Schulmanagement in der Ganztagesschule

 

Anregungen von Jürgen Rausch und Wilhelm Schwendemann auf der Fachtagung der Regionalen Serviceagentur Sachsen „Schule und Soziale Arbeit im Fokus Ganztägigen Lernens“ am 11. Juli 2007

Die alte Theorie von Schule kann die komplexe Wirklichkeit des heutigen Schulsystems nicht einmal mehr rudimentär abbilden. Im Auftrag des UN-Menschenrechtsrat hat der UNSonderbotschafter Vernor Munoz, im Januar 2006 Deutschland besucht. Sein Bericht ist im März 2007 erschienen: Folgende grundsätzliche Forderungen erscheinen in seinem Abschlussbericht – öffnen 

I. Bildung für den ganzen Tag

  1. Die Unterstützung des einzelnen Kindes und seiner spezifischen Lernfähigkeit in den Mittelpunkt rücken, was mit einem Wandel von einem selektiven Bildungssystem zu einem System bedingt, in dem das Individuum unterstützt wird.
  2. Die Schulen autonom machen in der Nutzung ihrer Finanzen, der Einstellung von Lehrkräften und der Umsetzung zentraler Zielsetzungen.
  3. Bildungsinhalte und Methoden verbessern, insbesondere in Hinblick auf systematische Sprachausbildung der Migranten, Stärkung der Lesekompetenz und Einsatz der neuen Medien.
  4. Eine demokratische Schulkultur schaffen mit mehr Autonomie für die Kinder und der Möglichkeit, ihre Kompetenzen einzubringen.
  5. Mehr Möglichkeiten bieten zum Ausschöpfen des Potenzials der Kinder, z.B. durch verstärkte Kindergartenangebote, Ganztagesschulen und Verzicht auf ein gegliedertes Schulsystem.
  6. Die Ausbildung für Lehrer nicht nur für das Fachgebiet, sondern auf pädagogischer Ebene stärken.
  7. Mehr Finanzmittel für die frühkindliche Unterstützung bereitstellen und Ressourcen dafür besser verteilen.
  8. Zudem gelte: Das Bildungssystem sollte den Bedürfnissen und Rechten der Schüler/innen stärker entgegenkommen, „da Kinder sich unterschiedlich entwickeln und aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten kommen, und insbesondere, da jedes Bildungssystem von der Vielfalt als Grundvoraussetzung ausgehen sollte.“
  9. Um diese Entwicklung zu stärken, sollten sowohl die Eltern als auch die Lernenden selbst -auf Grundlage rechtlicher Regelungen – an den Entscheidungen beteiligt werden.
  10. Außerdem wird darauf aufmerksam gemacht, dass Bildung nicht einseitig mit Schulbesuch gleichgesetzt werden kann, sondern dass auch Heimunterricht unter gewissen Umständen eine Option sein kann.

Erfahrungsraum für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen

Das Bildungssystem in Deutschland ist grundsätzlich als eine soziale Wirklichkeit zu betrachten, die beschreibbare Bezüge zur Gesellschaft, innere Gliederungen als Erfahrungskontexte des Aufwachsens der nachwachsenden Generationen und empirisch untersuchbare Wirkungen hat. In der ersten Theorie von Gesellschaft galt als wichtig, dass kulturelle Traditionen als kulturelle Inhalte in die sozialen Erfahrungsfelder von Schule übermittelt wurden, die in der Regel Anschlussprobleme an die informellen Kulturen unter der jeweiligen SchülerInnenschaft hatten. Die Strukturen von Schule waren einerseits durch Prüfungssysteme und durch bestimmte Schullaufbahnstrukturen gekennzeichnet und hatte die Aufgabe, den Erwerb von Wissen und Fertigkeiten und die Persönlichkeitsentwicklung Lernender sicherzustellen. Das bedeutete bislang, dass die Gesellschaft ihr Bildungssystem nötig hatte, um zu enkulturieren, zu qualifizieren, soziale Integration herzustellen und um gesellschaftlicher Allokation willen. Als Gesamtbild von Organisationsformen, Lehr- und Bildungsplänen, Prüfungsregelungen, Ausbildung der LehrerInnen entsteht ein Erfahrungsraum für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen, in dem inhaltliche Lernangebote im Vordergrund stehen; zudem erfahren Kinder und Jugendliche in der Schule die jeweils gelten Formen von Autorität und Herrschaft; wichtig sind die Beziehungen zu Mitschülern und Mitschülerinnen und zu den Peers. Schulen sind im bislang geltenden gesellschaftlichen Modell von Bildung „institutionelle Regelsysteme der Bewertung und Verteilung von Schülerinnen und Schülern nach Kriterien der Leistung. Dadurch entsteht ein „latentes Curriculum“, in dem Personen nach individuell erbrachter Leistung beurteilt werden.“

Schule wäre als System zu betrachten

 

Andere Zielmarken für Schule sind z.B. wie Schule gestaltet werden kann und wie die Gestaltungsprozesse anschlussfähig gemacht werden können. Unter dieser Perspektive rücken die Akteure von Schule, deren Handlungsformen, Verstehensleistungen und nicht zuvorderst die Inhalte in den Vordergrund; das Bildungssystem wird in dieser neuen Perspektive zum Zusammenspiel institutioneller und individueller Akteure, die in den Lernangeboten von Schule zusammenwirken müssen, was aber bedeutet, dass die schulischen Lernangeboten von Schülerinnen und Schülern auch sinnvoll genutzt werden können.

Zu unterscheiden wären in diesem Fall drei systemische Ebenen von Schule:

  • Makrosteuerung des Bildungssystems (Gesellschaft),
  • Mesoebene (Qualitätssicherung von Schule und Unterricht),
  • Mikroebene (die Unterstützung von Lern- und Entwicklungsprozessen).

Die Orientierungsleistungen wären Folgende:

  1. Akteurorientierung
  2. Verstehensorientierung
  3. Handlungsorientierung
  4. Geschichtsorientierung
  5. Gestaltungsorientierung

Schule wäre als System zu betrachten, das eine bestimmte Lösungsform von – wie es bei Klafki heißt – Schlüsselproblemen einer Gesellschaft bietet. Schlüsselprobleme sind hierbei als Konzentrationskerne einer zeitgemäßen Bildungskonzeption zu betrachten.In der Schule sind so verschiedene Sinnsysteme aufeinander bezogen. Das System Schule ist jedoch im Unterschied zu anderen gesellschaftlichen Systemen ein sinnorientiertes System, in dem soziale Systeme mit psychischen Systemen (Einstellungen von Lehrenden und Lernenden) mittels Kommunikation miteinander verbunden sind.

Schule ist dann ein institutioneller Akteur

LehrerInnen müssen für SchülerInnen Lernumwelten schaffen, „die es ihnen ermöglichen, im Rahmen ihres operativ geschlossenen Bewusstseinssystems neue Bewusstseininhalte aufzunehmen und zu neuen Bewusstseinsstrukturen zu verarbeiten.“ Aber jedes System muss auch eine Form der Selbstbeschreibung haben, in der Wissen über sich selbst messbar wird, wobei die SchülerInnen aufgrund eigener Übersetzungsleistung Produzent eigener Bildung und Entwicklung ist. Zu verabschieden haben wir uns also von einem mechanisch-kausalen Modell von Schule und hinzubewegen zu einem Modell von Schule, das sich selbstreferentiell im Austausch mit anderen sozialen Systemen versteht. Schule ist dann ein institutioneller Akteur, der im Auftrag anderer, externer Akteure handelt und über Lehren und Lernen gewünschte Dispositionen in der nachwachsenden Gesellschaft erzeugt. Schule leistet „über die Kulturvermittlung gleichzeitig „Humangestaltung“, „Seelenarbeit“ und „Menschenbildung“ im Sinn der Förderung von Wissen, Kompetenzen, psychischen Ressourcen und Werten.“

Gestaltungsaufgaben und Verantwortungsebenen sind in der Schule einer demokratischen Gesellschaft aufeinander bezogen und in ein komplexes System normativ geleiteten Zusammenspiels integriert.Im 11.Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung heißt es zutreffend: „Kindheit und Jugend sind zunehmend zu eigenständigen institutionalisierten Lebensphasen geworden, die trotz – oder gerade aufgrund von – Globalisierung, weltweiter Kommunikation, Migration und Mobilität auch heute noch durch starke soziale Ungleichheit, durch die Heterogenität der Lebensumstände und eine Vielfalt der Weltbilder und Lebensstile geprägt sind.“12 Dass hier eine andere Form von Schule vonnöten ist, liegt u.E. auf der Hand. Erst recht natürlich nicht die in Deutschland mehr oder weniger beliebte Form der so genannten Halbtagesschule, die nicht mehr den neuen Anforderungen an Lernen, Bilden, Erziehen gerecht werden kann, wie wir sie oben skizziert haben.

