Kein Ganztag ohne Kooperation. Ohne die Öffnung der Ganztagsschule in den Sozialraum, die Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe der Kommune, mit Vereinen oder Verbänden ist der Schulalltag in den meisten Ganztagsschulen nicht mehr zu denken. Außerschulische Partner sind in der Schule tätig oder Schülerinnen und Schüler „Lernen am anderen Ort“. In den letzten Jahren hat dieses Thema Fahrt aufgenommen.
Thorsten Bräuer, Schulleitung, Grundschule Arnkielstraße (Hamburg) und
Karin Retzmann, stellv. Schulleitung, Grundschule Arnkielstraße (Hamburg)
Die teilgebundene Ganztagsgrundschule Arnkielstraße präsentierte eine differenzierte und attraktive Lern- und Lebenskultur. Dabei erweitert die Kooperation mit Trägern aus dem Sozialraum den Kreis der Akteure, der den Ganztag um vielfältige Erziehungs- und Bildungsprozesse verschiedener Professionen ergänzt. Die Schulleitung gab einen kurzen Überblick zu den Kooperationspartnern und der Ausgestaltung der Zusammenarbeit.
Thorsten Bräuer ist seit 25 Jahren im Ganztag aktiv und leitet seit 2012 die Grundschule Arnkielstraße als teilgebundene Ganztagsschule. Die Schule hat unterschiedliche Kooperationspartner, sodass sich Thorsten Bräuer mit einem Lächeln zu der herausfordernden Aussage hinreißen lässt, dass es niemanden in der Nähe gibt, mit dem seine Schule nicht kooperiert. Sein Ziel war es von Anfang an, die Kooperationen langfristig einzugehen und damit Kontinuität zu gewährleisten. Weiterhin steht für Thorsten Bräuer fest, dass Kooperation nicht nur Betreuung ist. Aus diesem Grund betont er deutlich, dass gute Kooperation Zeit und vor allem Verständnis benötigt. Lehrkräfte brauchen Verständnis für andere Professionen, damit sich Vertrauen in eben diese entwickeln kann. Die Ansprüche an das Angebot der Kooperationspartner ist hoch. Es soll für die Kinder freiwillig und jederzeit wechselbar sein. Das Verständnis für diese Form des Angebots musste sich bei allen Beteiligten erstmal entwickeln. Dass das „Kollegiumszimmer“ auch für die Kooperationspartner offensteht, macht den Fortschritt in der Verzahnung besonders deutlich. Besonders stolz ist Thorsten Bräuer auf das Mitspracherecht der Schülerinnen und Schüler in der Gestaltung des Ganztages. So sind sie beispielsweise bei der Planung des neuen Raumkonzeptes mitinvolviert.
Viele Akteure gestalten den Ganztag in der Grundschule Arnkielstraße. Alle die kontinuierlich partizipieren, sind die Kinder. Aber wann dürfen die Kinder den Ganztag wirklich selbst mitgestalten? Die stellvertretende Schulleiterin Karin Retzmann zieht daraus den logischen Schluss: „Wir müssen ihnen mehr Mitbestimmung und Räume ermöglichen.“
Beispiele der Partizipation an der Schule sind der einwöchige Klassenrat und die Klassensprecherkonferenz. In der Klassensprecherkonferenz können die Kinder Angebote mitgestalten und die Schulleitung bekommt Impulse zur Gestaltung des Ganztags aus diesem Gremium. Zur Stärkung des Mitspracherechts werden die Ganztagsangebote von den Kindern ohne die Eltern gewählt. Auch das Schulessen wird von den Kindern selbst regelmäßig evaluiert. Ebenso sind die Kinder in die Planung eines neuen Raumkonzepts involviert.
„Eine Schule – ein verlässlicher Kooperationspartner“
Silke Zimmermann, Schulleitung Grundschule an der Oderstraße (Bremen) und Nicole Feldmann-Sbirsny, SOS-Kinderdorf
Die offene Ganztagsgrundschule an der Oderstraße in Bremen kooperiert mit dem SOS-Kinderdorf bei der gemeinsamen Gestaltung des Nachmittags. Die vielfältigen Angebote, wie beispielsweise Hausaufgabenbetreuung oder Theater und die ganztägige Präsenz der Bezugspersonen unterstützen sowohl die Familien als auch die Schülerinnen und Schüler in ihrem Alltag. Zentral sind dabei verbindliche Absprachen, enger Kontakt und kontinuierliche Gespräche der Beteiligten.
