Ein Ganztagsschulangebot übernimmt Öffentlichkeitsarbeit

DKJS/D. Ibovnik
DKJS/D. Ibovnik

Kurfürst-Balduin-Hauptschule

Die Hauptschule in Trier mit ihren 207 Schülerinnen und Schülern produziert jede Woche eine Radiosendung. Dafür sind Schülerinnen aus den Klassen 6 bis 9 zu „Radiomacherinnen“ geworden und spezialisieren sich. Die Sendung ist mittlerweile nicht nur über die Anlage im eigenen Schulhaus zu hören, sondern auch im Internet. Die Radiofunker meinen selbst: „Erst jetzt wissen alle, was wirklich an unserer Schule passiert!“ Interviews, Reportagen und Nachrichten werden wöchentlich in der Schule und über das Internet abgespielt.

Die konkreten Ziele

  • Die Schülerinnen und Schüler produzieren aktiv Medien und entwickeln Medienkompetenz.
  • Bei der Gestaltung und Präsentation von Radiosendungen entwickelt und bewährt sich die Sprachkompetenz der Schulfunker.
  • Mit der regelmäßigen Produktion einer Radiosendung entwickelt sich bei den Akteuren ein Bewusstsein für Ausdauer und Kontinuität.
  • Eine Radiosendung wird mit unterschiedlichen Geräten und Software produziert. Dadurch lernen Schülerinnen und Schüler den kompetenten Umgang mit Medientechnik.
  • Das Aufspüren von interessanten Inhalten fordert und fördert Kreativität.
  • Die journalistische Arbeit fördert das Selbstvertrauen und die Fähigkeiten zur Kommunikation.
  • Mit dem Veröffentlichen der Sendung lernen die Schüler, mit Anerkennung und Kritik umzugehen.

Schüler auf Irrwegen begleiten

Eugen Lang als Schulleiter „Ich kann dem Schüler Anregungen und Tipps geben – aber wie er sich dem Lerninhalt nähert, wäre dann seine eigene Entscheidung. Neue Technologien individualisieren das Lernen. Wenn wir Technologien an unserer Schule einsetzen, dann bewegen wir uns im AG-Bereich. Das ist ein bewertungsfreier Raum und da gelten andere Spielregeln und das bietet enorme Chancen. Wir haben Gelegenheit zu erfahren, was interessiert unsere Schüler eigentlich. Das heißt, die vom Lehrer meist gesetzte Zielorientierung entfällt und es gilt, die Schüler zu unterstützen und herauszufinden, was ihre Ziele und Themen sind und diese sind dann entsprechend abzubilden. Die neue Lernkultur gibt uns die Chance, den Schülern zu folgen und die Lernprozesse nicht mehr fein ziseliert zu planen. Ich genieße es, die Schüler auf Irrwegen zu begleiten. Immer auch zu erkennen, dass diese eigentlich gar keine sind.“

„Aber es ist auch Scheitern inbegriffen. Es ist ein wichtiger Lernprozess, einfach Scheitern zu lernen und zu hören, dass wir einen Radiobeitrag bewerten und die Mitschüler äußern: Naja, das hört sich an wie aus der Kloschüssel!“

Vor Ort an der Schule

Die Schule öffnet von 7.45 Uhr bis 16.00 Uhr und ist auch Lernort für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und eingeschränkten Lernvoraussetzungen. 25 Lehrerinnen und Lehrer engagieren sich an der Schule für das Lernen und das soziale Miteinander. Der Schule ist die Vermittlung von Werten wie Gerechtigkeit, Toleranz, Integration und gesunde Lebensführung wichtig.

Zu Besuch beim Projekt „Westside-Radio“

Heute ist für die „Radiomacherinnen“ der erste Schultag. „Hallo Leute, alles klar? Euer Westside-Radio ist wieder da!“, so begrüßt Michaela ihre Hörerinnen und Hörer, wenn sie die Sendung eröffnet. Warum sich der mittlerweile schuleigene Radiosender „Westside-Radio“ nennt, hat mit der Lage der Schule zu tun: westlich von Trier, auf der anderen Seite der Mosel. Rund 200 Schülerinnen und Schüler besuchen die Hauptschule, es unterrichten 25 Lehrkräfte, bei denen das Durchschnittsalter bei 40 Jahren liegt. Schulleiter Eugen Lang sagt, der Generationenwechsel sei überstanden. Schon aus diesem Grund wird es an dieser Schule besser gelingen, Reformprozesse zu starten. Das pädagogische Credo Eugen Langs ist, den Schülerinnen und Schülern „Das Wollen wollen“ beizubringen.

