Individuelle Lernzeiten

(c) DKJS / D. Ibovnik
DKJS/D. Ibovnik

… oder offener Unterricht?

Unterricht an der Ganztagsschule kann auch Unterricht sein, der sich offen gestaltet. Offener Unterricht ist eine Zeit, in der Schülerinnen und Schüler eigenen Lerninteressen nachgehen bzw. Defizite abbauen können. Aus der Perspektive des Schülers ist deshalb auch von „Individueller Lernzeit“ die Rede.

An der Max-Brauer-Schule in Hamburg gibt es dafür das „Blaue Buch“. Es ist ein Wochenplan, der die lose Blattsammlung an dieser Schule abgelöst hat. Lehrerin Silke Jessen hat aufgrund ihrer Erfahrungen an der Max-Brauer-Schule fünf Thesen formuliert, die für die Öffnung des Unterrichts ausschlaggebend sind (Pädagogik 11/09):

  1. Öffnung braucht Kommunikation.
  2. Öffnung braucht Freiräume.
  3. Öffnung braucht Struktur.
  4. Öffnung braucht Reflexion.
  5. Öffnung braucht Unterstützungssysteme.

In allen Dimensionen gibt es für die Ganztagsschule probate Möglichkeiten. Mit dem ganzen Tag ergeben sich bei einer teilgebundenen und auch bei einer gebundenen Ganztagsschule immer Lücken, die letztlich nur durch ein geöffnete Lernarrangements sinnvoll genutzt werden können. An der Max-Brauer-Schule ist es das Lernbüro, an Gymnasien in Böblingen oder Stralsund die „study hall“. Das Betreuungsproblem löst sich in diesem Zusammenhang mit der Einführung von Präsenzzeiten für die Lehrkräfte. Und damit stehen dann in der individuellen Lernzeit auch Ressourcen für Unterstützung, Reflexion und Kommunikation zur Verfügung.

Offener Unterricht

Das Schlagwort „Offener Unterricht“, stellt einen Sammelbegriff für verschiedene Reformansätze dar, entbehrt jedoch einer wissenschaftlich abgesicherten und abschließenden Definition. Es handelt sich dabei allgemein um die Bemühung den Unterricht methodisch zu öffnen, Unterrichtsinhalte, -durchführung und -verlauf an den Interessen der Schüler auszurichten und eine möglichst weitgehende selbstständige Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand zu ermöglichen.

Informationen

Beispiel für offenen Unterricht

Am Hamburger Goethe-Gymnasium wurden bereits vor Jahren eigene Arbeitsplätze für Lehrerinnen und Lehrer eingerichtet. Zwei bis vier Kollegen teilen sich kleinere Räume und können ihre Arbeitsunterlagen auf eigenen Schreibtischen hinterlassen. In diesen Konstellationen wird der Austausch gefördert, aber auch die Anwesenheit in der Schule ist nach dem Unterricht möglich und sinnvoll. Für die Lehrkräfte hat sich so etwas wie ein „normaler Arbeitstag“ entwickelt, der sich einfacher mit dem eigenen Familienleben verbinden lässt.

Öffnung von Unterricht braucht gelungene AufgabenformateNeben der Präsenzzeit der Lehrerinnen und Lehrer fördern feste Teamzeiten die Kommunikation innerhalb des Kollegiums und damit fächerübergreifendes und am Schüler orientiertes Lernen. Fachkommunikation wird durch jahrgangsbezogene oder jahrgangsübergreifende Kommunikation ergänzt und das vor allem durch verbindliche Begegnungstermine. In dieser an vielen Schulen noch stattfindenden „Übergangszeit“ – denn fachliche Kommunikation ist oft etabliert, der darüber hinaus gehende Austausch aber noch ungewohnt – erleben viele Schulleiter noch Widerstände. Die lösen sich auf, wenn am Schüler orientiert kommuniziert wird, was mehr in Jahrgangsteam stattfindet. Für die Öffnung von Unterricht und für die Organisation individuellen Lernens wird es immer wichtiger, an einer sinnvollen Aufgabenkultur zu arbeiten. Diese wiederum wird sich in Teamarbeit zwischen Pädagogen und nicht zuerst zwischen Fachexperten entwickeln.

Portfolio

Das ist vor allem in Hauptschulen eine Maßnahme zur Individualisierung im Unterricht. Ausgehend von den Forderungen methodisch-didaktischer Gestaltung des Hauptschulunterrichts und deren Schwierigkeiten bei der Implementierung in die pädagogische Praxis wird das Portfolio als eine Maßnahme zur Lösung dieser Problematik dargestellt.

Noch viel zu wenig ist klar, dass ein erfolgreiches Lernen von Aufgaben abhängt, die die Schüler herausfordern, sich motiviert an deren Lösung zu machen. Schüler sind weiterhin sehr dafür zu begeistern, über die eigentliche Aufgabe hinaus zu denken. Noch sehr oft aber setzen sich Wochenpläne aus rein fachbezogenen Aufgabenwelten zusammen, die sich durch das Lehrbuch erledigen lassen und maximal einen schnellen Blick ins Internet vorsehen. Da geht mehr, wenn mindestens zwei oder drei Fachkollegen zusammensitzen und Aufgaben so gestalten, dass unterschiedlichste Quellen wichtig sind und die Mischung an provozierten Lerntätigkeiten stimmt.

An der Max-Brauer-Schule ist die Reflexion der selbstständigen Lerntätigkeit eine wichtige Dimension. Das „Blaue Buch“ ist so gestaltet, dass selbst der Schüler Rückmeldung einfordern kann. Die unterschiedlichen Lernergebnisse lassen sich nicht mehr durch Einbeziehung in den Unterricht vollständig rückmelden. Dafür müssen andere Strategien entwickelt werden. Einfach ist die regelmäßige schriftliche Rückmeldung, möglich aber auch die Selbstreflexion durch Lerntagebücher, die jedoch in Abständen auch eine Reflexion brauchen. Das Portfolio bietet eine gute Mischung!