„Gute Bildung“ scheitert derzeit oft daran, dass immer noch nach einem konservativen Schul- und Unterrichtsmodell unterrichtet wird, das vor allem auf veränderte gesellschaftliche Anforderungen keine Antworten hat. Das liegt in vielen Fällen daran, dass die Haltungen und Einstellungen der Lehrkräfte und Schulleitungen immer noch auf das konservative System abgestellt sind.
Bislang findet eine individualisierte Reflexion des eigenen Handelns in Bezug auf gesellschaftliche Bedingungen kaum statt, Veränderungen im Professionsverhalten werden heute vorrangig über neue Rahmenrichtlinien, Grundsatzappelle und externe Leistungsüberprüfungen angestrebt. Individuelle Einstellungsänderungen brauchen aber individuelle Rückmeldungen und daran anschließende Beratungen/Trainings – bei Pauschalangeboten und -verordnungen ist keine Haltungsänderung zu erwarten.
Es geht doch um die Kinder!
Wenn Eltern und Schule gemeinsame Sache machen wollen
Eine Arbeitshilfe zur Feedback-Kultur von Dagmar Schreiber, Anke Kliewe und Katja Witt
Die Eltern befinden sich in Bezug auf die Bildung ihrer Kinder oft in einem diffusen Zustand: Auf der einen Seite haben sie ein grundsätzliches Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsrecht an Schulen. Auf der anderen Seite sind die Ziele und Absichten dieser Mitbestimmung sowie wirkliche Formen der Kooperation und gegenseitigen Unterstützung kaum ausdifferenziert, sodass hier wichtiges Potenzial verloren geht. Gravierende gesellschaftliche Veränderungen wie die Zunahme von Armut, die mangelnden Perspektiven insbesondere für Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien, die zunehmende Fremdenfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft unter Kindern und Jugendlichen sowie Auswirkungen von Europäisierung und Globalisierung machen eine systematische Erweiterung des Verhaltensrepertoires der einzelnen Menschen in Schule und Schulverwaltung dringend notwendig. Bildungs- und Forschungsprogramme sind meist nicht in der Lage, den Einzelnen in seinen Verhaltensroutinen zu erreichen.
Mittlerweile gibt es in einigen Bundesländern die Schulvisitation oder Schulinspektion , die nach bestimmten Qualitätskriterien alle Schulen von einem „Visitatoren-“ oder einem „Inspektorenteam“ untersuchen lässt. Allerdings wird hier in allen Fällen nur die Schule überprüft – das heißt, man weiß zwar hinterher, wie gut oder wie schlecht die Schule nach bestimmten Kriterien bewertet wurde; aber die/der Einzelne – egal ob Schüler/in oder Lehrer/in, Schulleiter/in oder auch Elternteil – kann sich wieder ganz bequem zurücklehnen und die Schuld bei den anderen suchen. Die direkte Zuordnung von Verantwortung ist nicht gegeben, für ein gegebenenfalls schlechtes Ergebnis sind immer die jeweils anderen verantwortlich. Über die Etablierung einer Feedback-Kultur nehmen die einzelnen an Schule Beteiligten (Schüler, Lehrer, Schulleitung, Eltern) mehr Eigenverantwortung für die Gestaltung des Lernens und Lehrens wahr.
Die Handlungsroutinen eines/r jeden werden über einen kommunikativen Prozess reflektiert, der individuelle Rückmeldungen ermöglicht und mit einer konstruktiven Lösungssuche und konkreten Schritten für den Einzelnen fortgeführt wird. Das Innovative daran ist, dass Schulleitungen, Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern erstmals individuell in die Pflicht genommen werden, wirkliche Veränderungen im eigenen Verhaltensrepertoire anzugehen und damit eine Veränderung im gesamten schulischen Leben möglich wird.
Feedback
- ermutigt
- motiviert
- hilft bei der Fehlersuche
- steuert Verhalten
- verbessert die Kommunikation
- erweitert die Selbstwahrnehmung
- stärkt und fördert positives Verhalten
- fördert persönliche Lernprozesse
- klärt Beziehungen
- hilft zielgerichtet zu arbeiten
- ermöglicht, voneinander zu lernen
- trainiert den Umgang mit Kritik
-
führt zu einem Zuwachs von Einfluss/Beteiligung sowohl beim Empfänger als auch beim
Geber von Rückmeldungen und - bewirkt eine engere Verbindung/Identifikation mit dem direkten Umfeld.