Positiver Lebensentwurf

Es geht ihm dabei um einen „positiven Lebensentwurf“ der Heranwachsenden. Aus diesem entspringen Neigungen und Interessen, dann entfaltet die Persönlichkeit ihre Anlagen und Schüler werden zu Persönlichkeiten mit Zukunftschancen. Die Schule hat für sich die Zusammenarbeit mit Künstlern entdeckt. Lang sagt dazu: „Die Schüler werden gefesselt und öffnen sich, lernen dann, wenn sie den Kunstschaffenden zuschauen. Dann sind sie auf einmal bereit, Dinge zu verstehen und bereit, sich zu verändern. Sie können auf einmal.“ Sein Traum ist es, eine Schule zu leiten, in der ein „artist in residence“ Anlaufpunkt ist für Schülerinnen und Schüler. Das Atelier wäre in der Schule und der Künstler arbeitet unter dem Dach, unter dem auch die Schülerinnen und Schüler lernen.

Geschäftliches lernen

Kompetenzen erwerben die Hauptschülerinnen und Hauptschüler vor allem durch handlungsorientiertes Lernen. Neben dem Lernen in einzelnen Fächern bietet die Schule den Jugendlichen ein breites AG-Angebot und die Mitarbeit in Schülerfirmen. Demnächst öffnet der schuleigene „Second-Hand-Shop“ und bietet somit Gelegenheit, „Geschäftliches“ zu lernen. Wie an fast jeder Hauptschule bereitet das Kollegium die Heranwachsenden auf den Berufseinstieg vor. Der Berufswahlpass ist ein zentrales Element, um den Einstieg in Arbeit und Lohn zu erleichtern. Der Umgang mit Medien spielt dabei eine wesentliche Rolle und unter dem Dach der Schule findet „ITG“ statt: Informationstechnische Grundbildung. Unabhängig davon ist Lang der Meinung, dass Medienkompetenz Unterrichtsgegenstand werden sollte und dass das bisher vernachlässigt wurde.

Berufswahlpass

Neben dem Berufswahlpass wird demnächst in der Schule ein weiterer Bildungspass eingeführt: der „Kompetenznachweis Kultur“. Er wird an Jugendliche ab zwölf Jahren vergeben, die aktiv an künstlerischen und kulturpädagogischen Angeboten teilnehmen. Er ist ein Nachweis darüber, welche individuellen sozialen, methodischen und künstlerischen Kompetenzen die Kinder und Jugendlichen gezeigt und weiterentwickelt haben. Die Initiative geht dabei von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. aus und die Schule ist an den Initiativen des Remscheider Vereins beteiligt.
Lernschritte zu individualisieren, das bedeutet nach Ansicht des Radio-Projektleiters und ausgebildeten Förderschulpädagogen Jörg Schönenberger, dass an einer Hauptschule vor allem der AG-Bereich ausgebaut ist. Im Angebot steht nun das bereits etablierte „Westside-Radio“. Diese Initiative wurde mit dem Medienpreis auf sichere Füße gestellt. Neben dem „Computer-Lab“ wird ein nächster Raum zum „Studio unterm Dach“ und einmal wöchentlich gehen die Schülerinnen auf Sendung.

Schönenberger dazu: „ Sie entfalten ihre Sprechtalente und vertonen ihre eigenen Texte. Sie berichten über Höhepunkte im Schulalltag und lassen dabei auch Ereignisse aus dem Schulleben mit ihren Lehrerinnen und Lehrern nicht aus.“

In wöchentlich zwei Stunden bereiten sie ihre Sendung vor und speichern diese in einem Webblog. Über die Schulfunkanlage wird die Sendung mehrmals abgespielt und anschließend geht der Hinweis an alle Zuhörer, dass man im Internet noch nachhören und vor allem die Sendung kommentieren kann. Eine Sendung dauert bei den Radiomachern sechs Minuten. „Das passt gut in die Pause“, sagt Ilona. „Die Sendung setzt sich aus Musik und Text zusammen. Die Musik ist während der Textnachrichten noch immer leicht im Hintergrund zu hören“, ergänzt Carmen.

