Häuser des Lernens

Hier erhalten Kinder wesentliche Impulse für Wissen und Bildung, hier können sie soziale Beziehungen aufnehmen und gestalten, hier entwickeln sie Tätigkeiten zur Gestaltung ihrer Umwelt. Qualitätsmerkmale für Ganztagsangebote sind deshalb auch aus der Perspektive der Kinder und ihrer Familien zu fassen und müssen die Aufgaben von Schule, Jugendhilfe, Kulturförderung und Sport integrieren, um eine begrenzte Sicht der Institutionen zu überschreiten. Es ist dann Aufgabe der einzelnen Träger, ihren Beitrag zur Erreichung der Ziele zu beschreiben und miteinander abzustimmen. Die Gestaltung von Schulen mit Ganztagsangeboten bedeutet die Schaffung einer Bildungs- und Erziehungsallianz zwischen Schulen, Eltern, öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe und weiteren Partnern.

System von Hortangeboten

Mit der Beteiligung am Investitionsprogramm der Bundesregierung „Zukunft Bildung und Betreuung“ engagiert sich das Land Brandenburg für eine Bildungsreform. Zu den Vorteilen im Land Brandenburg zählt das gut ausgebaute System von Hortangeboten, für das ein allgemeiner Rechtsanspruch bis zur Versetzung in die fünfte Schuljahrgangsstufe besteht. Die Organisation eines Ganztagsangebots wird in der Regel über die Kooperation von Schulen, Horten und anderen Trägern der Jugendhilfe realisiert. Diese Kooperation ist auf gegenseitigen Respekt und Anerkennung der jeweiligen Möglichkeiten, spezifischen Aufgaben und Grenzen zu gründen. Das Ganztagsangebot besteht demnach aus der Verbindung des schulischen Angebots mit Angeboten der Jugendhilfe – in einer gebundenen oder offenen Form. Der Leitgedanke für diese Häuser des Lebens und Lernens für Kinder könnte sowohl in interner wie externer Perspektive heißen: Gleichsinnigkeit in der Verschiedenheit.

Mit dem Ausbau von Ganztagsangeboten werden sowohl schulreformerische als auch sozialpolitische Ziele verbunden:

  • wie Verbesserung der Qualität von Bildung,
  • mehr Chancengleichheit für Kinder,
  • Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Unabhängig von der konkreten, vor Ort zu definierenden Form und Struktur der Zusammenarbeit, sollen im folgenden Leitideen für das Ganztagsangebot beschrieben werden. Sie ersetzen nicht die Entwicklung einer eigenen pädagogischen Konzeption, die als Aufgabe jedem Träger gestellt ist, der sich am Ganztagprogramm beteiligen möchte. Die wesentliche Frage für jeden beteiligten Träger wird sein, welchen Beitrag er für ein gelingendes, integriertes Ganztagsangebot erbringen kann. An der Entwicklung dieser Konzeption sind die jeweiligen Institutionen und Personen verantwortlich zu beteiligen.

Lebensweltbezug

Der Lebensweltbezug des Ganztagsangebots bedeutet, die Lebenssituation von Kindern und die ihrer Familien wahrzunehmen und deren Bedürfnisse aufzunehmen. Dort werden interessenbezogene Bildungsangebote einbezogen und die Kinder werden entsprechend den individuellen Voraussetzungen gefordert und gefördert. Es geht um Anregung und Entwicklungsangebote für Kinder, die sie zu Hause oder im Wohnort so nicht haben können. Schülerinnen und Schüler brauchen ein vielgestaltiges Anregungsmilieu. Dabei sind die Unterschiedlichkeit, die Entwicklungsnotwendigkeiten und auch die Erwartungen des Gemeinwesens zu berücksichtigen.

Lebensweltorientierung lässt keine Aufteilung in ein Vormittags- und Nachmittagsleben des Kindes zu. Eine „Kultur des Aufwachsens“, wie sie der 10. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung forderte, braucht die Zusammenarbeit und eine neue Kooperationsweise zwischen allen Beteiligten und deren konzeptionelle Arbeit. Eine gute Schule mit Gantagsangeboten ist ein Strukturmodell und kein einfaches Ergänzungsmodell für die Nachmittagsgestaltung. Neue Lernzeiten, eine andere Lernorganisation, ergänzende Inhalte, neue Raumkonzepte, Schüler- und Elternpartizipation sind konstituierende Merkmale.

