Und sie vermögen wesentliche Unterstützung zu leisten bei der am Ende der Schullaufbahn so notwendigen beruflichen Orientierung der Schüler. Interessant ist dabei nicht nur die Perspektive der Schule. Hier ein konkretes Beispiel für Kooperation in der Praxis in Niedersachsen – beschrieben aus der Sicht des Unternehmens.
In einem Ortsteil der Gemeinde Bad Essen (östlich von Osnabrück) ist die Firma Kesseböhmer ansässig. Das 1954 gegründete familiengeführte Unternehmen hat heute ca. 1750 Mitarbeiter. Es stellt Systeme für Küchen-, Bad- und Büromöbel und für Caravanausstattungen her. Als ausbildender Betrieb braucht das Unternehmen qualifizierten Nachwuchs und hat deswegen die Zusammenarbeit mit Schulen aufgenommen.
Die Werkstatt „Schule ist Partner!“ hat sich im Unternehmen und besonders bei Ausbildungsleiter Bert Martinpott nach dieser Zusammenarbeit erkundigt.
Die Firma Kesseböhmer hat ca. 140 Auszubildende in unterschiedlichen Berufsfeldern von Maschinenbau bis Lagerlogistik. Die Firma liegt „auf der grünen Wiese“ und muss daher aktiv werden, um mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen und sie auf das Ausbildungsangebot aufmerksam zu machen. Auf der anderen Seite stehen Lehrkräfte, die ihre Schülerinnen und Schüler in Ausbildung bringen möchten.
Fachtage sind gängige Praxis
Der erste Schritt, beides zusammen zu bringen, sind die so genannten Bewerberfachtage, an denen verschiedene Unternehmen sich in der Schule präsentieren und Berufsfelder vorstellen. Wichtig an diesen Tagen ist für die Schülerinnen und Schüler immer wieder die Frage, was im Bewerbungsverfahren auf sie zukommt: Worauf legen die Firmen wert, wie werden Bewerbungsunterlagen gestaltet, worauf müssen sie sich im Bewerbungsgespräch vorbereiten? Diese Fachtage sind inzwischen gängige Praxis. Die Unternehmen kommen dabei auch mit den Lehrkräften ins Gespräch und beide werden sich immer wieder einig, dass das allein zur Berufsfindung nicht ausreichend ist.
Mit der Haupt- und Realschule in Bad Essen ist daraufhin eine Kooperation entstanden, die Schulunterricht in den Betrieb verlagert: Für die oberen Klassenstufen gibt es an der Schule einen Wahlpflichtkurs Technik mit einem Umfang von 30 Unterrichtsstunden pro Schulhalbjahr. Der Kurs wird so organisiert, dass er über sechs Wochen hinweg mit jeweils zwei Terminen Blockunterricht im Betrieb durchgeführt wird. Im ersten Halbjahr stellen die Schüler ein kleines Werkstück her, typischerweise einen Briefbeschwerer, um sich mit den Materialien und Fertigungstechniken vertraut zu machen. Im zweiten Halbjahr ist es dann ein größerer Gegenstand, der für die Ausstattung der Schule gebraucht werden kann, z.B. ein Garderobenständer fürs Lehrerzimmer oder ein Ballwagen für die Turnhalle.
Ähnlich ist die Zusammenarbeit mit der Haupt- und Realschule in Bohmte, allerdings ist die Technik-AG an dieser Schule freiwillig. Die Schüler von dort kommen eine Woche lang jeden Nachmittag in den Betrieb und werden in Theorie und handwerklicher Arbeit unterrichtet. Sie stellen ebenfalls ein Werkstück her. Ein Beispiel ist das schwenkbare Gestell für den Automotor, den ein Vater der Schule für den Technikunterricht gespendet hatte.
Unterricht wird möglich
Möglich wird dieser Unterricht im Betrieb für die Firma, indem sie die Tage und Zeiten nutzt, an denen die regulären Auszubildenden des ersten Jahres in der Berufsschule sind. Dann sind räumliche Kapazitäten frei, die von den Schülern genutzt werden können. Zwei Ausbilder, die sonst für die Auszubildenden zuständig sind, übernehmen die Organisation und Betreuung.
Bei den Schülern sind diese Aktionen sehr beliebt: Von den Lehrkräften wird zurückgemeldet, dass oft im Losverfahren entschieden werden muss, wer einen Platz bekommt. Das Unternehmen kann dabei deutlich machen, worauf es in der Ausbildung ankommt. Neben zuverlässigem Arbeits- und gutem Sozialverhalten sind auch gute Kenntnisse und entsprechende Noten, gerade in den naturwissenschaftlichen Fächern wie Mathematik und Physik gefordert. Mancher Schüler hat sich die Erfahrung im Betrieb offenbar zu Herzen genommen und sich noch einmal ordentlich ins Zeug gelegt, um ein besseres Abschlusszeugnis zu erreichen. Einige zeigen sich aus eigener Initiative engagiert und halten Kontakt mit den Ausbildern, kümmern sich aktiv um das Bewerbungsverfahren. Das wird von der Firma auch positiv berücksichtigt.
Schüler? Sind die Männer so deutlich in der Überzahl? Das ist allerdings der Fall, bestätigt Ausbildungsleiter Bert Martinpott: „Bei den Aktionen mit den Schulen liegt der Mädchenanteil immerhin noch bei einem guten Drittel, in der Ausbildung sind aber nur noch wenige Einzelfälle zu finden.“ Bert Martinpott bedauert das und würde gerne mehr Mädchen für seine Ausbildungsberufe gewinnen, nicht zuletzt weil ihre Anwesenheit sich positiv auf das Benehmen der jungen Männer auswirkt. „Da verschwinden die Rüpeleien aus dem Umgang miteinander.“
Dem Ziel näher kommen
Indes hat er noch keinen Weg gefunden, um diesem Ziel näher zu kommen. Der „Girls Day“ ist aus seiner Erfahrung kein geeignetes Instrument. „Die Idee kommt aus dem angloamerikanischen Raum und sollte neben dem Ziel, Mädchen für Technikberufe zu interessieren, auch für junge Mädchen begreifbar machen, womit ihre Väter ihr Geld verdienen. Als wir bei der ersten Teilnahme am Girls Day die Töchter unserer Betriebsangehörigen da hatten, hat das noch recht gut funktioniert. Dann wollten wir auch Mädchen die Gelegenheit geben, die diese Verbindung nicht haben. Darunter waren zu viele, die den Tag im Unternehmen nur als willkommene Abwechslung zum Schulunterricht gesehen haben und kein Durchhaltevermögen bei praktischen Arbeiten zeigten. Unsere Facharbeiter abzustellen, um Uninteressierte zu beaufsichtigen, das lohnt sich für uns nicht.“
Erfreulich hingegen sei immer wieder das Engagement einzelner Lehrer. Die Firma hatte einen Produktionsmitarbeiter, der sich an seinen Meister mit dem Wunsch gewandt hatte, noch eine Ausbildung zum Elektroniker zu absolvieren. Der junge Mann hatte sich als zuverlässiger und liebenswerter Mitarbeiter bewährt, dem man gerne eine Chance geben wollte. Sein miserables Schulabgangszeugnis war aber ein Problem und es stand zu befürchten, dass er die Berufsschule für die anspruchsvolle Ausbildung nicht schaffen würde. An der Haupt- und Realschule in Bad Essen fand sich ein Lehrer, der sich des jungen Mannes annahm und für ihn organisierte, dass er neben seinem Schichtdienst am Mathematikunterricht in verschiedenen Klassen teilnehmen und die Klassenarbeiten mitschreiben konnte. Nach einem halben Jahr war er „berufsschulfit“ und absolvierte die Ausbildung erfolgreich.
Intensivkurs für Lehrer
Auch die Metallgrundausbildung für Lehrer stieß auf wesentlich größere Resonanz als erwartet: Die Firma Kesseböhmer hatte eine Realschule bei der Einrichtung ihres neuen Technikraumes beraten. Die Schule hatte die Befürchtung, dass der Raum anschließend brach liegen würde, weil niemand die Einrichtung bedienen konnte. Die Firma bot daraufhin einen fünftägigen Intensivkurs für Lehrer in den Schulferien an, der gut besucht wurde, obwohl die Lehrer nur für die Hälfte des Kurses freigestellt worden waren und für die andere Hälfte ihre Freizeit einbringen mussten.
Ein Projekt, das die Firma auf Initiative einer Sozialarbeiterin im Einzugsgebiet realisieren wollte, scheiterte hingegen an mangelnder Unterstützung der Gemeinde. Die Sozialarbeiterin war an die Firma mit der Idee herangetreten, eine Skateranlage für Jugendliche zu bauen. Die Jugendlichen sollten an der Planung der Anlage und am Bau der Elemente mitarbeiten. An der Haupt- und Realschule konnte Konstruktionssoftware genutzt werden, an der Ausführung hätten noch mehrere kleinere Handwerksbetriebe mitwirken können. Doch die Sozialarbeiterin wurde versetzt und so blieb das Projekt in der Planungsphase stecken.
„Entscheidend für gute Projekte ist, dass es einen Menschen gibt, der als Lokomotive die Sache anzieht und bereit ist, persönlichen Einsatz auch nach Feierabend zu bringen“, das ist die Erfahrung von Bert Martinpott. „Am Geld scheitert es in der Regel nicht. Aber dann, wenn die treibende Kraft und eine gute Organisation fehlt.“
Berufsorientierung in den Schulalltag holen
Sein Wunsch zum Thema Schule und Wirtschaft? „Dass das Thema Berufsfindung viel stärker im Schulalltag integriert wird. Normalerweise sind an einer Schule nur zwei Lehrer mit dem Thema Arbeit und Wirtschaft befasst. Dabei würden sie sich das Unterrichten selbst viel leichter machen, wenn sie mehr Bezug zur Praxis herstellen würden. Ich selbst fand Matheunterricht immer schrecklich abstrakt und habe erst bei der Ausbildung in der Berufsschule erfahren, welchen praktischen Nutzen zum Beispiel die Trigonometrie hat, dass sie die absolute Basis für alle Berechnungen im Werkzeugmaschinenbau ist.“
Die Schulen sollten die Jugendlichen mehr dabei unterstützen, ihre Neigungen für die spätere Berufswahl herauszufinden. Besonders die Gymnasien müssten hier in den Augen von Martinpott noch offener werden. Allerdings auch alles zur rechten Zeit und im richtigen Maß. Denn die vermehrte Anforderung, bereits für Schüler/innen der siebenten Klassen oder jünger Betriebspraktika zu ermöglichen, stelle gerade für kleine und mittelständische Betriebe eine Überforderung dar.
Datum: 11.11.2009
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