von Frau Dr.Cornelia Alban

 

Das ist das Credo des Themenateliers „Ganztagsschule der Vielfalt“, einem neuen Programmelement in „Ideen für mehr! Ganztägig lernen.“, das auf dem 5. Ganztagsschulkongress am 12. und 13. September in Berlin vorgestellt wurde. Im Themenatelier werden ausgewählte Ganztagsschulen unterstützt, Fragen zu bearbeiten, die auf dem Weg zu einer „Ganztagsschule der Vielfalt“ anstehen.

Sie arbeiten in den regionalen Verbünden Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein mit anderen Ganztagsschulen und Migrantenorganisationen zusammen und tauschen sich bundesweit aus. Begleitet werden sie von den regionalen Servicestellen vor Ort und von professionellen Moderatoren. Die Schulen lernen erprobte Praxismodelle kennen und erhalten einen finanziellen Zuschuss, damit sie modellhaft eigene Projekte durchführen können.

Barrieren erkennen

25 % der Schülerinnen und Schüler haben einen Migrationshintergrund, aber nur 8 % der Studierenden, haben einen Migrationshintergrund. Weniger als ein Drittel von ihnen wagt somit den Schritt zur Uni oder kann ihn – aufgrund des Abschlusses – wagen. Warum das so ist und wie man es besser machen kann, das sind  Fragen, die das Themenatelier und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops auf dem Kongress beschäftigen.

Who is who?, lautet die Frage von Peter Bleckmann, Programmleiter und Leiter des Projektes bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), an das Publikum.

Spätestens bei der Beantwortung dieser Frage stellt sich heraus, dass auch in der Diskussionsrunde ein breites Spektrum von an Bildung Beteiligten vertreten ist. Berrin Alpbek, von der Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland (FÖTED), einem Zusammenschluss von über 60 Elternvereinen, benennt als ein wesentliches Hindernis, dass Schule für türkische Eltern eine „Blackbox“ sei. In ihrem Heimatland hat die Schule eine stark steuernde Funktion und kommt initiativ auf Eltern zu. In Deutschland hingegen fehlt bislang die aktive Ansprache der Eltern mit Migrationshintergrund. Als positive Elemente eines Zugangs zur Schulkultur benennt sie das traditionelle Einschulungsfest und die Einrichtung von Elterncafés für einen zwanglosen interkulturellen Austausch. „Was wir haben, ist unser Wille für unsere Kinder, und der soll auch einen Platz in der Schule haben“, fordert die Ehrenamtliche die Runde engagiert auf.

Barrieren abbauen

Der Landesverband der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein (TGS-H) ist eine gemeinnützige Organisation, vertritt die Interessen der türkischen Minderheit in Schleswig-Holstein und ist Partner im Themenatelier der Vielfalt. Ihr Landesvorsitzender, Cebel Kücükkaraca, beschreibt ebenfalls unter anderem die Unkenntnis des deutschen Bildungssystems sowie sprachliche und kulturelle Barrieren als Hemmnisse für eine erfolgreiche interkulturelle Zusammenarbeit. Sein Verband hat die Jugendarbeit sowie die Vermittlung zwischen Eltern und Schule zum wichtigsten Thema erkoren. Seit 1998 fördert die TGS-H mit verschiedenen Projekten die Integration und Partizipation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Die Ideen des Themenateliers „Ganztagsschule der Vielfalt“ im Verbund Schleswig-Holstein sprudeln aus Cebel Kücükkaraca nur so heraus:

  • Kurse/Veranstaltungen zu verschiedenen multikulturellen Themen
  • Sprachförderung jeglicher Art
  • Sport-, Musik-, Kunst- und Theaterangebote als kreativer Austausch zwischen den Kulturen und zur Selbstfindung
  • „Eltern-Schulen“ mit Workshops, Veranstaltungen und Vorbereitungskursen über Lernziele, Lernmethoden und Anforderungen der Schule sowie des Bildungssystems
  • Lesepaten
  • Feiertage der verschiedenen Migrantengruppen gemeinsam feiern.

Gemeinsam denken und handeln

„Es ist fast so als hätten wir den Beitrag für den Workshop gemeinsam erarbeitet“, konstatiert Carsten Haack, Schulleiter der Theodor-Storm-Schule in Kiel, die Übereinstimmung zu den Themen des Vorredners. Seine Schule ist eine der ausgewählten Ganztagsschulen im Regionalverbund Schleswig-Holstein. Von den 750 Schülerinnen und Schülern der Schule, die am 1. August 2009 Gemeinschaftsschule wird, verfügen 46 Prozent über einen Migrationshintergrund. Der Ausländeranteil der Schule liegt bei 21 Prozent, in der 18 verschiedene Nationen präsent sind und die seit 2007 Offene Ganztagsschule ist. Neben den genannten Faktoren hat er an seiner Schule die Erfahrung gemacht, dass die finanziell schwache Situation von Eltern zur sozialen Ausgrenzung führt. Da die Ganztagsangebote der Schule nicht aus eigenen Mitteln zu finanzieren waren, wurden Elternbeiträge erhoben. Das überstieg in einigen Familien die materiellen Möglichkeiten. Inzwischen hat die Schule andere Wege der Finanzierung gefunden und die Elternbeiträge wieder abgeschafft.

Carsten Haack plädiert daher für eine Bündelung finanzieller Ressourcen. „Die vielen Millionen, die in den verschiedenen Töpfen zur Sprachförderung verschwinden, sollten besser den Schulen als freie Mittel für die Förderung von Integration zur Verfügung gestellt werden.“ Ein weiteres Problem, dass Ganztagsangebote nicht verlässlich wahrgenommen werden, hat der Schulleiter gelöst. Ab der 5. Klasse ist ein Tag in der Woche verbindlicher Ganztag. „Denn die Schüler kommen schon, aber erst wenn sie das Angebot einmal kennengelernt haben.“

Schon prasseln Fragen aus dem Teilnehmerkreis auf die Referenten ein. Wie ist das möglich, verlässliche Ganztagsangebote in einer Offenen Ganztagsschule zu installieren? Warum können Schüler nur in Jugendtreffs ihre Meinung über Schule artikulieren? Wie sieht es mit der Schülerbeteiligung an Ihrer Schule aus?, fragt eine Schülerin. Wie kann man die eigenen Werte bewahren und neue integrieren? Was ist mit der Förderung von Sprachkompetenzen bei Eltern? Fragen über Fragen, die zeigen, wie sehr das Thema bewegt. Antworten – da sind sich die Beteiligten sicher – wird das mit interkultureller  Kompetenz ausgestattete Atelier finden. Dafür ist bis zum Laufzeitende 2009 noch ein wenig Zeit.

 

Datum: 01.10.2008
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