Die Projektarbeit ist Teil des offenen Unterrichts, in dem die pädagogischen Ideale Maria Montessoris verwirklicht werden sollen. Zu diesem Konzept gehört ganz wesentlich die Aufforderung an Lehrende, auf den Selbstbildungstrieb der Kinder und Jugendlichen zu vertrauen. „Das fällt vielen Lehrerinnen und Lehrern zunächst schwer“, meint die Schulleiterin Brigitte Fontein, „denn die Lehrerinnen und Lehrer können in den offenen Unterrichtsstunden nicht immer alle Fäden in der Hand halten, müssen loslassen und treten eher als Beraterinnen und Berater des Lernprozesses ihrer Schülerinnen und Schüler in Erscheinung.“ Doch das lohnt sich: „Offener Unterricht ermöglicht, die Fähigkeiten jeden einzelnen Kindes zu fördern und auf seine jeweiligen Schwächen und Stärken ganz gezielt eingehen zu können“, sagt Brigitte Fontein, deren Schule bereits seit rund 25 Jahren im Sinne Montessoris arbeitet und seit 2009 eine Ganztagsschule ist.
Offener Unterricht auf der Basis eines Pools an Materialien
An dem Gymnasium, zu dem etwa 1100 Schülerinnen und Schüler und 85 Lehrerinnen und Lehrer gehören, arbeiten die Jugendlichen während des offenen Unterrichts mit Arbeitsmaterial, das sie frei aus einem Pool wählen können. Es hat thematische Schwerpunkte aus allen Fächern im Angebot.
Die Kinder der Jahrgangsstufen fünf bis sieben finden diese Aufgaben während der so genannten Freiarbeit in den Regalen ihrer Klassenräume. Dreimal in der Woche beschäftigen sie sich je neunzig Minuten unter der Aufsicht der Klassenlehrerin oder des –lehrers mit dem Forschungsmaterial ihrer Wahl. Allein, zu zweit oder innerhalb einer Gruppe.
Die achten Klassen wechseln während der Projektarbeitszeit, die vier Mal 45 Minuten pro Woche umfasst, in Fachräume. Dort betreut sie dann eine Fachlehrkraft. „Wer beispielsweise Physik üben möchte, geht in den Physikraum und findet dort entsprechende Materialien“, erzählt die Schulleiterin.
Für vier Quartale ein Thema
„Wenn eine Schülerin oder ein Schüler etwa in Mathematik nicht ganz so gut mitkommt, dann raten wir ihr oder ihm, ein Matheprojekt zu wählen und so an den Schwächen zu arbeiten. Oder das Kind setzt sich mit drei, vier anderen zusammen und wird während der Freiarbeitszeit gezielt von einer Mathelehrkraft gefördert“, erklärt Adelheid Klaus. Sie ist für die Koordination des Förderprogramms am Elsa-Brandström-Gymnasium verantwortlich, das aus vielen Details für die einzelnen Jahrgänge besteht und Lösungsvorschläge auf die unterschiedlichsten Förderbedürfnisse enthält.
Ab Klasse neun suchen sich die Kinder für vier Quartale je ein Thema. Ein ganzer Schrank voller gelber, roter und grüner Mappen steht für diese Module bereit: Welche Inhaltsstoffe stecken in Cola? Wer war der Mercator und wann lebte er? Das sind nur zwei Beispiele der möglichen Aufgaben. „Die Jugendlichen lernen selbständig zu arbeiten, zu recherchieren und sich ihre Zeit einzuteilen. Es ist eine Vorbereitung auf die Oberstufe“, berichtet Brigitte Fontein. In den letzten Schuljahren vor dem Abitur konzentriert sich der offene Unterricht auf Projektkurse zu einem Spezialthema.
Lernrückstände aufzuarbeiten
Das ist am Elsa-Brandström-Gymnasium nur ein Ziel individueller Förderung. Auch die leistungsstarken Mädchen und Jungen sollen ihre Potentiale erleben können.
„Ein Kind der sechsten Klasse zum Beispiel, das bilingual aufgewachsen und in Englisch ständig unterfordert ist, kann während seiner Freiarbeitsstunden in die siebte oder achte Klassenstufe gehen, wo es dann mit anspruchsvolleren Materialien arbeitet“, berichtet Adelheid Klaus und fügt hinzu: „Begabtenförderung ist ja auch eine Form individueller Förderung.“
Dazu arbeitet das Gymnasium eng mit der Universität Duisburg zusammen. Die Glasvitrine im ersten Stock zeigt die Ergebnisse, die aus den Treffen je einer Studentin oder eines Studenten mit den hochbegabten Schülerinnen und Schülern entstanden sind: Ein kunstgeschichtlicher Ausflug in die Welt der Schuhe und ein gebasteltes Gehwerkzeug, daneben ein eigens entwickeltes Gesellschaftsspiel. Und vieles mehr.
Die Schülerinnen und Schüler mit einer Hochbegabung gehen alle zusammen in eine Klasse. „Dort finden sie leichter Anschluss an andere, die ähnlich gestrickt sind wie sie selbst“, erklärt die Schulleiterin.
„Individuell zu beraten gehört ganz entscheidend zu unserer Arbeit“, erklärt Adelheid Klaus ihre Aufgabe als Lehrerin. „Wir müssen die Kinder laufen und sich mit ihren selbst gewählten Themen auseinander setzen lassen. Es gilt, ein kompetenter Ansprechpartner zu sein. Auch wenn die Probleme ähnlich sind – irgendwo hat doch jeder wieder sein eigenes Problem.“
Individuelle Förderung, trotz großer Klassen
Dass individuelle Förderung am Elsa-Brandström-Gymnasium gelingt und dass trotz einer relativ hohen Klassenstärke und den verschärften Anforderungen der verkürzten Gymnasialzeit (G8) die einzelnen Bedürfnisse aller Schüler erkannt werden können – die Weichen dafür sind auch durch kooperierende Unterrichtsformen gestellt. Stationen- oder Gruppenlernen gehören hier längst zum Schulalltag.
Was Lehrkräfte dabei ganz sicher brauchen, ist Geduld. Adelheid Klaus ist darin geübt: „Manchmal klappt eine Unterrichtsstunde fünfmal hintereinander nicht so, wie man es vorhatte, und man glaubt nicht mehr ans System. Und dann präsentieren einem die Schüler wieder hervorragende Ergebnisse. Es sind eben Einzelleistungen. Die kommen nicht auf einen Schlag. Die kommen nach und nach.“
23.02.2012
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