Unterschiedliche Formen von Feedback
Um alle an Schule Beteiligten zu mehr Kommunikation über die zu erreichenden Ziele und die Wege dorthin zu motivieren, hat Democaris Feedback-Bausteine auf Basis der Selbst-Fremdbild-Einschätzung auf allen Ebenen entwickelt:
Leitungsfeedback
Leitungsverantwortung an Schulen wahrzunehmen, bedeutet Konfrontation mit vielen heterogenen Ansprüchen – wesentlich dabei ist, sich Rückmeldungen darüber einzuholen, inwiefern das eigene Leitungshandeln von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als unterstützend und innovativ erlebt wird. Indem das Schulleitungs Feedback Antwort auf die folgenden Fragen gibt, schafft es die Voraussetzungen für effizientes Führen und systematische Schulentwicklung:
Ist mein Leitungshandeln an dieser Schule erfolgreich?
Welche Stärken und welche Optimierungspotenziale habe ich?
Wie setze ich gewinnbringend neue Akzente in meinem Leitungshandeln?
Mit den Fragen im Leitungs-Feedback schätzen die Lehrerinnen und Lehrer einer Schule die Schulleitung (oder auch Abteilungsleitung) hinsichtlich ihrer Führungs- und Leitungsqualitäten ein – die Kriterien dieser Einschätzung stimmen Schulleitung, Lehrerrat und Schulkonferenz miteinander ab. Über Einzel- und Gruppenrückmeldegespräche (extern) und schulinterne Workshops werden Schlüsse aus den Feedbackergebnissen gezogen und entsprechende Maßnahmen verabredet.
Über die transparente Durchführung eines Leitungs-Feedback wird ein wesentlicher Teil der Ängste und Widerstände im Kollegium hinsichtlich weiterer anstehender Feedback-Prozesse (z. B. Schüler- Lehrer-Feedback) abgebaut. Lehrerinnen und Lehrer erfahren unmittelbar den Nutzen eines solchen Feedbackprozesses. Deshalb sollte das Leitungs-Feedback am Anfang der Etablierung einer Feedback-Kultur an einer Schule stehen.
Beispiele für Kriterien zum Leitungsfeedback
Die Schulleitung
- hat ein offenes Ohr für die Sorgen und Probleme der Kollegen
- kümmert sich um einen geordneten Schul- und Unterrichtsbetrieb
- sorgt für klare Zuständigkeiten
- bezieht bei ihren Entscheidungen die Betroffenen mit ein
- verfolgt ein erkennbares Konzept
- informiert umfassend/rechtzeitig über wichtige Änderungen/Ereignisse/Veranstaltungen
- fühlt sich verantwortlich für den organisatorischen Ablauf
- handelt engagiert und entschlossen
- hält Vereinbarungen ein
- würdigt die Leistungen der Kolleg/innen
- schafft eine Kultur des Vertrauens
- achtet auf die Umsetzung von getroffenen Entscheidungen
- unterstützt Innovationsvorhaben (z. B. von Schülern, Lehrkräften)
- lässt dem Einzelnen genügend eigene Gestaltungsräume
- löst konstruktiv Konflikte unter den Kolleg/innen
- fördert den pädagogischen Austausch unter Kolleg/innen
- gibt mir konstruktive Rückmeldungen zur Gestaltung meines Unterrichts
- unterstützt außerunterrichtliche Aktivitäten
- hat ein Konzept für gezielte Fortbildungen
- gibt mir Rückhalt, wenn es Probleme gibt (fachlich/schulisch/privat)
- achtet auf eine freundlich-sachliche Kommunikation mit den Kolleg/innen
- führt Mitarbeiter/innengespräche
- erfüllt die Aufgaben der Funktionsstelle
Beim Leitungs-Feedback kommt den verbalen Kommentaren, die von den einzelnen Mitgliedern des Kollegiums abgegeben werden, eine hohe Bedeutung zu. Hier wird ganz konkret und individuell das Verhalten der einzelnen Schulleitungsmitglieder vom Kollegium bewertet und (Veränderungs-)Wünsche für die Zukunft werden geäußert.Im Anschluss werden die Ergebnisse zusammen mit der Schulleitung in Einzel- und Teamgesprächen analysiert. Sowohl die Feedback-Ergebnisse als auch die daraus entwickelten Konsequenzen und Maßnahmen werden dem Gesamtkollegium in einem Rückmelde-Workshop vorgestellt und diskutiert.