Credo des Projektverantwortlichen

Für den AG-Verantwortlichen Jörg Schönenfelder ist das „dabei lernen“ wichtiger als die perfekte Sendung. Diese Einstellung teilt er mit seinem Schulleiter Eugen Lang: „Die Schüler begleiten! Ich unterstütze meine Schüler, um mit den für sie interessanten Methoden und Strategien mit Inhalten umzugehen. Das gilt beim ‚Radio machen’ genauso wie im Unterricht. Das heißt täglich: Individuell fördern.“

Schönenberger geht es um den Ausbau von Sprachkompetenz. Diese entwickelt sich bei den Schülerinnen durch den Umgang mit journalistischen Methoden. „Wir haben jetzt ein sehr modernes Mischpult, was sowohl für Liveproduktionen, als auch für Studioproduktionen zu verwenden ist. Dazu passende Studioabhörmonitore und diverse Mikrofone, um sowohl die Aufnahmequalität, als auch die Anwendungsmöglichkeiten zu verbessern. Damit das ganze besser hörbar wird, haben wir unsere vorhandene PA-Anlage mit neuen Lautsprechern ergänzt und erweitert.“

Hergen Schulz (Programmchef von Radio Rüsselsheim/ Medienpädagogisches Zentrum) meldet sich bei der Hauptschule. Er hat von ihr gehört und bietet sich für einen Workshop an. Als Medienpädagoge und Radiomacher ist Schulz kompetent, um den Schülerinnen mehr über Gestaltung, redaktionelle Arbeit und Schnitt beizubringen.

Zeugnis für Medienkompetenz

Bereits zum Halbjahr haben die Redakteurinnen ihre ersten Nachweise in den Händen. Die außergewöhnlichen Leistungen werden honoriert, indem ihrem Halbjahreszeugnis ein Portfolio beigelegt wurde. Mit diesem wird den Schülerinnen Medienkompetenz nachgewiesen.

Schulprogrammarbeit

Die bisherigen und künftigen Erfahrungen aus dem Medienprojekt sollen in das bereits bestehende Schulprogramm Eingang finden. Bisher hat das einen um Medienkompetenz erweiterten Bildungsauftrag noch nicht widergespiegelt. „Es wird Zeit, auf diese neuen Erfahrungen Bezug zu nehmen“, meint Schulleiter Lang. Für das Schulprogramm soll ein neuer Leitsatz formuliert und abgestimmt werden, der sich auf die Förderung von Medienkompetenzen bezieht. Der „Kulturpass“ wird um diese Dimension erweitert und auch das Spektrum der Kompetenznachweise angepasst. Neben dem Berufswahlpass wird an der Kurfürst-Balduin-Hauptschule nicht nur ein „Kulturpass“ entwickelt, jetzt soll es auch noch den „Medienpass“ geben.

Mit dieser Idee hatte sich die Kurfürst-Balduin-Schule um den Medienpreis 2008 der Nikolaus Koch Stiftung beworben und das mit Erfolg. Der Wettbewerb hat nicht nach „Hochglanz“-Projekten gesucht, sondern nach „Ideen“. Die Schulen werden bei der Umsetzung ihrer Idee begleitet und entwickeln mit anderen „im Gehen“ ihre Konzepte fort. Der ausgezeichneten Schule wurde mit dem „Medienpreis 2008“ eine Fahrkarte übergeben, mit der sie in einem Förderprogramm mitreist. Dieses Förderprogramm ist ein Schulentwicklungsprogramm, was durch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung konzipiert und umgesetzt wird und unterstützt die Hauptschule dabei, sich zu einer Medienschule zu entwickeln.

 

Kurfürst-Balduin-Hauptschule
Trierweilerweg 12 a
54294 Trier
Tel.: 0651-820394
Ansprechpartner: Jörg Schönenberger
Email: hs.balduin@web.de
www.kurfuerst-balduin-hs.bildung-rp.de

Datum: 10.05.2009
Autor: Dr. Martin Haufe
© www.ganztaegig-lernen.de