Eine besondere Beachtung haben Übergänge zwischen Systemen wie die Phase des Über-gangs vom Kindergarten in die Schule, aber auch tägliche Wechsel wie der zwischen formellem Unterricht, informellen und nicht-formellen Bildungs- sowie Freizeitangeboten sowie den Familien. Voraussetzung, damit die Übergänge für die Kinder produktiv und anregungsvoll werden, ist die gegenseitige Kenntnisnahme und Akzeptanz der Erwachsenen, die diese Rahmen gestalten.

Beitrag der Gesellschaft

Das Ganztagsangebot ist auch ein Beitrag der Gesellschaft, Familie und Berufstätigkeit zu verbinden. Es bietet einen verlässlichen Rahmen der Bildung und Betreuung der Kinder. Verlässlichkeit ist formal zu verstehen im Sinne eines definierten Zeitraums; so bietet das Ganztagsangebot eine effiziente Unterstützung der sozialisatorischen Leistungen der Familie.

Jede Konzeption basiert auf einer Analyse der Lebenswelt der Kinder und ihrer Familien, darauf bezieht sich das Angebotsprofil und -konzept. Das Ganztagsangebot erhält damit einen Charakter, der nicht zufällig ist. Die am Ganztagsangebot beteiligten Partner entwickeln in Kooperation einen stimmigen Rahmen für Angebote, Ziele, Mittel und Personen, der Individualisierung und soziale Bezüge gleichermaßen fördert. Das Ganztagsangebot berücksichtigt die Problematik von Übergängen zwischen den Lebensräumen und Institutionen und gestaltet diese Übergänge im Sinne einer Kompetenzentwicklung der Kinder. Das Ganztagsangebot versteht sich als verlässliche Unterstützung der Familien, ihrer Bedürfnisse und Aufgaben.

Lernkultur

Im Zentrum der Bildung steht die Selbsttätigkeit und Eigenaktivität des Kindes. Bildung ist grundsätzlich eine Leistung des Individuums, der Mensch bildet sich selbst. Die Bildungseinrichtungen haben diese Bildung zu ermöglichen, anzuregen und herauszufordern. Die Verbindung von personaler, sozialer Kompetenz und von Sach- und Methodenkompetenz als Ziel des Ganztagsangebots ist dabei zugleich methodische Leitlinie. Solche Kompetenzen erwerben Menschen vor allem in komplexen, lebensnahen Situationen, die über eigene Fragestellungen zum Forschen, Erkunden und Entwickeln von Lösungsmöglichkeiten führen. Lernen wird als aktive Konstruktion von Wissen, Können und Bedeutungsgebung verstanden. Schüler und Schülerinnen sind bei allen Angeboten in einem hohen Maß eigentätig und zur Beteiligung an der Gestaltung eingeladen.

Ein solches Angebot bereitet Kinder auf die komplexen Aufgaben vor, die sich ihnen auch nach der Schule stellen: das Zurechtfinden in einer Welt, die immer weniger stützende Geländer für die individuelle Lebensführung bietet. Dem in traditionellen Formen beobachtbaren Abbau der Lernmotivation wird deshalb u. a. durch eine Berücksichtigung der inhaltlichen Interessen, des Vorwissens und der Eigentätigkeit der Kinder begegnet. Kindliche Bildungsprozesse sind in ihrem Wesen immer fachübergreifend und sprengen eine enge Fachlogik. Das Ganztagsangebot präferiert deshalb die Auflösung des Lernens in 45- Minutenblöcken zugunsten größerer zeitlicher Zusammenhänge, fachübergreifenden und fächerverbindenden Unterricht, das Lernen in Projekten und Arbeitsgemeinschaften und damit die Schaffung eines größeren pädagogischen Spielraumes, als es die herkömmliche Stundentafel ermöglicht. Die Entwicklung sozialer Kompetenzen braucht anschauliche Vorbilder und einen Raum für soziale Experimente, der Teamfähigkeit schulen hilft. Lösungen für Aufgaben können individuell oder in Gruppen gefunden werden. Kinder erleben eine Mehrzahl von Erwachsenen, die unterschiedliche Angebote machen können. Dafür ist eine andere Schulorganisation notwendig. Als Lern- und Lebensraum schafft das Ganztagsangebot eine sinnvolle Rhythmisierung sowohl des Tages wie auch größerer Zeiteinheiten. Feste und Feiern strukturieren den Jahres-ablauf und repräsentieren gemeinsame Werte und darauf bezogene Aktivitäten.

