noch wenig konkreten Ideen hatten. So konnte jede der acht Schulen ihren eigenen Weg finden, Lernkultur neu zu denken und auch zu zeigen.
Bei der Zusammenschau der Ergebnisse der zweiten Arbeitsphase, in der die Arbeit im Netzwerk unter den Aspekten „Voneinander lernen“, „Kommunikation und Aus-tausch“ und „Projektmanagement“ reflektiert wurde, zogen die schulischen Akteure folgendes Fazit:
- Das Labor Lernkultur hat an allen Schulen die Zusammenarbeit der unter-schiedlichen pädagogischen Professionen verstärkt und fest verankert.
- Die Entwicklung und Intensivierung der Kooperationsstrukturen bewirkte, dass die Bereitschaft wuchs, den eigenen Unterricht für kollegiale Beobachtungen zu öffnen.
- Dies führte zu einer insgesamt größeren Transparenz des Unterrichts und der Eröffnung eines Qualitätsdialoges im Kollegium.
- Das Know-how jedes einzelnen Kollegen „zirkuliert“ nun auch in anderen Lernkontexten.
Zwar ist die Arbeit des Labor Lernkultur mit der Veranstaltung zum Abschluss gekommen. Die acht Laborschulen werden jedoch mit den Ergebnissen weiterarbeiten und beim 7. Ganztagsschulkongress am 12./13. November 2010 in Berlin ihre Lernkulturprojekte präsentieren.
Autorin: Anne Schnier
Datum: 13.07.2010
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