Lernen in der Ganztagsschule

Die typische Buchschule, so wird die mittlerweile tradierte Praxis des kognitiven Lernens bezeichnet. Schüler, die diese Lernangebote tagtäglich erleben, resignieren an dem Überhang von schriftlich und mündlich dargestelltem Wissen. In der Ganztagsschule bricht sich die Buchschule an dem Widerstand ihrer Schüler. Mit der Einführung der Ganztagsschule stehen Schulen ganz offensichtlich vor einem Reformzwang, der sich von innen heraus entwickelt.

Lernen mit allen Sinnen

Das Prinzip besteht darin, dass Schüler Lernstoff aufgrund unterschiedlicher Reize aufnehmen. Die Sinneskanäle sind auf eine Vielfalt von Eindrucksarten eingestellt. Gerade Kinder suchen die entsprechenden Reize für alle Sinne und dementsprechend wächst die Begeisterung, wenn sie neuen Lernstoff auf sehr verschiedene Weise „erleben“. Das Didaktisieren von Lernstoff stimmt dann, wenn sich unterschiedlichste Lerntypen angesprochen fühlen.

Didaktische Herausforderung

Letztlich geht es um die Orchestrierung von unterschiedlichen Angeboten. Unterricht könnte sich als ein „Supermarkt“ von Wissenszugängen gestalten. In diesem würden die Schüler entscheiden, welche Lernweise ihnen am meisten zusagt. Lehrer verweigern oft den dafür nötigen Aufwand, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Doch gibt es Wege, der Verantwortung für eine vielfältige Lernkultur gerecht zu werden!

Gemeinsam konzipieren wir Vielfalt!

Besteht in einem Kollegium Einigkeit, dann kann es sich untereinander abstimmen, in welchen Unterrichtssequenzen auf welche Weise Lernen „betont“ wird. Während in den Naturwissenschaften das haptische und sensorische Lernen die meisten Gelegenheiten vorfindet, wird es in anderen Fächern mehr kognitive Angebote geben. Das Entscheidende ist die Mischung über den ganzen Tag. Neben den Präferenzen der Schüler gibt es diese auch unter Lehrern. Auch darüber können sich diese austauschen, um ihre Vorlieben für bestimmte Unterrichtsweisen zu kombinieren. Fragt man Schüler nach dem für sie ideal gestalteten Unterrichtstag, dann hört man: „Ruhig anfangen – mehr was hören und lesen, dann kann ich nachdenken und mich im Kopf anstrengen und dann kann ich richtig was machen – so gegen 11.00 Uhr. Nach dem Mittag dann etwas ruhiger und dann wieder aufdrehen.“ Julius, 14 Jahre alt. Sein Statement lässt ahnen, dass er auf unterschiedliche Weise lernen möchte, aber auch im Einklang mit seinem Biorhythmus. Ganztagsschulen sind somit zusätzlich gefordert, wenn sie den Anspruch haben, auch den Biorhythmus nicht zu ignorieren.

Was kann der einzelne Lehrer tun?

Lernen mit Stationen, Wochenplan, Werkstattunterricht, Projektarbeit. In allen Methoden steckt ein hohes Potential für den Einklang von Lerntyp, Lernzugang und Biorhythmus. Lernarrangements, in denen der Schüler seine Aktivität einsetzen muss, aber vor allem eigenverantwortlich entscheidet, wie er sich den Herausforderungen nähert, führen dazu, dass jeder das für sich passende Maß, die Art und Weise, aber auch die Intensität und das Tempo sucht. Der Lehrer gibt mit diesen Lernarrangements Verantwortung ab und streut sie unter die Schüler. Das hört sich leicht an, basiert aber auf Methodensicherheit und Rollenverständnis. Darüber hinaus muss das Verständnis von Schülerorientierung auf breiten Konsens stoßen und auf ein von der Schulleitung akzeptiertes Lernen. Und: Eine Ganztagsschule sollte sich über die tradierten Formen von Leistungsbewertung hinwegsetzen.

Möglichkeiten

Konkrete Verfahren zum selbstgesteuerten Lernen aus dem Repertoire der Unterrichtsmethoden finden sich übergreifend im Schulbetrieb, bei Aus- und Fortbildung, im Fachstudium sowie der Erwachsenenbildung. Die Selbsterfahrungs- und Selbstbestimmungsanteile sind hier durchweg höher als bei rezeptiven Verfahren wie der Vorlesung, dem Frontalunterricht oder dem Lehrgang. Hierbei wird auch deutlich, dass die Diskussion von Lernkonzepten sich nicht auf Schüler beschränken kann und darf.
Selbstorganisiertes Lernen bietet dem Lehrer vielfältige Möglichkeiten, einen interessanten und abwechslungsreichen Unterricht zu gestalten. Diese Verfahren werden untergliedert in:

… erarbeitende Verfahren:

  • Stationenlernen: Schüler müssen in freier Zeiteinteilung, beliebiger Reihenfolge und Sozialform Wahl- und Pflichtaufgaben in Stationen bearbeiten
  • Moderation: Gruppendiskussion unter Berücksichtigung aller Gruppenmitglieder
  • Gruppenpuzzle: Schülergruppen bearbeiten Teilthemen eines Gesamtthemas und müssen danach in neuen Gruppen jeweils ihr Thema vorstellen
  • Projektarbeit: Schüler bearbeiten ein gemeinsam ausgewähltes Thema über einen längeren Zeitraum

… darstellende Verfahren:

  • Präsentation: bearbeitete Themen werden vor der Klasse dargestellt
  • Visualisierung: Veranschaulichung von abstrakten Themen
  • Referat: Schüler stellen ein bearbeitetes Thema in einem Vortrag der Klasse vor (einzeln oder in kleinen Gruppen)
  • Thesenpapier: knappe Zusammenfassung eines Themas (oft in Zusammenhang mit Referaten)
  • Rollenspiel / Planspiel: komplexe Themen werden in vereinfachten Situationen nachgespielt

… Verfahren zur Vertiefung:

  • Strukturierung: komplexe Themen werden in klarer Struktur vereinfacht wiedergegeben
  • Sortieraufgaben: Themenzusammenhänge werden in logische Struktur gebracht
  • Domino: passende Fragen und Antworten müssen wie beim Dominospiel aneinandergelegt werden

… Vernetzung von Inhalten:

  • ganzheitlich Lernen (erweiterter Lernbegriff)
  •  entdeckendes Lernen / (forschend-entwickelnder Unterricht)

… Integrierende Methode

  • Lernen durch Lehren (LdL):Kleine Schülergruppen bekommen die Aufgabe, einen Abschnitt des neuen Stoffes der ganzen Klasse zu vermitteln. Dabei werden alle unter a) bis d) genannten Verfahren integriert.

Datum: 17. 09. 2010
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