Eine Schule mit Jahrgangshäusern

Eine Schule mit Jahrgangshäusern

An der Oberschule an der Helsinkistraße in Bremen lernen Kinder unterschiedlichster Herkunft und Kindern mit und ohne Handicap zusammen. Dafür setzt die Schule auf differenzierte Teamarbeit. Jahrgangsstufen haben ihre eigenen Flure, eigene Rückzugs- und Beratungsräume. Veränderungen können schneller greifen, weil Entscheidungen nur für einen Jahrgang zu treffen sind.

Die Jahrgangsteams der Klassenstufen 5 und 6 sitzen gerade beieinander und überlegen, ob ein Ganztagsschulangebot für besonders begabte Schülerinnen und Schüler eingerichtet wird. In diesem könnten diese sich noch intensiver der Sprache, den Kernfächern und vor allem den Naturwissenschaften widmen. Neben Schach, Maskenbildnern, Töpfern oder Fußball würde es ein fachorientiertes Angebot geben.

Neu an dieser Idee ist: Fachbezogenes Lernen wird zu einer Alternative zu sportlichen, kreativen und lebensweltlichen Angeboten. Die Lehrkräfte sind jedoch unsicher, ob sich ihre Kinder darauf einlassen werden. Als inklusive Schule sehen sie aber gleichzeitig, dass einige ihrer Kinder zusätzliche Lernmöglichkeiten und auch besondere Herausforderungen benötigen, um ihr Leistungspotenzial auszuschöpfen.

Inklusion braucht pädagogische Teamarbeit

Bremen hat die Inklusion priorisiert. Die Oberschule an der Helsinkistraße arbeitet seit langem inkludiert. Das Jahrgangsteam trifft sich auch heute in einem eigenen Raum. Die Schule hat sich bei der Belegung ihres Schulgebäudes Gedanken gemacht. In einer Ebene teilen sich Kinder eines Jahrgangs benachbarte Räume. Die betreuenden Lehrkräfte sind mittendrin und treffen sich im Zentrum der Ebene, um sich auszutauschen, aber auch um abzuschalten. Mit dieser Strategie entstehen kurze Wege, längere nur dann, wenn die Jahrgangsebenen verlassen werden. Mit langen Fluren sind die „Jahrgangshäuser“ verbunden. Der Einsatzplan ist jedoch so organisiert, dass einzelne Pädagoginnen und Pädagogen so viel wie möglich in einer Klasse unterrichten. Kinder fühlen sich wohler, wenn die Bezugspersonen so selten wie möglich wechseln, aber auch die Lehrerinnen und Lehrer sind froh, wenn sie sich auf wenige Kinder konzentrieren können.
Die Zusammenarbeit von Regelschul-Lehrkräften mit Sonderpädagoginnen und -pädagogen gestaltet sich in der Weise, dass für alle Lerninhalte mittels ausgewählter Materialien unterschiedliche Niveaustufen angeboten werden. Auch Klassenarbeiten werden differenziert ausgeteilt. Besonders geeignet sind individuell verabredete Arbeitspläne (Wochenpläne). Jedes Kind kann auf der Grundlage überschaubarer und individuell zusammengestellter Aufgabensammlungen Fertigkeiten und Fähigkeiten entwickeln.

„Einzelstunde als Gewohnheit!“

Noch ist sich das Kollegium nicht einig, ob es sich für den verpflichtenden Blockunterricht entscheiden soll. Im Rahmen der Arbeit im Netzwerk Ganztagsschule wird eine Einteilung in A- und B-Wochen überlegt. In der A-Woche fällt ein Einstunden-Fach weg, das dafür in der B-Woche in einer Doppelstunde unterrichtet wird. Jedoch tun sich dagegen Widerstände auf, weil damit die Art und Weise des herkömmlichen Lernens und Unterrichtens tiefgreifend verändert werden müsste. Dazu fehlt es einigen an Mut, aber auch an Motivation. Nach einem Besuch an der Regionalen Schule Garz auf Rügen diskutieren die hospitierenden Lehrkräfte über die Organisation von individueller Lernzeit an der eigenen Schule. Silke Reinders, die Ganztagsschulkoordinatorin, fasst die Entwicklung zusammen: „Wir machen einen Schritt nach dem anderen. Der Blockunterricht wäre die Voraussetzung, um auch über eine Blockverkürzung individuelle Lernzeit zu gewinnen.“