Innere Widersprüche reflektieren

Ganzheitliche Bildung orientiert darauf, Inhalt und Form als Einheit zu verstehen und innere Widersprüche zu reflektieren. Nicht immer sind die schulischen Räume die geeignetsten Lernräume; nicht nur Pädagogen, auch andere Experten haben Kindern etwas zu sagen. Das Ganztagsangebot nutzt deshalb themen- und anlassbezogen Lernorte außerhalb und erschließt Kindern damit zusätzliche Ressourcen wie Personen.Das Ganztagsangebot bezieht sich so auf einen zukunftsfähigen Bildungsbegriff und ermöglicht den Kindern einen aktiven Kompetenzerwerb. Das Ganztagsangebot entwickelt Ansätze, Formen und Inhalte eines fächerübergreifenden Unterrichts und eines flexiblen Tagesablaufes, der individuelle und soziale Bedürfnisse berücksichtigt.

Ziele und Formen der Angebote sind zu prüfen auf Angemessenheit und Qualität. Erwachsene verstehen sich als Lernvorbilder, als Berater und Begleiter der Lernprozesse und Moderatoren für Teamarbeit. Ganztagsangebote schaffen eine Öffnung nach außen, um die Lern- und Erfahrungschancen des räumlichen und personalen Umfelds aktiv zu nutzen.

Einrichtungskultur

Ein Ganztagsangebot sollte für Kinder und Erwachsene gleichermaßen ein attraktiver Ort sein, an dem sie den Vor- und Nachmittag gerne verbringen. Die Freundlichkeit der Rahmenbedingungen resultiert aus vielen Faktoren: der Architektur und Raumgestaltung (innen wie außen), dem Rollenverständnis und dem Verhalten der Erwachsenen, der Rücksichtnahme auf indivi-duelle Bedürfnisse, der Förderung sozialer Kompetenzen, der Orientierung am Erfolg, der Balancierung von Anstrengung und Entspannung, der Befriedigung grundlegender psychischer, physischer und sozialer Bedürfnisse. Nicht alle Faktoren sind gleichermaßen beeinflussbar.

Ganztagsangebote als Häuser für Kinder sind mehr als Lehr- und Lernorte zum Wissenserwerb oder Orte der Freizeitgestaltung. Mit der Möglichkeit, hier zu essen, tragen sie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Sie übernehmen damit auch die Verantwortung für eine gesunde Esskultur. Auch außerhalb der Mittagszeit besteht die Möglichkeit, sich mit Getränken und Obst zu versorgen. Ganztagsschulen bieten vielfältig gestaltete Räume und damit Gelegenheit zu unterschiedlichen Erfahrungen. Es gibt Bereiche, in die sich Kinder auch ohne unmittelbare Aufsicht zurückziehen können, um Freunde zu treffen, ein Buch zu lesen oder sich aktiv körperlich zu betätigen. Kindern stehen Angebote zum selbstständigen Wissenserwerb zur Verfügung, wie z. B. eine Bibliothek, ein Computerraum oder ein Schulgarten. Auch solche Räume und Angebote werden unter aktiver Mitgestaltung der Kinder gestaltet. Den Kindern ist Zeit und Raum zu geben. Das Ganztagsangebot berücksichtigt die Leitidee eines freundlichen Lern- und Lebensraumes, der die vielfältigen Bedürfnisse des „ganzen“ Menschen befriedigt.

 

Datum: 12.07.2009
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