Ganztagesbildung prozessual verstehen …

 

Eine Erweiterung des pädagogischen Konzepts einer Ganztagesschule sehen wir im Bereich der so genannten Ganztagesbildung bzw. im System von value education development. Der Begriff Ganztagesschule scheint dann irreführend, wenn die Schule mehrheitlich über Unterricht und rudimentär über Erziehungsbemühungen definiert wird. Ganztagesbildung würde demgegenüber bedeuten, dass nicht nur Unterricht mit Bildung gemeint sein kann, sondern dass sich Bildungsangebote über den ganzen Schultag verteilen. Ganztagesbildung bedeutet auf keinen Fall, dass es am Vormittag Unterricht und am Nachmittag „Betreuung“ gibt. Solche Konzepte werden derzeit in Baden-Württemberg mit der Einführung des so genannten Hauptschulassistenten verbreitet.

Bezahlte LehrerInnen schultern den Unterricht und schlecht bezahlte JunglehrerInnen, die keine Anstellung bekommen haben oder ErzieherInnen oder SozialarbeiterInnen (in dieser Reihenfolge!) betreuen dann Schüler und Schülerinnen hauptsächlich in der Mittags- und Nachmittagszeit oder zwischen Unterrichtsblöcken. Das aber setzt eine andere Form der Ganztagesschule voraus, nämlich nicht die in den Nachmittag verlängerte Halbtagesschule, sondern eine Schule mit einem Bildungskonzept, das sich tatsächlich auf den ganzen Tag bezieht und letztlich eine Rhythmisierung von Bildungsangeboten und Unterricht voraussetzt. Eine Parallelisierung gleichartiger Blöcke auf Jahrgangsebene (Freizeitphasen, Förderangebote, Fachunterricht, Epochen- und Projektunterricht) eröffnet Möglichkeiten für klassenübergreifendes Arbeiten. Unterricht kann so über den ganzen Tag verteilt werden – Projektangebote können zwischen Unterrichtsphasen gelegt werden; Entspannungspausen und Spiel- und Sportangebote im Laufe des Vormittags erfolgen – in Kooperation mit außerschulischen Partnern im Bereich der Kunst-, Musik-, Sportbildung erfolgen; auch kirchliche Angebote im Bereich der bisherigen außerschulischen Jugendbildung könnten sinnvoll in Projektangeboten umgesetzt werden. Unterrichtsergänzende Angebote können in den Vormittag eingebettet sein (von Musikschulen, Vereinen, Künstlern, ehrenamtlich tätigen SeniorInnen usw). Deutlich wird, dass Ganztagesbildung vor allem prozessual zu verstehen ist und keineswegs als determiniert vorausgesetzt werden darf, denn Schüler und Schülerinnen sind Subjekte der je eigenen Bildungs- und Lernprozesse.

Die verschiedenen Bildungsangebote der Ganztagesschule haben die Funktion, Neugier bei den Lernenden zu wecken; entsprechend dienen sie der Aufrechterhaltung der Motivation sowohl bei Lernenden und auch bei den Lehrenden selbst. In einer systemischen Sicht von Schule sehen wir die Ganztagesbildung als komplexes Netz von Erziehung-Unterricht-Entwicklungsprozessen-Selbstreflexion und Selbststeuerung des Lernenden. In der Ganztagesschule, die Ganztagesbildung zum Programm erhoben hat, arbeiten verschiedene pädagogische Professionen auf Augenhöhe zusammen, die jedoch nicht alle das Gleiche tun, aber
das Gleiche wollen: Unterstützung der autopoietischen Prozesse des Lernenden.Bildung ist über den Tag verteilt unterschiedlich in Angebotsdichte, Qualität und Quantität, d.h. pädagogisches Personal ist auch unterschiedlich über den ganzen Tag einer Schule verteilt, was professionelle Betreuung über den ganzen Tag verlangt.

Professionelles Arbeiten den ganzen Tag

Die Folgerung: Schule muss mit dem Konzept der Ganztagesbildung anders organisiert werden, sodass tatsächlich selbstbestimmtes Lernen und Erwerb von Bildung möglich werden. Auch müssen traditionelle Unterrichtsformen erweitert werden, sodass außerschulische Bildungsangebote in den Schulalltag hineinwandern können oder dass sich pädagogische Teams von Pädagogen/ Pädagoginnen unterschiedlicher Couleur bilden können, was bei den Lehrenden eine gewisse Pluralismus- und Interdisziplinaritätskompetenz voraussetzt. Aber nicht nur in Bezug auf Lern-, Unterrichts- und Bildungsprozesse muss sich Schule mit Ganztagesbildungsangeboten anders organisieren, sondern auch von ihrer Struktur her muss ganztägiges Lernen, Lehren, Arbeiten in der Schule für Lernende und Lehrende möglich sein. Schulmanagement hat die Aufgabe, genau diese Prozesse aufzubauen und zu steuern und Bedingungen zu schaffen, die Professionalität und professionelles Arbeiten über den ganzen Tag zulassen.

II. Konsequenzen für das Schulmanagement einer Ganztagesschule

 

„Die Ganztagsschule kann nach Überzeugung des Wissenschaftlichen Beirates für Familienfragen die an sie gestellten Erwartungen schließlich nur dann erfüllen, wenn sie räumlich und materiell angemessen ausgestattet und professionelles und gut ausgebildetes Personal ganztägig anwesend ist.“Anschließend an die Ausführungen zur Ganztagsschule möchte ich für das Schulmanagement einer Ganztagesschule ein Aspekt herausgreifen, der mir ebenso wesentlich erscheint wie die Debatten und die inhaltliche Ausgestaltung der Bildungsangebote über den ganzen Tag, jedoch m. E. keine oder nur eine geringe Aufmerksamkeit bekommt.

Die Schulleiterinnen und Schulleiter sind nicht nur sensibilisiert, sondern regelrecht belastet mit dem Begriff des Schulmanagements und den damit begründeten Forderungen und Fragen an die Schulleiterinnen und Schulleiter. Dabei bemächtigen sich nicht nur Kenner dem Sprachrohr der öffentlichen Bildungsdebatte und zeichnen ein diffuses Bild des Schulmanagements. Dass Schulmanager nicht immer das tun, was andere von ihnen gerne erwarten würden, liegt auch daran, dass ein breites Einvernehmen darüber, was Schulmanagement bezeichnet, nicht besteht.

Am Beispiel einiger Fragen soll das verdeutlicht werden:

  • Ist Schulmanagement für den Unterricht da?
  • Was sind die Aufgaben von Schulmanagement?
  • Wer ist ein Schulmanager, eine Schulmanagerin?
  • Heißt Schulmanagement per se auch Schulentwicklung?
  • Ist Schulmanagement das Ergebnis von Qualitätsentwicklung in der Schule?
  • Kann einer oder eine alleine Schulmanagement leisten?

Betriebszweck einer Ganztagesschule

Auf die Ganztagesschule bezogen bedeutet das, die Schule ist so zu organisieren, dass Bildungsangebote durch qualifizierte Lehrpersonen und Erzieherinnen und Erzieher über den ganzen Tag angeboten werden können. „Schulmanagement ist kein Selbstzweck. Seine einzige Funktion besteht darin, den „Betriebszweck“, die Unterrichts- und Schulentwicklung, in bestmöglicher Weise bei ökonomischem Mitteleinsatz zu gewährleisten.“

Der Betriebszweck einer Ganztagesschule liegt in der Bereitstellung von Bildungsangeboten über den ganzen Tag hinweg. Das ist unbestritten. Was unter einem ökonomischen Mitteleinsatz zu verstehen ist, der in bestmöglicher Weise durch das Schulmanagement zu erfolgen hat. Unterrichts- und Schulentwicklung basieren auf dem Handeln professionell ausgebildeter und Pädagoginnen und Pädagogen in der Schule. Das gilt erst recht für die Ganztagesschule, in der nicht nur Unterricht über den ganzen Tag verteilt stattfinden darf. Ein Strecken unterrichtlicher Angebote über den Vormittag hinaus, würde dem Bildungsanspruch allein nicht genügen. Deshalb fordert auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in ihrem Positionspapier für die Ganztagesschule Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher „die sich in einer fächerübergreifenden Ausbildung hinreichende Kenntnisse über kindliche Entwicklung und Lernprozesse, über das soziale Miteinander von Kindern und Jugendlichen sowie über elterliche Beziehungs- und Erziehungskompetenzen im Kontext außer- und innerfamilialer Anforderungen und Ressourcen aneignen konnten.

