Syndrome globalen Wandels als ein neues interdisziplinäres Konzept
Syndrome globalen Wandels als ein neues interdisziplinäres Konzept
Projektdaten
Klassenstufen:
11
Anzahl der Schüler/innen:
2 Klassen
Anzahl der Lehrer/innen:
18
Fachbereiche:
9
Wochenstunden:
4 Wochen
Das Projekt
Im Rahmen der bundesweiten BLK-Programme 21 – Bildung für eine nachhaltige Entwicklung, nun Transfer-21, arbeitet die Lise-Meitner Schule in Berlin im Bereich Interdisziplinäres Wissen mit dem Schwerpunkt „Syndrome globalen Wandels“ mit. Die Syndrome des globalen Wandels sind, laut Projektinitiator Horst Zeitler, ein interdisziplinäres Konzept, das den Anspruch hat, so unterschiedliche Phänomene wie beispielsweise Bodendegradation, Klimawandel, Technologietransfer, Migration oder auch ein steigendes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung aufeinander zu beziehen und zu strukturieren. Dabei ist es Ziel, typische Muster des globalen Wandels zu erkennen, neue Ereignisse einzuordnen und unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten besser beurteilen zu können. Dieses, zunächst als Forschungsinstrument vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung „Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) entwickelte Arbeitsinstrument, kann Schüler/innen helfen, die komplexen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge des globalen Wandels zu verstehen, es vermittelt Grundkenntnisse systemischer Arbeitsweisen, und es schafft als interdisziplinärer Ansatz sinnstiftende Zusammenhänge zwischen den Methoden und Inhalten einzelner Fächer. Die praktische Umsetzung dieses Konzepts in den Unterricht haben mehrere Schulen im BLK-Programm 21 mit unterschiedlichen Projekten vorgenommen (weiteres Material siehe unten). Gerade für die oft sehr komplexen Themen der Nachhaltigkeit bietet dieser Ansatz eine Möglichkeit der Realisierung dieser Themen im Unterricht. Hier soll nun beispielhaft für den Syndromansatz das gelungene Projekt der Lise-Meitner-Schule Berlin vorgestellt werden, das mittlerweile im Schulprogramm verankert ist und seit fünf Jahren in unterschiedlichen Abwandlungen durchgeführt wird. Die Schule organisiert regelmäßig in der 11. Klasse des Gymnasiums ein „Lausitz-Projekt“ – ein fächerübergreifendes Projekt mit naturwissenschaftlichem und politisch-wirtschaftlichem Schwerpunkt, das die Auswirkungen des Braunkohletagebaus unter Einbeziehung des Nachhaltigkeitsaspekts thematisiert. Zentral für die Nachhaltigkeit sind die Komplexität und der Vernetzungscharakter: Wasser- und Bodenschädigung, Veränderung der Sozialstruktur, Wirtschaftsprobleme, Minderheitenkonflikte etc. Methodisch basiert das Projekt auf dem Selbstorganisierten Lernen (SOL) und der Verwendung des Syndromansatzes. Dabei werden durch den Einsatz des Syndromansatzes insbesondere das vernetzte Denken gefördert und die Methodenkompetenz der Schüler/innen und Lehrkräfte gestärkt. Die Unterrichtsorganisation im Rahmen des SOL fördert vor allem Selbsttätigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Schüler/innen (zu den Methoden siehe in der ausführlichen Projektbeschreibung unter dem Punkt „Weitere Infos/Projektdokumente“ unten). Inhaltlich handelt es sich bei diesem Projekt um eine Mischung aus einer zwei- bis dreiwöchigen fachlichen Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten und Problemen aus der Lausitz mittels des oben erwähnten SOL, einer Zusammenführung dieser unterschiedlichen fachspezifischen Ergebnisse durch den Syndromansatz und einer anschließenden Projektfahrt in die Lausitz, berichtet Horst Zeitler.
Der Auslöser
Über die Teilnahme am BLK-Programm 21 – Bildung für eine nachhaltige Entwicklung kam man innerhalb der Gruppe der Berliner Schulen, die den Syndromansatz bearbeiten, überein, gemeinsam eine Unterrichtseinheit zum Thema „Braunkohletagebau in der Lausitz“ als Beispiel für das „Katanga-Syndrom“ zu konzipieren. Mit dem Auftrag, fächerübergreifendes Lernen als Element nachhaltiger Bildung mittels des Syndromansatzes im Unterrichtsalltag auf Dauer zu verankern, sollten, laut Horst Zeitler, mehrere Ziele erreicht werden: • Das fächerübergreifende Lernen verstetigen • Das vernetzte Denken fördern (Syndromansatz) • Die Selbsttätigkeit erhöhen, Eigenverantwortlichkeit der Schüler/innen stärken (SOL) • Projektphasen in den Regelunterricht bei eventuell anderen Stundenplanformen einbinden • Die Methodenkompetenz der Lehrer/innen und Schüler/innen stärken • Das Rollenverständnis der Lehrer/innen verändern • Die Qualität des Unterrichts erhöhen • Die Thematik in das Schulprogramm einbinden und damit • das Profil der Schule stärken. Hinzu kam, dass nach Ansicht der Schule die Erweiterung des traditionellen Umweltbildungsbegriffs von der rein ökologischen Sichtweise zum Nachhaltigkeitsbegriff, der auch ökonomische und soziale Gesichtspunkte mit einbezieht, fächerübergreifendes Lernen erfordert. Damit war klar, dass neue Lehr- und Lernmethoden gesucht werden mussten. So fand man unter anderem das Syndromkonzept und SOL.
