An der Bürgermeister-Prandl-Mittelschule in Prenzberg lernen die Jahrgangsstufen 5, 6 und 9 seit fünf Jahren in Ganztagsklassen. Dafür hat die Schule umgebaut und Platz für eine neue Mensa und zusätzliche Kurse geschaffen. Und sie hat ihre Türen geöffnet – für außerschulische Partner, die Kunst-, Sport und Berufsvorbereitungskurse anbieten.
„Das Essen schmeckt zu Hause nicht besser“, meint Nora und holt sich einen Nachschlag. Es gibt gebackenen Camembert mit Preiselbeeren und Salzkartoffeln, dazu Salat und einen Joghurt. Ihre Lehrerin pflichtet ihr bei. Frau R. gibt das Essen aus. Während sie sich am Vormittag und teilweise auch nachmittags um die bürokratischen Belange der Schule kümmert, streift sie um die Mittagszeit die Schürze über und teilt das Mittagessen an die Ganztagsschüler aus.
Ganztagsschule als pädagogisches Neuland
Die Klassenleiterin der 6g genießt es, Ganztagsschullehrerin zu sein. „Ich wollte mal was ganz Neues ausprobieren. Es ging mir um mehr Zeit und Raum, um Kinder bei ihrer Entwicklung zu begleiten.“ Nachdem sie selber gegessen hat, gestaltet sie zusammen mit einem Studenten der Katholischen Stiftungsfachhochschule die 60-minütige Mittagspause – Zeit für Entspannung, Spiel und Sport.
Die gesellschaftlichen Veränderungen, vor allem der Wandel der Familienstrukturen, die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen, aber auch die veränderten Kompetenzanforderungen haben zu neuen Ansprüchen an die Penzberger Schule geführt. Mit traditionellen Vorgehensweisen sind die Herausforderungen nicht mehr zu bewältigen. Jetzt geht es darum, neue Wege zu gehen. 2,3 Millionen Euro wurden investiert, um neue Räume zu schaffen. Lichtdurchflutete Zimmer sind vorhanden, die Mensa ist neu gebaut. Jetzt hat die Schule auch Platz für Theaterspiel und kreative Kurse.
In den Ganztagsklassen, so die Klassleiterin der 5g, haben die Schülerinnen und Schüler die Chance, stoffliche Lücken zu schließen und sich eine strukturierte und selbständige Arbeitsweise anzueignen. Dafür arbeitet zum Beispiel ein Tandemlehrer zusätzlich 12 Stunden in der Woche mit der Klasse. Den Pflichtunterricht, der an zwei Tagen bis in den Nachmittag hineinreicht, ergänzen Arbeitsgemeinschaften in den Bereichen Kunst, Kultur, Sport und Angebote zur Berufsfindung, angeleitet von außerschulischen Partnern oder Lehrkräften.
Schule im Leben
Kooperationspartner für das Angebot der gebundenen Ganztagsklasse in der Mittelschule ist der Bezirksverband der Arbeiterwohlfahrt Oberbayern. Mit im Boot ist deshalb eine Sozialpädagogin. Sie kümmert sich um die Ganztagsangebote, sucht und pflegt den Kontakt zu externen Partnern. Sie sieht Schule als Lebensraum, in dem die Schülerinnen und Schüler einen strukturierten Tagesablauf erhalten. Hier kann mithilfe außerschulischer Partner die Berufsorientierung verstärkt werden – für viele Jugendliche eine wertvolle Unterstützung für ihren beruflichen Werdegang. Durch das ganztägige Lernen werden sie an die Anforderungen einer Berufsausbildung gewöhnt, können sich besser konzentrieren. Weil die Schülerinnen und Schüler den Acht-Stunden-Tag bereits kennen, haben sie später weniger Probleme in der Lehre. Natürlich darf bei den zusätzlichen Angeboten der Ganztagsschule Spiel und Spaß nicht zu kurz kommen.
Ganztagsschule ist „uncool“
Und dennoch scheint das ganztägige Lernen noch nicht den Durchbruch erfahren zu haben. Während die Klassen 5 und 6 voll belegt sind, haben sich für die Bildung einer Ganztagsklasse 7 nicht genügend Schüler gefunden. Grund dafür sei, so die Konrektorin, dass die Heranwachsenden selbständiger geworden seien und für sich alleine sorgen möchten. Es scheine „uncool“ zu sein, sich ab Klasse 7 noch am Nachmittag in der Schule aufzuhalten. Die Eltern ließen sich von ihrem flügge gewordenen Nachwuchs überzeugen und nehmen die Kinder aus der Ganztagsklasse. Eine Problematik, die es nicht selten an Schulen gibt, an denen Halbtagsschule und Ganztagsschule unter einem Dach angesiedelt sind.
Immer wieder berichten Eltern, dass ihr Kind durch den Besuch der Ganztagsklasse den schulischen Anforderungen besser gewachsen sei. So hofft das Kollegium der Bürgermeister-Prandl-Mittelschule, dass das Interesse am ganztägigen Lernen so steigt, dass es Ganztagszüge von der 5. bis zur 9. Klasse geben wird.
25.01.2012
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