Die Grundschule an der Oderstraße hat keinen Hort. Im zweistündigen Mittagsband können die Kinder lernen, spielen und essen. Zur Unterstützung bei der Gestaltung des außerunterrichtlichen Angebots hat die Schule – im Gegensatz zum Praxisbeispiel aus Hamburg – das Motto: „Eine Schule – ein Kooperationspartner“. Im offenen Ganztag arbeiten sieben Mitarbeitende des SOS- Kinderdorf an der Schule. Diese werden von zahlreichen Ehrenamtlichen unterstützt. Die Ehrenamtlichen arbeiten gleichberechtigt mit den hauptamtlichen Mitarbeitenden zusammen. Leidenschaften, Wünsche und Interessen der Ehrenamtlichen beeinflussen ihr Betätigungsfeld an der Schule. Ehrenamtliche Arbeit an der Schule bedeutet Bereicherung auf mehreren Ebenen: Beispielsweise ist ein nicht-professioneller Blick auf die Kinder und der soziale Kontakt mit älteren Generationen für alle Seiten gewinnbringend. Zwei Mal im Jahr veranstaltet die Schule dafür ein Danke-Schön-Café zur Wertschätzung der Mitarbeitenden. Für die regelmäßige Abstimmung der Lehrkräfte mit den Kooperationspartnern hat die Schulleitung eine kreative Lösung gefunden. Behördlich sind für Absprachen keine bzw. zu wenig Zeit vorgesehen. Damit es dennoch zum Austausch der Lehrkräfte mit dem Kooperationspartner kommt, nimmt die Schulleitung die Lehrkräfte aller zwei Wochen einmal aus dem Unterricht und lässt sie in dieser Zeit vertreten.
In der anschließenden Diskussionsphase thematisierten die Teilnehmenden die Frage nach dem hohen Managementaufwand bei einer Vielzahl von Kooperationspartnern. Die Grundschule Arnkielstraße fand darauffolgende Antwort: „Kontaktpflege kostet viel Zeit, aber es ist gut investierte Zeit. Das bekommt man nicht bezahlt!“ Darüber hinaus hat die Schule auch Kooperationspartner, die finanzielle Unterstützung und spezielles Know-how mitbringen.
Als weitere Herausforderungen von Kooperation wurden der Fachkräftemangel bei Kooperationspartnern, der Leistungsanspruch im Nachmittag durch die Eltern und die Besonderheiten im ländlichen Raum hervorgehoben. Gerade in ländlichen Gebieten werden freiwillig Ganztagsangebote mit starren Transportstrukturen konfrontiert. Schulbusse fahren nur zu bestimmten Zeiten und stehen einer flexiblen Nachmittagsgestaltung im Weg. Alternativ müssten Eltern ihre Kinder selbst von der Schule abholen. Einigkeit bestand darin, dass ein gutes Ganztagsangebot Schule attraktiver machen kann. Dann bleiben Kinder freiwillig länger und überzeugen auch ihre Eltern extra Wege für außerunterrichtliche Ganztagsangebote in Kauf zu nehmen.
Ein weiteres Diskussionsthema war der Umgang mit Kontinuität der Teilnehmenden an den Ganztagsangebote. Im Zuge dessen wurde sich über unterschiedliche Anmeldungsprozedere ausgetauscht. So beschrieb Kerstin Lösche von der Servicestelle Ganztagsangebote Ganztägig lernen aus Sachsen den bewährten Ablauf in ihrem Land: Erst nehmen die Kinder an Schnuppertagen teil. Dann wird ein verbindlicher Vertrag mit den Eltern, Kindern und der Schule gemacht. Legt die Schule wert auf eine Kontinuität hat der Kooperationspartner SOS-Kinderdorf gut Erfahrungen mit der befristeten Teilnahmevereinbarung von einem halben Jahr gemacht. Neben den Herausforderungen wurden in den Diskussionsrunden auch die Gelingensfaktoren für gute Kooperation zusammengetragen. Dazu zählen neben der Berücksichtigung der Besonderheiten im ländlichen Raum auch ein sensibler Sprachumgang, gemeinsame Besprechungszeiten zwischen Kooperationspartnern und Lehrkräften, ein kreativer Umgang mit Regeln und die persönliche Pflege und Akquise von Kooperationspartnern. Zum Abschluss war man sich einig, dass eine zentrale Frage das Gelingen guter Kooperation besonders beeinflusst: „Was wollen die Kinder selbst?“
Moderation: Arne Offermanns, Behörde für Schule und Berufsbildung Hamburg und Annekathrin Schmidt, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung