Ganztagsschule –heute ist sie offiziell eine Schule mit erweiterter pädagogischer Mittagsbetreuung. Unter dem Dach der kooperativen Gesamtschule finden sich eine Förderschule, die Förderstufe für die fünften und sechsten Klassen und ab Klasse sieben die Schulzweige der Haupt-, der Realschule und des Gymnasiums. „Egal, welchen Schulzweig jemand besucht, wir wollen alle Jugendlichen in die Lage versetzen, sich später in einem anderen System orientieren zu können“, sagt Lothar Potthoff.
Schule bietet echte Herausforderungen
Wo liegen meine Stärken und was steckt alles in mir? Das GSE-Band, nach den Kürzeln der Schule benannt, verzahnt den Vormittags- mit dem Nachmittagsunterricht und hilft schon den Fünft- bis Siebtklässlern, ihre Möglichkeiten zu entdecken – ob nun sportliche oder handwerkliche Fähigkeiten oder schauspielerisches Talent. Alle Kinder der Klasse 5F1beispielsweise nehmen in der fünften und sechsten Stunde ein halbes Jahr lang am Wassersport teil, danach teilt sich die Klasse und besucht textiles Gestalten oder töpfert. Im letzten Drittel des Schuljahres stehen Drucktechniken oder Darstellendes Spiel auf dem Stundenplan. „Dieser Unterricht ist verpflichtend, aber ohne Noten und findet damit in entspannter Atmosphäre statt“, erzählt Lothar Potthoff und führt aus: „Dort bilden sich Kompetenzen aus, die später für den Übergang in den Beruf wichtig sind. Ein Kind, das beim Töpfern erfahren hat, dass es mit den Händen arbeiten kann, hat vielleicht später Lust, einen Tisch zu bauen. Und wer einmal auf der Bühne stand, kann im Vorstellungsgespräch oft leichter punkten.“ Einige Inhalte des GSE-Bandes können die Real- und Gymnasialschüler ab Klasse 9 im Wahlpflichtunterricht fortsetzen.
Alle Schülerinnen und Schüler der siebten Klassen absolvieren ein einwöchiges Praktikum in einer sozialen Einrichtung. „Das Sozialpraktikum ist keine Berufsorientierung im klassischen Sinne“, erklärt Lothar Potthoff, „es geht nicht darum, den Beruf des Krankenpflegers zu entdecken. Aber die Jugendlichen lernen andere Lebenssituationen kennen, etwa die von Menschen mit Behinderung oder von Demenzkranken, und stärken ihre sozialen Kompetenzen. Das ist für das Leben wichtig.“
Sprungbrett in das Berufsleben
Auch für das Berufsleben. Die Realschüler haben zwei, die Gymnasialschüler ein weiteres Praktikum während ihrer Schullaufbahn. Die Hauptschülerinnen und -schüler arbeiten im achten Schuljahr an einem Tag in der Woche in einem Betrieb. So wie Marcel: „Ich habe im letzten Jahr im Garten-Landschaftsbau gearbeitet. Dass ich um halb sieben anfangen musste und erst um vier Uhr Schluss hatte, war nicht so schlimm. Ich hatte da immer viel Spaß.“ Marcel strahlt, mit Grund: Er hat in diesem Betrieb eine Ausbildungsstelle bekommen.
„Dieser Erfolg ist keine Seltenheit“, sagt Hauptschullehrerin Jana Stilgebauer, „die Betriebe lernen die Jugendlichen kennen – und merken durch das Praktikum, dass sie jemanden gut gebrauchen können, auch wenn sie ihm sonst mit den miserablen Noten etwa in Mathe keine Chance gegeben hätten. Und da das Praktikum über ein Jahr läuft, haben auch die Schüchternen eine Chance, aus sich herauszukommen und zu zeigen, was sie können.“ Förderschullehrer Andreas Ramroth sieht noch einen weiteren Vorteil des Praxistages: „Wenn etwa ein Landwirt an einem Tag in der Woche fest mit dem Jungen oder dem Mädchen rechnet und die Arbeitskraft braucht, dann ist das für die Jugendlichen eine große Anerkennung und erleichtert den Übergang ins Arbeitsleben.“
Ausgefeiltes Beratungssystem
Mirko Meyerding koordiniert den Hauptschul- und den Gymnasialzweig und hat ein klares Ziel: „Wir möchten, dass keiner geht, ohne dass er weiß, wo und wie es weitergeht. Deshalb haben wir ein ausgefeiltes Beratungssystem entwickelt, das sich an Schüler und Eltern richtet.“
Der Abschluss, mit dem die Schülerinnen und Schüler des Förderschulzweiges die Schule nach der neunten Klasse verlassen, nennt sich „Berufsorientiert.“ Der Name ist Programm. „Wir üben das Auftreten im Beruf, etwa Augenkontakt zu suchen oder aufrecht zu stehen“, berichtet Petra Schmidbauer, Leiterin des Förderschulzweiges.
Einmal die Woche zum Beispiel besuchen die Jugendlichen die Berufsschule in Marburg. „Eine neue Schule in einer anderen Stadt, die mit dem Bus erreicht werden will – das sind für manche große Schwellen, die wir ganz leicht in zwei Schuljahren abbauen können“, sagt Andreas Ramroth, „das ist ein erster Schritt in den Beruf, den wir vorbereiten und begleiten.“ Unter anderem die stabilen Holztische vor der Eingangstür und ein Segelboot sind während dieser Praxisarbeit entstanden.
Gerade verwandelt sich eine alte Abstellkammer in einen Fitnessraum. An den Händen von Dennis und Benjamin klebt noch etwas Farbe. Die beiden haben sich den Entwurf des Graffitis selbst ausgedacht, ihn an die Wand übertragen und mit Spraydosen ausgemalt. Davor steht die Hantelbank, im Unterricht geschweißt und zusammengebaut. Mit den Muckis, die sich die Schülerinnen und Schüler hier antrainieren können, werden sie auch in Zukunft einiges stemmen können.
2.04.2012
www.ganztaegig-lernen.de