Workshop 11
Inklusive Schule! Wie sich das Schulleben verändert.
Referentinnen und Referenten:
Workshop beim 10. Ganztagsschulkongress
Samstag, 07.12.2013, 10:00–12:00 Uhr, Raum A 03
Herr Gerald Tuschner – Schulcampus Rostock-Evershagen – Schulleiter, Frau Stefanie Polzer-Pupel – Gorch-Fock-Schule Bremerhaven – Schulleiterin
Was macht eine inklusive Ganztagsschule aus?
Wie kann das Schulteam den Entwicklungsprozess hin zur inklusiven Ganztagsschule anstoßen und begleiten?
Wie gelingt die praktische Umsetzung im Schulalltag?
Stefanie Polzer-Pupel, Gorch-Fock-Schule, Bremerhaven.
Die Rektorin berichtete von ihrer Schule, die besonderen Wert darauf legt, dass ihre „Mannschaft“ kulturell, ethnisch und sozial vielfältig ist.
Gerald Tuschner, Schulcampus, Rostock-Evershagen. Der Schulleiter und sein Team widmen sich gemeinsam dem Thema Inklusion und schaffen die pädagogischen Voraussetzungen dafür, eine „Schule für alle“ zu werden.
Moderation: Dirk Kollhoff, Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Mecklenburg-Vorpommern, und Juliane Fleddermann, Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Hamburg
Zentrale Themen und Ergebnisse
Warm-Up
- Wie sieht Inklusion in den einzelnen Bundesländern aus?
- Sollte man Förderschulen beibehalten? (Schülerfrage)
- Wie kann Inklusion bewältigt werden? Welche Ausstattung, Therapien, räumliche Möglichkeiten brauchen wir dafür?
Schulcampus Rostock
Gerald Tuschner, Schulleiter Schulcampus Rostock-Evershagen
- Sozial gut durchmischte Schülerschaft
- Orientierungsstufe, regionale Schule und Gymnasium unter einem Dach
- Flexible Schulausgangsphase
- Intensivkurs “Deutsch als Zweitsprache”
- Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf (Anerkennung durch das Staatliche Schulamt oder aufgrund besonderer Beeinträchtigungen)
- Lehrkräfte: 61 Lehrkräfte und 6 Lehrkräfte für besonderen Unterricht
- 1 Schulsozialarbeiterin
- 1 Sonderpädagogin
- 2 Sekretariate, 1 Hausmeister
- Externe Unterstützer beim Förderbedarf
- Andere Lernorte sind gut erreichbar
Sonderpädagogin Andrea Krause
- Feststellungsdiagnostik ist Knackpunkt; Wartezeit von 8–12 Monaten
-
Aufgaben der Sonderpädagogin:
- Aufbau eines Netzwerkes mit Partnern: mit GU-Förderlehrerinnen und -lehrern, Ärztinnen und Ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten, ambulanten Hilfen, Schulbegleitern, Diensten freier Träger
- Ansprechpartnerin für das gesamte Netzwerk
- Viele Eltern schaffen die Wege nicht, die nötig sind, um Hilfen zu beantragen – dafür stehen ihnen Schulbegleiterinnen und -begleiter zur Verfügung
- Der Regelschullehrer oder Klassenleiter ist der erste Ansprechpartner und Chef des Prozesses
- Es sind viele Ressourcen in der Elternschaft vorhanden
- Es ist wichtig, dass Schlüsselpositionen mit entsprechend ausgebildeten Kompetenzträgern besetzt sind
- Klassen müssen anhand der Beeinträchtigungen der Kinder zusammengesetzt werden, damit alle Kinder eine Umgebung vorfinden, in der sie gut lernen können
- Sonderpädagogin bleibt feste Ansprechpartnerin für das Kind
- Belobigungsbriefe für (individuelle) Leistungen
- Vernetzung ist wichtig, um Perspektiven für Kinder zu schaffen und Familien zu entlasten
Nachfragen:
- Wie konnten Sie die Partner für das Netzwerk gewinnen? → Win-Win-Situation
- Wie schultern die Lehrerinnen und Lehrer die Mehrbelastung? → Positive Grundhaltung
- Kommen die “normalen” Schülerinnen und Schüler nicht zu kurz (Schülerfrage)? → Auch Gymnasialschülerinnen und – schüler profitieren vom Netzwerk, Projekttage für diese Schülerschaft konzipiert
- Wie sehen Binnendifferenzierung und Kooperation ganz konkret im Unterricht aus?
- Wie soll Inklusion gelingen, wenn nicht mal Integration funktioniert? → Für eine Physikstunde braucht es fünf unterschiedliche Vorbereitungen, mehr Anleitung und Steuerung durch die Lehrkraft (siehe auch Workshop 1)
- Wie sieht zieldifferenziertes Lernen aus? → Lehrkräfte haben Rahmenplan, der modifiziert wird
- Es kann doch nicht sein, dass die gesamte Mehrbelastung an den Regellehrern hängen bleibt?