Hier kann die Schule von der Wirtschaft lernen

 

Das Schulmanagement ist gefordert, diese Voraussetzung unter ökonomischen Gesichtspunkten sicherzustellen. Kann das der Schule gelingen? Auf der einen Seite beklagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes Josef Kraus, dass der Lehrernachwuchs ausbleibt und auf der anderen Seite disqualifiziert Enja Riegel die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer dadurch, dass sie ihnen mehrheitlich unterstellt, sie würden nur des Beamtenstatus wegen diesen Beruf erlernen wollen. Hier kann die Schule einmal mehr von der Wirtschaft lernen. Work-Life-Balance als nichtmonetäres Anreizsystem zur Gewinnung hochqualifizierter Mitarbeiter ist hier längst ein Begriff.

„Work-Life-Balance bedeutet eine neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch veränderndenArbeits- und Lebenswelt.“ Der Vorwurf, dass W-L-B ausschließlich an Unternehmen der Wirtschaft gerichtet sind, ist m.E. nicht haltbar. Zumal die Schule als Unternehmen sich auf einem wettbewerborientierten Markt befindet, der durch die demographische Entwicklung zukünftig an Brisanz gewinnen wird. Zum anderen sind die notwendigen finanziellen Mittel, die den Schulen für ihre Aufgaben zur Verfügung stehen beschränkt und wirken sich direkt auf das Erfolgsergebnis aus. Insofern scheint es mir angebracht für die Schule, die Anstellungsbehörde oder den Schulträger auch darüber nachzudenken, wie die die zunehmende Belastung für das pädagogische Personal verträglicher gestaltet werden kann und wie die Schule als Arbeitgeber für die gesuchten Spezialisten an Attraktivität gewinnen kann.

Bisher sind die Forderungen zur Gestaltung von Ganztagsschule ausschließlich kundenorientiert formuliert. Bestmögliche Bildung für den ganzen Tag und Unterstützung der Eltern in Erziehungsaufgaben,damit die sich auf ihre Erwerbstätigkeit konzentrieren können. Für die, die dieGanztagesschule organisieren und sicherstellen, werden die Ansprüche an eine familienorientierte Arbeits- und Lebenswirklichkeit nicht geltend gemacht. Und wenngleich der betriebswirtschaftliche Nutzen für die Unternehmen und für die Gesellschaft außer Zweifel steht, wird er für das Unternehmen Schule nicht thematisiert.

Arbeitszeit – flexible Gestaltung von Lebensarbeitszeit
Die Arbeitszeitgestaltung wirkt direkt auf die Lebensverhältnisse von Arbeitnehmern. Eine flexible Gestaltung von Arbeitszeit unter den Aspekten einer ganztägigen pädagogischen Präsenz in der Ganztagesschule ist unumgänglich. Arbeitszeit ist Lebenszeit und bestimmt über einen Zeitraum von über 40 Jahren die Lebenssituation eines Arbeitnehmers und seines familiären Umfelds.

Weiterbildung – berufsspezifische und außerberufliche Qualifizierungen
Die berufliche Qualifizierung der Mitarbeiter ist unumgänglich zur Erreichung einer hohen Qualität. Berufliche Qualifizierungsmaßnahmen beugen Frustration und innerer Kündigung vor. Außerberufliche Weiterbildungen aktivieren und erweitern vorhandenes Mitarbeiterpotential.

Gesundheit – Gesunde Lebensführung und Stressprävention
Maßnahmen einer gesundheitsorientierten Arbeitswelt beugen hohen Absenzen durch Krankheitvor und erhalten die physische und psychische Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter über eine längere Zeit hinweg.

Familie – Vereinbarkeit von Arbeitswelt und Familie
Familienorientierte Arbeitsbedingungen sprechen Arbeitnehmer mit Familien an und erlauben Mitarbeitern eine verantwortungsvolle Familienplanung. Für die Ganztagesschule gilt, dass sie im Besonderen die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie auch für die eigenen MitarbeiterInnen ermöglichen muss, um tatsächlich den Forderungen nachzukommen, die an eine Ganztagesschule gestellt werden, Bildungsangebote über den ganzen Tag durch professionell ausgebildetes und ebenso professionell arbeitendes Personal sicherzustellen.

 

Wilhelm SCHWENDEMANN ist Professor für Evangelische Theologie und Religionsdidaktik/Religionspädagogik mit Schwerpunkt empirischer Religionspädagogik

Jürgen RAUSCH, Doktorand und Lehrbeauftragter an der evangelischen Fachhochschule Freiburg und der Universität Hildesheim

 

Datum: 2.11.2007
© www.ganztaegig-lernen.de