Das Greifen-Gymnasium ist ein Ganztagsschule, die durch die Fusion von drei Schulen entstand. Jetzt bleiben die Schülerzahlen konstant und langsam kehrt wieder Ruhe in die Schule ein. Für die Ganztagsangebote ist das Gymnasium 17 Kooperationen eingegangen und auch die eigenen Lehrkräfte rufen neue Projekte ins Leben
„Individuelle Förderung heißt an unserem Gymnasium, die Kinder ab der 7. Klasse da abzuholen, wo sie stehen. Sie kommen aus vier Regionalen Schulen, also Haupt- und Realschulen. Damit ist klar, dass wir mit den unterschiedlichsten Eingangsvoraussetzungen pädagogisch umgehen müssen“, beschreibt Schulleiter Markus Dittmann eine Ausgangslage, die beispielhaft ist für viele Gymnasien der Bundesrepublik.
Für die Lehrkräfte gilt, dass Schülerinnen und Schüler ihre Potentiale erkennen und dann bestmöglich entfalten. Schulleiter Dittmann ist für alles offen. Er weiß, dass er seine Kollegen nicht drängen darf, sondern vielmehr motivieren muss. Es ist eine Frage von Geduld. Markus Dittmann hat vor einigen Jahren das benachbarte Gymnasium in Torgelow geleitet, wo er selbst zur Schule gegangen ist. Nach der Wende hat er sich als promovierter Diplompädagoge auf die Schulleiterstelle beworben, hatte Erfolg, aber vor allem einen „guten Draht“ zu seinen ehemaligen Lehrerinnen und Lehrern, von denen einige noch immer im Dienst sind.
Schulfusionen haben Nebenwirkungen
Aufgrund sinkender Schülerzahlen, wurde die Schule mit dem Gymnasium in Eggesin und dem in Ueckermünde zusammengelegt. In Dittmanns Büro liegt eine Fotodokumentation zur Geschichte des längst aufgelösten Torgelower Gymnasiums. Die Schule war nach dem berühmten Astronomen Nikolaus Kopernikus benannt, mit ihrer Schließung wurde auch die schuleigene Sternwarte aufgegeben. „Schulfusion sind vor allem in ländlichen Gebieten tiefgreifende und schwerwiegende Einschnitte. Nicht nur für die jeweilige Stadt, sondern ganz besonders für die Pädagogen. Manche waren weit über dreißig Jahre mit den Traditionen der jeweiligen Schule verbunden.“ Das aufzufangen und auszugleichen war und bleibt für den Schulleiter eine Herausforderung.
Im letzten Jahr kam „Ruhe ins Boot“, die konstanten Schülerzahlen stoppten die Turbulenzen im pädagogischen Team. Dennoch gibt Renate Gielow, weit über 50, als Mathematiklehrerin in der benachbarten Volkshochschule Nachhilfe. Ihre Stundenzahl ist gemäß einem Personalkonzept des Landes noch immer begrenzt und sie verdient sich ein Zubrot. An der Schule hat sie ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem ihre Schülerinnen und Schüler in die Stadt gehen und Mathematik von der Straße in die Schule holen. Unter dem Motto „Lernen an der Lebenswelt“, entwickeln die Schüler Sachaufgaben mit Kirchturmspitzen oder Umsätzen umliegender Geschäfte. „Wer Aufgaben entwickelt, der hat das darin enthaltende Sachproblem verstanden“, so Renate Gielow, die jährlich erlebt, mit welcher Begeisterung ihre Kinder daran arbeiten. Sie erlebt aber auch, wie begeistert andere Klassen diese Aufgaben lösen.
Stundentafel flexibel halten
Dittmann hält die Stundentafel für solche Lerngelegenheiten flexibel. Die ersten vier Stunden verlaufen im Block. Je zwei Fachstunden liegen zusammen. Dann folgen zwei Einzelstunden. In diesen platzieren sich die „schmalen“ Fächer wie Geschichte und Geographie. „Sicher haben wir über eine ganzheitliche Blockung nachgedacht, aber dennoch wieder verworfen. Es macht keinen Sinn, seine Kinder immer nur alle 14 Tage zu sehen“, so der Schulleiter. Das spreche vor allem gegen die Prinzipien individueller Förderung.
Wenn nachmittags kein Unterricht ist, können die Schülerinnen und Schüler Angebote wählen, wenn sie möchten. Wer musizieren will, muss nur durch eine Tür gehen, die Musikschule ist im selben Haus. Auf diese Nachbarschaft ist Dittmann stolz. „Es entfallen zeitraubende Wege“, so die Leiterin der Musikschule Christiane Krüger. Ein „Instrumentenkarussell“ ermöglicht Kindern die richtige Entscheidung. „Nicht jedes Instrument passt für jeden Schüler.“ Knapp 100 Schülerinnen und Schüler der Schule lernen ein Instrument.
Das Problem mit den Vereinen
Dittmann kann nicht alle Angebotswünsche erfüllen. „Wir leben auf dem platten Land. Da werden nicht überall so viele Kinder groß, dass mit kurzen Wegen alle Talente der Region aufgesammelt werden.“ Eine Fußballmannschaft fasst deshalb Kinder aus unterschiedlichsten Schularten zusammen. Generell werden im Umland des Greifen-Gymnasiums Vereine von berufstätigen Menschen gegründet und betreut. So sind Trainingszeiten nach 18 Uhr normal und die Vereine haben obendrein ein Interesse, nicht nur Gymnasiasten aufzunehmen. Die Integration in das Ganztagsangebot war aus diesen Gründen nur in den seltensten Fällen möglich.
Dennoch ist die Schule auf ihre 17 Kooperationsverträge stolz. Aber auch die eigenen Lehrkräfte initiieren Angebote. Die Reduzierung der Stunden, erzwungen vom Lehrerpersonalkonzept des Landes, hat dieser Schule zum Vorteil gereicht. Nachhilfe findet aus eigener Hand und im Rahmen des offenen Ganztagsangebots Platz. Für die Schüler ist das eine anschlussfähige Förderung.
Schokolade und die Reise zum Ich
Das Greifen-Gymnasium hat viel Platz und Licht. Ein Atrium ist Treffpunkt in jeder Pause. Die Schülerinnen und Schüler sitzen an großen runden Tischen und es ist hell und gemütlich. Eine Aula ist unterm Dach, eine Galerie und daneben ein Sofazimmer, in dem die Sozialarbeiterin „zu Hause“ ist. Mit ihr kam das Projekt „Führerschein ins Leben“ in die Schule. Kinder der 7. Klasse durchlaufen eine „Reise zum Ich“, entfalten ihr Bewusstsein für eigene Stärken.
Wie flexibel Schulleiter Dittmann mit Engagement und Projekten umgeht, die die Schulorganisation auch richtig durchschütteln, illustriert das Projekt „Schokolade“, in dem Schülerinnen und Schüler aus der 11. und 12. Klasse mittels Planspiel die Schule zum Europaparlament werden ließen. Gegenstand der hitzigen Diskussionen waren die neuen Richtlinien zur Herstellung von Schokolade. Das Thema wurde in der Weihnachtszeit zum Aufhänger für Debatten, für Treffen mit Politikern und anderen Gästen, die im Europaparlament mitreden. Für Dittmann waren das Schlüsselerlebnisse. Einige Schülerinnen und Schüler denken jetzt sogar daran, eine politische Laufbahn einzuschlagen.
Datum: 06.02.2012