Schüler-Lehrer-Feedback
Unterricht steht im Zentrum aller schulischen Tätigkeit. Die Wahrnehmung darüber, was guter Unterricht ist, unterscheidet sich jedoch oft in Abhängigkeit vom Betrachter. Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer schätzen deshalb in diesem Schüler-Lehrer-Feedback den Unterricht ein – parallel und nach bestimmten Kriterien, die mit allen Beteiligten vorher festgelegt werden. Über einen systematischen und beteiligungsorientierten Austausch zur Qualität von Unterricht aus Sicht von Schüler/innen und Lehrkräften (Format der Selbstbild-/Fremdbildeinschätzung) stellt sich das Schüler-Lehrer-Feedback den folgenden Fragen.
Es folgt ein Austausch darüber, wie Unterricht von beiden Seiten wahrgenommen wird und welchen Veränderungsbedarf es gibt. Hier werden Schülerinnen und Schüler gehört und in die Verantwortung genommen. Sie treten mit den Lehrenden in einen Dialog ein und gewinnen dadurch nicht nur Einfluss auf die Unterrichtsgestaltung, sondern auch Kompetenzen hinsichtlich der Reflexion des eigenen Lernverhaltens.
Wie entwickeln Lehrer/innen und Schüler/innen gemeinsam den Unterricht weiter?
Wie kann Unterrichtsevaluation dauerhaft zu Haltungsänderungen bei Schüler/innen und Lehrer/innen führen?
Wie übernehmen Schüler/innen Verantwortung für ihr eigenes Lernen?
Anregungen zum Schüler-Lehrer-Feedback
- Ich habe den Eindruck, dass wir Schüler/Schülerinnen von der Lehrerin/dem Lehrer geachtet und geschätzt werden.
- Wenn ich Konflikte oder Probleme habe, kann ich damit zu meiner Lehrerin/meinem Lehrer gehen.
- Ich fühle mich von meinem Lehrer/meiner Lehrerin gerecht bewertet.
- Der Lehrer/die Lehrerin verweist auf Zusammenhänge mit den Inhalten anderer Fächer.
- Der Lehrer/die Lehrerin verbindet neue Sachverhalte mit Stoff, den wir schon gelernt haben.
- Wenn wir etwas nicht verstehen, wird es noch einmal erklärt.
- Unsere Lehrerin/unser Lehrer bespricht mit uns, was wir lernen sollen und warum wir das lernen sollen.
- Der Lehrer/die Lehrerin unterrichtet verständlich und anschaulich.
- Es ist wichtig, dass ich meine Hausaufgaben erledige, denn sie werden in diesem Fach regelmäßig kontrolliert.
- Der Lehrer/die Lehrerin geht auf Vorschläge und Anregungen von uns Schülern/Schülerinnen ein
- Der Lehrer/die Lehrerin interessiert sich für meinen Lernfortschritt.
- Es wird uns beigebracht, wie wir das Lernen lernen können.
- Wir werden in diesem Unterricht angehalten, Inhalte selbstständig zu erarbeiten und zu präsentieren.
- In diesem Unterricht herrscht eine angenehme Atmosphäre.
- In diesem Unterricht gibt es bestimmte Regeln, an die wir uns halten müssen.
- Der Lehrer/die Lehrerin setzt verschiedene Unterrichtsformen ein (Gruppenarbeit, Partnerarbeit,Stuhlkreis …)
- Die Lehrerin/der Lehrer gibt uns unterschiedliche Aufgaben – je nach unserem Können.
- In meiner Klasse fühle ich mich wohl.
- In meiner Klasse unterstützen wir uns gegenseitig.
ES GEHT DOCH UM DIE KINDER
WENN ELTERN UND SCHULE GEMEINSAME SACHE MACHEN …
Eine Arbeitshilfe zur Feedback-Kultur
Dagmar Schreiber • Anke Kliewe • Katja Witt