Die lichtdurchflutete, weitläufige Gesamtschule in Friedland besticht durch ihre Architektur und die Rückzugsräume sind beliebt bei den Schülern. Die offene Ganztagsschule stößt im ländlichen Raum auf Akzeptanz. Für die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern sucht die Schule nach Möglichkeiten der Finanzierung. Der Kunstunterricht fokussiert die Selbstentfaltung und prägt das Profil der Schule.
„Ich habe sehr lange Aufgaben erfüllt, die mir andere stellten. Aber jetzt stand ich davor, mein eigenes Thema zu finden, das sich nur auf meine Persönlichkeit bezieht. Es ist das Schwerste, was ich je zu leisten hatte“, beginnt der 17-jährige Stefan die Präsentation seines „Ich-Buchs“. Der Kunstunterricht der Friedländer Gesamtschule ist etwas Besonderes. Lehrerin Eva Mieth fordert ihre Schülerinnen und Schüler immer wieder heraus, eigene Grenzen zu überschreiten, so zum Beispiel mit der Darstellung ihrer Persönlichkeit in einem Buch. Jedes Buch birgt sehr persönliche Erfahrungen, greift in innere Welten des Ichs und entblößt auch Schwächen. „Die Ausdrucksvielfalt wurde nicht durch meinen Filter bestimmt ist, sondern durch den der Schüler“,
resümiert Kunstlehrerin Eva Mieth die vielfältigen Ergebnisse. Ihre Aufgabe war es, auf die Entscheidungen einzugehen und die Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu begleiten. Und das, ohne sie zu verbiegen.
Den eigenen Weg finden
Die Schülerin Amelie beschreibt, welche Chancen sich bieten, um den eigenen Weg zu finden. Da sei zum einen der Wahlpflichtunterricht. Ihre Vorliebe für Kunst ließ sie nicht lange überlegen und sie entschied sich für den Kurs ‚Biografieren‘. Es hat ihr Spaß gemacht, dass eigene Selbst zu erforschen und auf unterschiedliche Art auszudrücken. „Das wiederum waren Ausgangspunkte für weitere Schritte“, erzählt die Schülerin. Darauf hin hat sie Messen besucht und berufliche Perspektiven erkannt. Sie möchte einen kreativen Berufsweg einschlagen. Ihre Lehrerinnen und Lehrer griffen die Vorstellungen auf und besprachen einen individuellen Förderplan. Und sie belegte Kunst als Leistungskurs. Was der beruflichen Vorbereitung dient, ist gleichzeitig Persönlichkeitsentfaltung und Freude. „In diesem Kurs erlebe ich, wie ich persönliche Grenzen erkenne und dann überschreite. Ein tolles Gefühl.“
Kunstlehrerin Eva Mieth ist von ihrem Fach überzeugt: „In der Kunst geht es immer um den Menschen. Das Besondere ist, dass jeder unverwechselbar und einmalig ist, irgendwo muss auch Schule dieser Tatsache ins Auge schauen. Wobei auch die Mathematik ihr Potential für individuelle Entfaltung nicht unterschätzen darf.“
Das Schulhaus als Treibhaus
Schulleiter Heiko Böhnke ist stolz auf die Architektur seiner Schule. Es ist mehr Glas als Ziegel verwendet worden, unter anderem führen Brücken in andere Flure und Räume. Die Architekten haben möglicherweise, laut Böhnke, ihre Vision von Schule gebaut. „Es ging denen um Licht und Transparenz. Ein Treibhaus für die Zukunft.“ Das Atrium ist eine Halle, die in ihrer Höhe durch Treppen und Ebenen Struktur erhält. Die Bibliothek ist als gläserner Würfel gestaltet und scheint über dem Atrium zu schweben. In jeder Pause strömen Schülerinnen und Schüler aus allen Klassen in die Sitzecken und zu den Bücherregalen. Alle Plätze sind belegt, es wird trotz Pause gearbeitet. Die Bibliothekarin ist fast froh, wenn die Pause zu Ende ist und nur noch einzelne Schülergruppen bleiben. „Die Bibliothek ist nun mal Lieblingsort“, erklärt sie die Resonanz. Fragt man die Lehrkräfte wird die Bibliothek als eine Ausweichgelegenheit für individualisiertes Lernen beschrieben.
Lehrer im Team – Qualitätsentwicklung an der Schule
Heiko Böhnkes Kollegium hat vor etlichen Jahren am Förderprogramm der Robert-Bosch-Stiftung „Lehrer in Teams“ teilgenommen. Aus dieser Zeit stammt eine Vorlage zum Methodencurriculum. Das Programm half, andere Wege zu denken und ergebnisorientiert an der Weiterentwicklung schulinterner Lehrpläne zu arbeiten. Mit dem Ende der Initiative löste sich das Engagement jedoch nicht auf, sondern die Zusammenarbeit in der Schule gewann eine neue Qualität und trägt mittlerweile Früchte. Das Methodencurriculum wurde mit einem Kompetenzcurriculum verflochten. Das Ergebnis scheint eine zukunftsweisende Grundlage für pädagogisches Arbeiten und überzeugt auch die Region, was die Schüleranmeldungen nach oben treibt.
Jetzt macht Böhnke die Tatsache der „aussterbenden“ Lehrerinnen und Lehrer Sorge. „Wer wird sich in Zukunft für den Standort Friedland entscheiden, wenn es Alternativen in Meernähe oder in der Universitätsstadt Greifswald gibt?“ Doch auch ein anderes Problem lässt den Schulleiter grübeln: Wie lassen sich außerschulische Partner nachhaltig finanzieren? Sein Vorschlag, Lehrerstunden zu kapitalisieren, wurde abgelehnt. Etwas enttäuscht, aber nicht entmutigt, sind nun temporäre Lösungen auf der Basis alternativer Finanzierung gefunden worden. Allerdings verbergen sich dahinter Unsicherheit und Stress. „Es ist ein Mehraufwand, dem keiner aus meiner Schule auf Dauer gewachsen ist.“ Die Verantwortung für die Finanzierung des Ganztagsangebots liegt auf den falschen Schultern. Die Zukunft wird zeigen, wie lange das in Friedland noch zu leisten ist.
Zu weite Wege für ein gebundenes Ganztagsangebot
Das offene Ganztagsangebot ist aus Böhnkes Sicht die einzige Möglichkeit, Ganztagsschule zu gestalten. Die Gründe liegen auf der Hand. Die Anreise der weit entfernt wohnenden Schüler beansprucht Zeit. Die aus der näheren Umgebung gewinnen durch kurze Wege und können damit Angebote tatsächlich nutzen, während „Weitreisende“ immer Absprachen mit den Eltern treffen und alternative Zu- und Abfahrten organisieren müssen. Ein gebundenes Ganztagsangebot würde deshalb nicht funktionieren. In einer Großstadt wäre die An- und Abreise kein Grund, das gebundene Ganztagsangebot nicht einzuführen. Öffentliche Verkehrsmittel sind auch auf vergleichsweise kurzen Wegen unterwegs. Das sieht für seine Schützlinge im Flächenland ganz anders aus.
Datum: 02.03.2012
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