Der Weg
Das Projekt startete im Jahr 2001. Hier waren zwei Klassen mit 18 Kolleg/innen und neun Fächern beteiligt. Man setzte den gesamten Stundenplan in den letzten vier Wochen des Schuljahres außer Kraft und stellte diese Zeit allein dem Projekt zur Verfügung. Diese Organisationsform erwies sich jedoch als nicht zufrieden stellend für die Beteiligten, sodass man sich im nächsten Jahr neu organisierte. Lediglich die naturwissenschaftlichen Fächer Biologie, Physik und Chemie sowie Wirtschaft und Politik und Deutsch wurden nun in das Projekt mit einbezogen. Aber auch hier bedurfte es bei einer Beteiligung von drei Klassen und 13 Lehrkräften in einem vierwöchigen Projekt einer frühzeitigen und umfangreichen Planung. Die Erstellung eines Projektplans erwies sich als hilfreich. Nach den ersten Vorarbeiten im Oktober 2001 fand im Februar 2002 eine Fortbildung in SOL satt, auf der die Unterrichtsinhalte vorbereitet und die Strukturen gelegt wurden. Bis zum Mai 2002 waren alle Unterrichtsmaterialien vorbereitet, die noch bis zum Juni 2002 verbessert wurden. Inhaltlich wurde auf die Vorarbeit im ersten Durchlauf zurückgegriffen. Organisatorisch gab es dennoch einiges zu tun: Der Stundenplan für drei Klassen musste so überarbeitet werden, dass über drei Wochen ein gemeinsamer Unterricht möglich wurde, ohne dass der Unterricht der nicht beteiligten Fächer gestört wurde. Zudem musste z.B. gewährleistet werden, dass für die selbstverantwortliche Arbeit der Schüler/innen in Experten- und Stammgruppen nach dem SOL-Prinzip genügend Fachlehrer/innen für Rückfragen und Überprüfung der Arbeitsergebnisse bei den Präsentationen zur Verfügung standen. Weitere organisatorische Hürden in Bezug auf ausreichende Betreuung in den einzelnen Fächern mussten genommen werden. Zusätzliche Vorbereitungen bedurfte es in Bezug auf die Methoden des Projekts. Auch die Schüler/innen mussten bestimmte SOL-Techniken kennen lernen, um damit arbeiten zu können. Der Syndromansatz selbst wurde direkt im Projekt eingeführt. In den letzten Wochen des Schuljahres 2001/2002 wurde das Projekt durchgeführt. In den einzelnen Fächern wurden die unterschiedlichen Themenkomplexe der Auswirkungen des Braunkohletageabbaus wie z.B. Wasser- und Bodenschädigung, Veränderung der Sozialstruktur, Wirtschaftsprobleme, Minderheitenkonflikte etc. über mehre Wochen im Unterricht behandelt. Den Abschluss bildete die Fahrt in die Lausitz. Hier wurde vor Ort inhaltlich gearbeitet. Danach fand eine Auswertungsphase statt. Das Projekt wurde in den folgenden Schuljahren in unterschiedlichen Abwandlungen regelmäßig weiter durchgeführt.