Vom „Mehr“ der Ganztagsschule

„Ich bin schon bei Werder Bremen angemeldet“, sagt Jan während er über den Flur läuft und nach seiner Jacke greift. Für ihn ist der Schultag zu Ende. Er ist erschöpft vom Fußballtraining und will jetzt nach Hause. Er hat es geschafft und wird demnächst in der Jugendnachwuchsmannschaft des renommierten Vereins mittrainieren. Er weiß, dass die Sportförderung seiner Schule dabei geholfen hat. Fußball hat an dieser Schule eine besondere Tradition. Entscheiden sich Kinder für eines der Profile, dann werden sie zu Höchstleistungen motiviert. Im Bereich „Sport und Fitness“ steht Fußball im Zentrum. Selbst die Mädchen ziehen den Jungen nach. Die qualifizierten sich für das Bundesfinale „Jugend trainiert für Olympia“ und fuhren nach Berlin. Tanz, Akrobatik, Leichtathletik, Hockey oder Basketball – in allen Disziplinen sind die Oberschülerinnen und Oberschüler erfolgreich. Neben dem Sportprofil können sich die Schüler für Angebote der Bereiche „Information und Kommunikation“, „Forschen und Experimentieren“ und „Kreativität und Lebenswelt“ entscheiden. Die Angebote werden von eigenen Lehrerkräften und in Kooperation mit außerschulischen Partnern angeboten, unter anderem auch mit der Universität Bremen.

Das Lernbüro am Oberstufenzentrum „Die Börde“ (Schulzentrum der Sekundarstufe II mit gymnasialen und beruflichen Bildungsgängen) ist ein Trainingsraum für Buchhaltung und Handelswesen und hat mittlerweile eine lange Tradition. Als Brücke in die Berufsausbildung, die nicht nur den Schülerinnen und Schülern an der Helsinkistraße gefällt. Das Oberstufenzentrum ist ebenfalls am Nachwuchs aus der benachbarten Schule interessiert.

Ein zauberhafter Schulhof

„Wo sind wir?“, fragten sich die Schülerinnen und Schüler, als die Konzepte für die Schulhofgestaltung in bunter Keramik auf dem Schulhof zusammengebaut waren und sie erstmalig den Schulhof besuchten. Exotische Kleintiere, Zauberwald- und Dschungelbilder, angelehnt an Vorstellungen des Künstlers Henri Rousseau, leuchten selbst im Nebel und laden zum Verweilen und Staunen ein. Nach Entwürfen von Schülerinnen und Schüler haben Insassen der Bremer Justizvollzugsanstalt deren Phantasien in Keramik geformt und glasiert. Mit dem Programm „Mauern öffnen“ hat die JVA das Potenzial von Häftlingen für die Gestaltung von Bremer Schulhöfen genutzt. An der Helsinkistraße ist man stolz auf die außergewöhnlichen Kunstwerke. Breit angelegte Sitzecken und lange Bänke in bunter Keramik laden zum Ausruhen ein. Auf diese Weise ist auch ein offenes Klassenzimmer entstanden, das wie ein Amphitheater gestaltet ist und vor allem im Sommer als Ausgleich zum „Drinnen“-Lernen gelten wird. Noch ist alles ganz neu und wird noch bestaunt. Seit Oktober 2011 freut sich die Schule über ihre eigene Kunstlandschaft. Möglicherweise wird der Schulhof, wenn es dann so richtig warm ist, wegen Überfüllung geschlossen oder die Pausenzeiten neu verteilt werden müssen.