Gorch-Fock-Schule Bremerhaven
Stefanie Polzer-Pupel mit Erzieherin und Sonderpädagogin
- Vielfältige Schülerschaft in ärmster Stadt Deutschlands
- Viele Sprachanfängerinnen und -anfänger
- Wachsende Nachfrage nach Ganztagsschule
-
Entwicklungsschwerpunkte:
- Inklusion
- Schulsozialarbeit
- Lernwerkstatt
- Förderzentrum für Lernen, Sprache und Verhalten
- Normaler Unterricht wurde aufgebrochen → Umstellungsschwierigkeiten
- Vor- und Nachmittag sollten besser verzahnt werden → verbindliche Teamzeiten von 45 Minuten wöchentlich
- Kommunikation im Team muss respektvoll und partnerschaftlich sein, das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern braucht permanente Arbeit an der eigenen Haltung
- Außendifferenzierung wirkt diskriminierend oder wird in dieser Art erlebt
- Kultur der Wertschätzung wirkt Diskriminierung entgegen
- Sprachförderung durch „Redemittel“ und „Wortspeicher“
- Förderplan wird mit dem gesamten Team erstellt: Einbeziehung von Eltern und Kindern
- Zentrum für unterstützende Pädagogik
Unterrichtsbeispiel:
- “Jeder Unterricht ist Förderunterricht”
- Lernpartnerschaften
- Gemeinsame Arbeit am Lerngegenstand auf individuellem Leistungsniveau
- Am Nachmittag wurde das Thema erneut aufgegriffen
Nachfragen
- Wirken hohe Erwartungen auf lernbehinderte Kinder nicht demotivierend? (Schülerfrage)
- Wie sieht die Arbeitszeit der Lehrkräfte im Ganztag aus? → Polzer-Pupel: 3 Präsenzstunden, Kooperationszeiten (5 Zeitstunden); insgesamt nicht mehr als 35 Präsenzstunden in der Schule
- Was ist eine Lernwerkstatt? → Kooperationsprojekt zwischen Kita und Schule, selbstgesteuertes Lernen
- Wie sehen Ihre Ressourcen und die Personalaustattung aus? Wer stemmt die Arbeit? → Sonderpädagog/innen mit Teilzeitstellen → Teambildung vereinfacht, Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher
- Auch unterschiedliche Bezahlung ist Diskriminierung – was tun Sie dagegen? → gleiche Bezahlung – gleiche Augenhöhe: langer Prozess
- Wo schauen Sie nach den Stärken der Förderkinder? → Zentrum für unterstützende Pädagogik und etabliertes Kunstprofil
Statements und Zitate
Schülerin:
- “Von ganz vielen wissen wir ja auch gar nicht, was die so haben. Das sind einfach normale Mitschüler.”
Andrea Krause, Sozialpädagogin aus Rostock:
- “Die Gesellschaft ist schon lange bereit für Inklusion.”
- “Die Hilfe muss direkt sein und im Schlüssel-Schloss-Prinzip funktionieren.”
- “Es geht ums Menschenbild.” (Andrea Krause, Sonderpädagogin)
- “Kollegiale Beratung ist wohltuend.”
- “Ich arbeite nicht für den Schulleiter oder die Schule, sondern fürs Kind.”
- “Hochbegabte Kinder brauchen genauso viel Aufmerksamkeit wie andere Kinder mit besonderem Förderbedarf.”
- “Not macht erfinderisch. Es geht darum, ob die Grundhaltung stimmt.”
Frau Polzer-Pupel, Schulleiterin Gorch-Fock-Schule Bremerhaven:
- “Wir haben den Kindern immer nur vorgeführt, was sie alles nicht können. Da hatten wir 2007 keine Lust mehr drauf.”
- “Ohne professionelle Begleitung hätten wir diese Umstellung auf Inklusion nicht geschafft.”
- “Jeder ist willkommen. Wir wollen alle Kinder!”
- “Kinder brauchen Ziele, sonst geben sie sich auf.”
- “Die Kinder an unserer Schule werden immer sprachloser.”
Meldung aus dem Publikum:
- “Wenn Inklusion funktionieren soll, dann geht es nur im Team, sonst sind die Lehrer überlastet.”
- “Inklusion und Diskriminierung sind ein Wortpaar.”
- “Inklusion muss klares Anliegen der Schulleitung sein und das Menschenbild muss hinterfragt werden.”
- “Inklusion ist Arbeit am Menschen.”
- “Bei dem Weg zur Inklusion kommt es auf jeden einzelnen von uns an.”
- “Diese komplexen Aufgaben schafft keiner allein, das kann nur im Team gelingen.”
Frau Polzer-Pupel:
-
“Alle Kinder sollen supergute Erlebnisse in Schule haben und sich stark fühlen.”