Probleme und Lösungen
Folgende drei Problembereiche kristallisierten sich in Bezug auf die Erwartungshaltung des Kollegiums heraus: zeitlich, inhaltlich und beurteilungsbezogen. Es stellte sich für die Beteiligten die Fragen: Inwiefern kann man es zeitlich und inhaltlich verantworten, ein solch langes Projekt durchzuführen? Rechtfertigt der hohe organisatorische und zeitliche Aufwand das Ergebnis? So variierte man im Laufe der Zeit immer wieder die Organisationsstruktur des Projekts, so bezog man z.B. nicht mehr alle 11. Klassen in das Projekt ein, da der organisatorische Aufwand die vorhandenen Kapazitäten sprengte. Man reduzierte auch die Anzahl der einbezogenen Fächer, üblicherweise sind aber nach wie vor alle naturwissenschaftlichen Fächer und Politik bzw. Wirtschaft mit eingebunden. Eine weitere Frage belastete das Projekt: „Sind altbewährte Unterrichtsmethoden nicht effizienter in der Wissensvermittlung?“ Manche der Beteiligten stimmten der letzen Aussage zu. Doch der Hauptverantwortliche des Projekts sieht das differenzierter: Da es heute nicht mehr nur allein um Wissensvermittlung geht, sondern auch um instrumentelle und methodische Fähigkeiten sowie Teamarbeit, ist die Arbeit in solchen Projekten unabdingbar. Die Arbeit erfordert auch eine veränderte Lehrerrolle, hier müssen die Pädagog/innen noch dazulernen, lautet seine Meinung. Im Sinne wissenschaftspropädeutischen Arbeitens wird der Einsatz des Syndromansatzes positiv bewertet, da es nach Meinung der Beteiligten für Schüler/innen eine nicht zu gering einzuschätzende Erfahrung ist, dass nachhaltige Entwicklungen sehr komplexe Prozesse darstellen und einfache Lösungen nicht zur Verfügung stehen. Die Erkenntnis, dass Entscheidungsfindungen auch immer parteiische Auswirkungen nach sich ziehen und deshalb begründetes Urteilen erfordern, lässt sich am Beispiel der Verknüpfungen in der Syndromstruktur gut erkennen. Dass sich in Beziehungen, die zunächst nur negativ erscheinen, auch Ansätze erkennen lassen, die als Gegenstrategie ausbaufähig sind, ist dem Syndromansatz gutzuschreiben, meint der Projektleiter Horst Zeitler. Betrachtet man die vor der Projektdurchführung formulierten Qualitätskriterien, dann wird das Projekt als erfolgreich eingestuft. Das begründet sich unter anderem in folgenden Ergebnissen: Alle Arbeitsgruppen haben eine differenzierte Vernetzungsstruktur auf der Grundlage des Syndromansatzes erstellt, dabei aber eigenständige Lösungen gefunden, die in der Essenz jedoch identisch sind mit den von den Wissenschaftlern als Kern des Katanga-Syndroms entwickelten Merkmalen. Die Präsentationen der Schüler/innen (auch die Abschlussdarstellungen) hatten vor anderen Schüler/innen Bestand und werden auch vor der Gesamtkonferenz dargeboten. Die Schule hat von außerschulischer Seite Zuspruch erfahren bei Vorstellungen des Projekts – sei es auf Lehrerfortbildungen und Seminaren (z.B. mit Syndrom-Kolleg/innen aus Schleswig-Holstein) oder der BLK-Beiratssitzung in Berlin, sei es durch die Anwesenheit eines Filmteams oder die erfolgreiche Teilnahme am Schola-21-Wettbewerb für innovative Projekte. So wird das Projekt weiterhin regelmäßig durchgeführt und ist im Profil der Schule verankert.
Blitzlicht
Hier sollen einige Schülerstimmen zu Wort kommen: „Dass das Fachwissen über die Lausitz und deren Probleme aus allgemeinem Wissen bezogen werden konnte und man die Probleme überall auf der Welt wieder findet. Man macht sich Gedanken, wie man selbst einen Teil dazu beitragen kann, die Natur und Umwelt positiv zu beeinflussen.“ „Überraschend gutes Lehrer-Schüler-Verhältnis.“ „Lehrt die Schüler selbstständiges Erarbeiten von Lernstoff.“
Schule
Schulname
Lise-Meitner-Schule Berlin
Schulart
OSZ (Oberstufenzentrum) Chemie, Physik und Biologie
Schulangebote
Unterricht am Vor- und Nachmittag
Schulanschrift
Rudower Str. 184 12351 Berlin Tel. 030-66 06 89 – 0
E-Mail
Horst ZeitlerE-Mail: hozeitler@compuserve.de
Anzahl der Schüler/innen
ca. 1400
Anzahl der Lehrer/innen
125
Sonstiges pädogogisches Personal
-
Ansatz der Schule
rein naturwissenschaftlich orientiertes OSZ, Leitbild des gesellschaftlich verantwortlichen Naturwissenschaftlers
Zeitstruktur
Regelunterricht: 8-18 Uhr
Netzwerke der Schule
Beteiligung im Netzwerk „Mikrosystemtechnik Ausbildung in Nordostdeutschland – MANO“ (in dem Netzwerk sollen die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich der Mikrosystemtechnik gebündelt und vorangetrieben werden)
Programme der Schule
Fifty-Fifty-Programm; Durchführung diverser europäischer Projekte durch die Förderung von EU-Programmen (Petra II, Leonardo da Vinci, Sokrates)
Modellversuche der Schule
BLK-Programm 21 (1999-2004); BLK-Programm Transfer-21 (seit 1.8.2004)
Wettbewerbe der Schule
Unterricht innovativ (Wettbewerb von der Stiftung Industrieforschung, dem Deutschen Philologenverband (DPhV) und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)); Jugend forscht
Sozialraum der Schule
–
Zusammensetzung
–
Besonderheiten
Oberstufenzentrum für naturwissenschaftlich orientierte Schüler/innen aus allen Bezirken Berlins und Brandenburg: Die Schule vereint unter einem Dach eine Berufsschule, eine Berufsfachschule für Technische Assistenten, eine Fachoberschule und ein berufliches Gymnasium, in dem die Abiturienten in einem 4. Jahr zu chemisch-technischen oder biologischen Assistenten ausgebildet werden können; gut ausgestatte Fachräume und Laboratorien (z.B. Gen- und Neurobiologielabor); SOL
Referenzen
Ein Modellprojekt aus dem BLK-Versuch Transfer-21