Interkulturelles Lernen

Interkulturelles Lernen
DKJS

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass für die Bewältigung interkulturellen Lernens mehr und mehr „schichtenspezifische als ausländerspezifische Probleme“ bedeutsam sind. Chancengleichheit für Ausländerkinder meint zugleich das Bemühen um Chancengleichheit für Arbeiterkinder. Gefordert sind somit zugleich bildungspolitische Maßnahmen. So gesehen geht es im Bildungsbereich um drei pädagogische Zielrichtungen:

  • einerseits um die Wahrnehmung und Akzeptanz, um die Hereinnahme und Berücksichtigung des Kulturgutes der entsprechenden Ethnie, damit deren Mitglieder den Wert der eigenen Kultur schätzen und bewahren können und nicht gewaltsam „entwurzelt“ werden,
  • andererseits um das Vertrautmachen mit (unserer) Sprache, (unserer) Kultur und Zivilisation und
  • schließlich um die soziale und kulturelle Integration in die Schulgemeinschaft und darüber hinaus in das staatliche Gemeinwesen auf dem Wege der gesellschaftlichen Integration.

Gleichzeitig darf die Wechselwirkung in den verschiedensten Bereichen mit Menschen unserer Gesellschaften und Kultur nicht übersehen und auch nicht als ein nur nebenbei verlaufender Sozialisationsprozess gering geachtet werden, richtet sich Interkulturelle Erziehung und Bildung doch immer an alle Angehörige der Minderheiten und der Mehrheiten.

Pädagogische Grundlagen interkultureller Bildung

Ein so verstandener Auftrag an die Schule führt zwangsläufig zu einer Erweiterung des Bildungsziels für alle Jugendlichen im Sinne interkultureller bzw. multikultureller und multiethnischer Bildung. Sie alle sollen in die Lage versetzt werden, Kulturunterschiede (und damit auch soziale Unterschiede) wahrzunehmen und neue Formen des Zusammenlebens in kultureller Vielfalt zu entwickeln. Keine Ethnie in Europa kann sich dieser Entwicklung entziehen. Das Erkennen von möglichst vielen Gemeinsamkeiten sowie das Wahrnehmen und das Bewusstmachen von Verschiedenheit tragen zur besseren gegenseitigen Wertschätzung bei und fördern gegenseitiges Verständnis. Basis dafür wäre die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“.

Schule als Ort der Begegnung Interkulturelles Lernen als Unterrichtsprinzip

Einerseits geht es um persönliche Identität, um die Einmaligkeit des Individuums, andererseits um soziale Identität, die die Zugehörigkeit des einzelnen zu verschiedenen Bezugsgruppen regelt. Balance halten zu können zwischen diesen unterschiedlichen Erwartungen heißt, die folgenden Grundfähigkeiten zu entwickeln: Empathie, Rollendistanz, Ambiguitätstoleranz und Kommunikationsfähigkeit. Text von Otto Stoik öffnen

Dabei ist zu fragen, ob ein solcher Auftrag an die Schule eine Belastung aller damit Beauftragten und darüber hinaus des gesamten Systems oder aber eine Chance darstellt. Schule steht immer in Wechselwirkung zur Gesamtgesellschaft; ihre Bildungsfunktion kann sie nur auf die Gesellschaft hin bezogen erfüllen, aber eben auch nur in Abhängigkeit von Gesellschaftspolitik. Schule allein entscheidet nicht über das Leben in einer Welt geprägt von Verschiedenheit, nicht über gesellschaftliche Integration, Assimilation oder Segregation.

Assimilation

Assimilation meint Angleichung bzw. Anpassung im gesellschaftlichen Leben; Traditionen, Wert und Verhaltensmuster der anderen , der Mehrheiten werden übernommen. Endergebnis eines Assimilationsprozesses ist die vollständige Angleichung an die den einzelnen umgebende Kultur- und Gesellschaftsform. Dies ist jedoch mit dem Verlust der bisherigen eigenen Identität verbunden.

Akkulturation

Im Prozess der Akkulturation werden einzelne Elemente aus der anderen Kultur übernommen. Dieser schrittweise Prozess führt dazu, dass die/der Einzelne parallel zu seiner/ihrer bisherigen kulturellen Identität Elemente der anderen Kultur(en) erwirbt und für sich verfügbar macht. Ergebnis dieses Prozesses könnte sein: ein in zwei Kulturen beheimateter Mensch, der in der Lage ist, in beiden Kulturen zu denken, zu handeln und zu leben.

Segregation

Segregation dagegen ist „die gesellschaftliche Absonderung einer Ethnie oder deren Mitglieder, die als fremdartig und inakzeptabel empfunden wird“. Besonders deutlich wird diese Ausgrenzung in Form der räumlichen Segregation; in der Form der Ghettobildung.

Integration

Integration hingegen – und es handelt sich auch hier um einen länger andauernden Prozess – „ist die Verbindung einer Vielheit von einzelnen Menschen oder von Gruppen (Ethnien) zu einer gesellschaftlichen Einheit, die sich in der Annahme kulturspezifischer Wertvorstellungen und sozialer Normen durch die Beteiligten äußert“. Das Leben in der Schule ist immer ein Beispiel – bewusst oder unbewusst, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, gewollt oder nicht gewollt – für das Leben in der Gesamtgesellschaft. Der Umgang mit Jugendlichen und die organisatorischen Maßnahmen beeinflussen die Art und Weise, wie insgesamt mit Menschen – inländischen und ausländischen – in der Gesellschaft umgegangen wird. Ist Integration das gewollte Ziel, so kommt es auf die in diesem Prozess vermittelten Normen und Werte entscheidend an: Demokratie, Toleranz, Pluralismus, Achtung der Menschenrechte usw. Letztlich geht es um Grundlagen von Erziehung und damit auch um die Form von multikultureller und ethnischer Wirklichkeit.

Inklusion

„Inklusion“ bedeutet Einbeziehung, Einschluss, Einbeschlossenheit, Dazugehörigkeit. Die Idee der Inklusion besteht darin, dass die Heterogenität der Gesellschaft die Normalität darstellt. Statt Andersartige auszusondern oder sie durch eine gesonderte Behandlung zu „integrieren“, besteht der Anspruch, dass ein Bildungssystem gestaltet wird, das den Bedüfnissen aller gerecht wird.

 

Prof. Dr. Otto Stoik
Pädagoge und Soziologe an Pädagogischen Akademie der Diözese Linz

 

 

Datum: 02.03.2012
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