Als die Schule im Schuljahr 2011/2012 den Auftrag bekam, sich zur inklusiven Oberschule zu entwickeln, stand sie vor einer großen Herausforderung. Nicht nur inhaltlich und programmatisch, sondern vor allem auch architektonisch und baulich war ein Umdenken nötig. Der Schulzweckbau der 1950er Jahre musste zugunsten der besonderen Bedürfnisse der veränderten Schülerschaft umgebaut werden. Und das in Zeiten knapper Kassen! Doch davon ließ sich die Schule nicht entmutigen. Vorhandenes wurde umgekrempelt und fest gefahrene Raumkonzepte aufgebrochen. Gemeinsam mit Architekten und Schulbauberatern wurden die wesentlichen Förderaspekte ermittelt und ein pädagogisches Raumkonzept entworfen, weg vom Klassen- und Fachraumprinzip hin zu einem Konzept der „Zonierung“. Dies bedeutete auch die Abschaffung separater Räume für die Kinder mit Förderbedarf. So wurden für die fünfte bis achte Klassenstufe Lernzonen eingerichtet, die allen Schülerinnen und Schülern gerecht werden, ob mit Förderbedarf oder ohne. Eine dieser Lernzonen ist der Psychomotorik- bzw. Bewegungsraum.
Vom Klassenraum zur Bewegungsoase
Der einstige Klassenraum bietet eine Fülle von Bewegungserfahrungen und Spielmöglichkeiten. Es gibt eine Boulderwand, ein Schwungtuch, Schaukeln und ein Kletterspinnennetz. Der Raum ist mit jeder Menge bunten Tüchern, Bällen, Seilen und großen Schaumstoffbauklötzen ausgestattet, mit denen sich Bewegungspfade und andere Bewegungsangebote gestalten lassen. Der Fußboden ist mit Matten ausgelegt. Den Kindern soll eine große Bandbreite an Bewegungsmöglichkeiten geboten werden, die sie individuell oder auch als Gruppe erfahren können.
Soziale Kompetenzen durch Bewegung
Der Raum wird gleichermaßen für Unterrichtseinheiten und Ganztagsangebote am Nachmittag genutzt. Im Rahmen des Kompetenzrasterunterrichts wird der Raum dafür eingesetzt, Teamfähigkeit einzuüben und Teambildungsprozesse zu initiieren. Lehrkräfte und Sozialpädagoginnen und -pädagogen nutzen den Bewegungsraum darüber hinaus für die Förderung Einzelner oder für Gruppen, mit denen Themen wie Problemlösefähigkeit, Teamgeist und andere soziale Kompetenzen bearbeitet werden.
Nachmittags wird der Raum für AGs geöffnet. Bei „Nur für Jungs!“ geht es um Geschicklichkeit und Kraft, die „Bewegungsreisen im Bewegungsraum“ entführen die Kinder in fantasievolle Bewegungswelten und bei „Girls in Action“ können sich speziell Mädchen austoben und ihre Grenzen kennenlernen. Immer geht es um Bewegung, Kreativität und darum, die Sinne zu schärfen.
Bei der Planung des Raumes waren auch die Schülerinnen und Schüler als Nutzer beteiligt. Sie formulierten ihre Wünsche, die dann gesammelt und ausgewertet wurden. Außerdem ließ sich die Schule von externen Fachleuten beraten und tauschte sich mit anderen Schulen zu ihren Ideen für die inhaltliche Gestaltung des Raumes aus. Damit die Qualität des Raumes bzw. die Nutzung der Räumlichkeiten langfristig gesichert werden kann, wurde gemeinsam mit dem „Elternverein für Psychomotorik“ ein Fortbildungskonzept für Lehrkräfte entwickelt. In diesem Zusammenhang wurde auch ein Raumnutzungskonzept entworfen.
Durch die Auseinandersetzung mit Inklusion und Individualisierung hat die Schule ein erweitertes Verständnis von „Öffnung von Schule“ entwickelt. Demnach öffne sich eine inklusive Schule nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. Sie zeigt sich offen für neue Herausforderungen und reagiert aktiv mit baulichen Maßnahmen auf die sich verändernde Schülerklientel. Überdies unterstützt die Einführung der neuen pädagogischen Architektur die multiprofessionelle Teamarbeit. Mit der Einrichtung des Bewegungsraumes als ein Beispiel ihres neuen Raumkonzeptes beweist die Paula-Modersohn-Schule, dass auch mit eingeschränkten Ressourcen etwas Besonderes entstehen kann. Auch scheinbar kleine Veränderungen können Großes bewirken.