Diese Werkstatt wurde von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung als „Spiegelvorhaben“ in das Programm „Ideen für mehr! Ganztägig lernen.“ eingebracht. Diese Bezeichnung sollte zweierlei zum Ausdruck bringen: zum einen, dass die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ihrerseits einen wesentlichen Aspekt der Schulentwicklung – nämlich die Perspektive der Kinder – ihrerseits zusätzlich in das Programm einbrachte, und zum anderen, dass ebendiese Perspektive nicht neben den anderen Gesichtspunkten des Programms steht, sondern sie alle berührt und als prinzipielle Philosophie sich gleichsam wie ein roter Faden durch alle Module zieht. Zentrale Botschaft der Werkstatt war also „nicht zu fragen, wie das Kind sein muss, damit es der Schule gerecht wird, sondern zu fragen, wie die Schule sein muss damit sie die dem Kind gerecht wird“.
Den Organisatoren war durchaus bewusst, dass ganztägige Schulen eines grundlegend veränderten Aufgabenverständnisses bedürfen. Unvorstellbar, dass Kinder und Heranwachsende den ganzen Tag in der Schule mit Unterricht verbringen! „Zeit für mehr“ – das Motto ist programmatisch und meint eindeutig nicht ein Mehr desselben, sondern den qualitativen Sprung. Von Beginn an war zweierlei klar: Ganztägige Schulen mussten im Hinblick auf Lernangebote neben den formalen Arrangements auch Gelegenheiten zu non-formalem und informellem Lernen bieten; und insbesondere letzteres verweist auf einen Gesichtspunkt, der bis zur Ganztagsschuloffensive zumeist auf taube Ohren stieß: die Berücksichtigung lebensweltlicher Belange, sowohl, um die (Lern‑)Ausgangslage von Schülerinnen und Schülern besser zu verstehen und anschlussfähige Angebote unterbreiten, aber vor allem, um ihre Entwicklungsbedürfnisse zu berücksichtigen und sie im Sinne eines unbehinderten, gesunden Aufwachsens zu unterstützen und zu fördern.
Gefördert von der Jacobs Foundation wurde diese Werkstatt angesiedelt bei der „Initiative für Große Kinder“ (www.initiative-grosse-kinder.de) unter Leitung der Diplom-Psychologin Oggi Enderlein, freiberuflicher Kinder- und Jugendpsychologin und vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen zertifizierte Supervisorin.
Die Zielsetzung besteht vor allem darin, für gute und gesunde Aufwachsbedingungen in der Schule Sorge zu tragen. Deshalb muss die subjektive Perspektive der Heranwachsenden mit einbezogen und ihren Entwicklungsbedürfnissen Gehör verschafft werden, um sie im Bewusstsein der verantwortlich Handelnden zu verankern. Das gilt nicht nur für die kognitive Förderung der jungen Menschen, vielmehr verlangen ihre körperlichen, emotionalen und sozialen Belange genauso viel Aufmerksamkeit. Dies ist angesichts ganztägiger Schulen umso bedeutsamer, als außerschulische Kompensationsmöglichkeiten, wie etwa Sport oder Musik sowie das informelle Zusammentreffen mit Gleichaltrigen, zeitlichen Einschränkungen unterliegen.
Gleichzeitig ist in besonderem Maße darauf zu achten, dass das zur Verfügung stehende Mehr an Zeit nicht das vorwiegend sitzende Lernen der Halbtagsschule in den Nachmittag hinein ausdehnt, sondern eine entwicklungspsychologisch fundierte und damit gesundheitlich zuträgliche Vielfältigkeit und Abwechslung von Betätigungen angeboten wird. Unter dieser Voraussetzung bietet die ganztägige Schule allerdings die Chance – auch in Kooperation mit Partnern aus dem lokalen Umfeld – etwaige benachteiligende häusliche Bedingungen auszugleichen und mehr Chancengerechtigkeit herzustellen.
Ein weiteres zentrales Anliegen und Arbeitsinhalt der Werkstatt war in diesem Zusammenhang auch, wissenschaftliche Erkenntnisse (speziell aus Gesundheits-, Kindheitsforschung, Entwicklungs-, Persönlichkeits-, Lernpsychologie, Neurobiologie) zusammenzustellen und argumentativ einzubringen. In einem Programm, das die Veränderung und Entwicklung von Schule im Fokus hat, ist eine mahnende Stimme als Advokat der Kinder unverzichtbar. Diese Einsicht führte dazu, mit der „Initiative für Große Kinder“ nach Beendigung der Werkstattarbeit eine verbindliche Partnerschaft zu etablieren und sie bei Richtungsentscheiden und zu qualifizierenden Veranstaltungen zurate zu ziehen. Mittlerweile wurde in konsequenter Weiterentwicklung dieses Grundgedankens in der DKJS eine feste Psychologenstelle geschaffen.
Die Philosophie der Werkstatt „Schule wird Lebenswelt“ ist in den von Oggi Enderlein und Lothar Krappmann zusammengestellten „23 Thesen für eine gute Ganztagsschule im Interesse der Kinder“ unter den Fragestellungen „Wie muss die Schule sein, damit sie dem Kind gerecht wird?“ und „Was braucht dieses eine Kind, um sich in seiner ganzen Persönlichkeit gesund weiter entwickeln zu können?“ ausgeführt.
Die Werkstatt unterstützte die Programmarbeit mit zahllosen Vorträgen und Workshops. Sie betrieb intensive Netzwerkarbeit, die dazu führte, dass sich beispielsweise Senioren, ehrenamtlich in Schulen engagierten. Sie organisierte auch verschiedene Veranstaltungen zu unterschiedlichen Aspekten des thematischen Schwerpunkts „Große Kinder in der Ganztagsschule“.
Besonders hervorzuheben ist nachhaltige Tiefen- und Breitenwirkung der Werkstatt. So konnte durch die Kooperation mit der „Servicestelle Jugendbeteiligung“ und dem „SV Bildungswerk“ dafür Sorge getragen werden, dass die Interessen der jungen Menschen in unterschiedlichen Lebensaltern herausgearbeitet wurden und Gehör fanden. Die Beratung der Serviceagenturen trug erheblich dazu bei, die Sicht der Kinder in den Mittelpunkt zu rücken; gleichzeitig konnten in Fortbildungen unter dieser Perspektive Personen aus verschiedenen Verantwortungsbereichen, wie beispielsweise Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiter, gemeinsame Haltungen entwickelten und Trennendes und Missverständnisse überwinden.