Die SINUS-Studie nimmt unterschiedliche Lebenswelten von Jugendlichen von 12-17 Jahren in den Blick und setzt diese in Beziehung zueinander. Wir haben den Leiter der SINUS-Akademie, Peter Martin Thomas, nach den zentralen Erkenntnissen der Studie gefragt. Herr Thomas ist Supervisor, Coach, Moderator und Organisationsberater sowie Consultancy Partner des Sinus-Institut.
Herr Thomas, Sie haben in Berlin die neue SINUS-Jugendstudie „Wie ticken Jugendliche 2012“ vorgestellt. Die Studie beschreibt anschaulich die verschiedenen Lebenswelten von Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren (u18). Sie zeigt auf, wie die Jugendlichen ihren Alltag erleben, welche Werte für sie bedeutsam sind und wie ihre Zukunftsvorstellungen aussehen. Wie sind Sie vorgegangen und gibt es Ergebnisse der Studie, die Sie persönlich besonders überrascht haben?
Peter Martin Thomas:
Die Jugendlichen haben von uns vor den Interviews ein Heft bekommen, in dem sie zu vielen Themen des Alltags ihre Gedanken aufschreiben, Bilder malen oder Collagen erstellen konnten. Bei den ca. zweistündigen qualitativen Interviews haben wir außerdem – mit Einverständnis der Jugendlichen – ihre Zimmer fotografiert und uns erzählen lassen, was ihnen in ihrem Zimmer wichtig ist. So kommen in der Studie die Jugendlichen mit ihren Zitaten, den Hausaufgabenheften und den Wohnbildern selber zu Wort.
Was die Ergebnisse betrifft: Nicht überrascht, aber bestürzt hat mich als Sozialpädagoge die Deutlichkeit, in der sich die prekäre Lebenswelt nun bei einem Teil der Jugendlichen zeigt. Hier haben wir es mit Jugendlichen zu tun, die extrem schlechte Startchancen haben, zum Beispiel durch die soziale Lage der Eltern, die Wohnlage oder ihre Bildungsbenachteiligung. Das wirkt sich dann in einem gewissen Bildungsfatalismus aus. Die Jugendlichen blicken deutlich pessimistisch in die Zukunft und fragen sich, ob es sich für sie überhaupt lohnt, zur Schule zu gehen und sich dort zu engagieren. Sie erleben die Gesellschaft als eine, in der der Wert der Menschen an ihren Leistungen gemessen wird, und sie stellen daraufhin, angesichts ihres Bildungshintergrunds, ihren eigenen Wert infrage.
Demgegenüber sehr bemerkenswert ist für mich die große Übereinstimmung, die alle Jugendlichen der Qualität von Lehrern, Lehrerinnen und der Klassengemeinschaft für die Schulqualität zuweisen. Die Jugendlichen aus verschiedenen Lebenswelten formulieren jeweils besondere Anforderungen an die Lehrerinnen und Lehrer, gemeinsam ist ihnen jedoch der Wunsch, dass auf ihr Leistungsniveau eingegangen wird. Und sie wünschen sich eine gute Beziehung zu den Lehrern und Lehrerinnen.
Eine gute Klassengemeinschaft zeichnet sich für sie vor allem durch ein harmonisches Miteinander aus. Damit verbinden sie, dass sich Schüler und Schülerinnen gegenseitig unterstützen, dass etwas gegen Mobbing getan wird, dass Konflikte gewaltfrei geklärt werden und dass das Schulklima nicht von Konkurrenz sondern von Zusammenarbeit geprägt ist.