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DKJS | Jan Kulke

Salon 2: Inklusion ist mehr als ein Schlagwort – guter Ganztag für alle – Fachtagung 2018

Inklusion ist kein neuer Anspruch – aber bestimmt auch kein alter Hut. Noch immer ringen pädagogische Fachkräfte, Träger und Kommunen in Deutschland sowohl um geeignete Definitionen, als auch um praxistaugliche Aneignungs- und Umsetzungsmöglichkeiten.

Wie sieht das Miteinander von Schülerinnen und Schülern aus? Wie kommen die Schülerinnen und Schüler mit ihren individuellen Bedürfnissen jeweils zu ihrem Recht? Und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Professionen konkret?

Ganzheitliches Lernen für alle Schülerinnen und Schüler

Ute Hussak-Thomsen, Schulleitung, Grundschule Buschhausen (Niedersachsen)

Die Grundschule Buschhausen kooperiert mit einer Vielzahl von Partnern, um das Inklusionskonzept der Schule zu gestalten und umzusetzen. Die Schulleitung stellt einen Schultag vor (Frühzeit, Arbeitszeit, Übungszeit, Mittagszeit, Projektzeit, Kooperationszeit) und gibt anhand dessen einen reflektiven Einblick in den Alltag einer Ganztagsschule.

Vor 4 Jahren entwickelte sich die Grundschule Buschhausen zu einer vollgebundenen Ganztagsschule, um Lösungen für die Heterogenität in den Klassen zu finden. Dieser Prozess war zu jedem Zeitpunkt von der Frage begleitet: Wie können wir alle Kinder zum ganzheitlichen Lernen bringen? Im Lauf der Zeit haben sich die Rahmenbedingungen teilweise komplett verändert. Beispielsweise verstehen sich die Lehrkräfte als Lernbegleiterinnen und Lernbegleiteter. Weiterhin ersetzen direkte Rückmeldungen die herkömmlichen Noten und statt Frontalunterricht gestalten multiprofessionale Teams Lernprojekte. Die Jahrgangsstufen 1-4 sind altersgemischt und die Struktur der separaten Unterrichtsfächer ist komplett aufgebrochen. Hausaufgaben gehören der Vergangenheit an und der Schulalltag wird nicht mehr in Unterricht und Ganztag aufgeteilt.

Besonderheiten der Schule:

  • Frühzeit
  • Betreute Übungszeit: ersetzt Hausaufgaben und dauert 30 Minuten
  • Individuelle Arbeitszeit: mit Arbeitsplänen, stark differenziert in Mathe und Deutsch, Förderkinder nochmal spezielle Pläne. Arbeit in Lernecken, Klasse, Flur etc. Klassenlehrer sind immer ansprechbar. Es gibt kleine Inputs
  • Frühstückspause
  • Projektzeit: für alle anderen Fächer, jahrgangsübergreifend, Pädagogische Mitarbeiter, Lehrkräfte und andere Beteiligte planen Projektzeit, handlungsorientiert, Ziel des ganzheitlichen Denkens durch Handlungsorientierung, Forschen und Experimentieren
  • Mittagszeit: kann von Kindern mit ihrer Peer Group selbst gestaltet werden
  • An einem Nachmittag: außerschulische Angebote, z.B. SOS Kinderdorf etc.

Gelebte Inklusion durch individuelle und offene Lernangebote

Petra Prauße, Schulleitung, Montessorischule Jena – Staatliche Gemeinschaftsschule (Thüringen)

Als Gemeinschaftsschule legt die Montessorischule Jena besonderen Wert auf die Berücksichtigung der Individualität des Einzelnen. So wird der Ort eine Ganztagsschule für alle, an der Inklusion gelebt werden kann. Kooperationen mit einer Vielzahl von Partnern ermöglichen die Bereitstellung offener und differenzierter Lernangebote, um den individuellen Bedarfen der Kinder gerecht zu werden.

Bei diesem Impuls wurden vor allem die Herausforderungen und Lösungen besprochen. Als besonders schwerwiegende Herausforderungen wurden Teamentwicklungsprozesse identifiziert. Wie können gruppendynamische Prozesse verstanden und sichtbar gemacht werden. Wie kann nicht ausgebildetes Personal weiterentwickelt und optimal eingesetzt werden? Als Lösungsansätze für diese Herausforderungen haben sich in der Montessorischule Jena unter anderem Achtsamkeitsausbildung durch externe Trainer und gewaltfreie Kommunikation mit dem Team bewährt, um gruppendynamische Prozesse zu thematisieren und zu verstehen. Darüber hinaus gibt es gemeinsame Weiterbildungen, um gemeinsame Haltung zu entwickeln und auch ungelernte Mitarbeitende zu qualifizieren. Die Kompetenzen der Fachkräfte werden damit gestärkt, um allen Kindern gerecht zu werden und Überforderung vorzubeugen. Dieses Vorgehen wird von der Schulleitung unterstützt.

Besonderheiten der Schule:

  • Freie Wahl der Arbeit in vorbereiteter Lernumgebung mit zwei Fachkräften in Doppelbesetzung
  • Projektorientiertes Lernen und fächerübergreifende Arbeit (Ethik, Sachkunde, Kunst, Musik) in der Grundschule
  • Fach Welterkundung: Projekte an zwei Tagen in der Woche in Klasse 5-6
  • Jahrgangsübergreifendes Lernen: Jahrgangsmischung in Klassen 1-3, 4-6, 7-8, 11-12, 9 und 10 sollen demnächst gemischt werden
  • Inklusion aller Kinder umfasst auch: mehrfach körperlich behinderte Kinder, Kinder mit Autismus, hochbegabte Kinder, Kinder mit Zuwanderung etc.
  • Räumliche Besonderheit: Es gibt kein großes Lehrerzimmer mehr, sondern eine Aufteilung in Teamräumen, so dass eher von einer Teamberatung statt von einer Dienstberatung gesprochen werden kann.
  • Kooperationen mit außerschulischen Partnern, z. B. Jugend forscht, Bildungscamps, Deutschförderung
  • Herausforderungen: es werden in Jena kaum Sonderpädagogen ausgebildet, viele Quereinsteiger, Doppelbesetzung aus Personalgründen nicht einfach
  • Weitere Infos auf www.montessorischule.jena.de
  • Hospitationen möglich

In der Austauschphase wurden die Gelingensbedingungen guter Inklusion herausgearbeitet. Dazu gehört das Potenzial der Kinder selbst. Die Teilnehmenden waren sich einig: „Kinder können sich gegenseitig so viel geben. Je unterschiedlicher, desto besser“. Aber auch eine wertschätzende Schulleitung, die alle Beteiligten in das pädagogische Konzept einbezieht, trägt zum Gelingen bei.

Moderation: Svenja Butzmühlen, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und Katarina Fuchs, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung