Bildungs- und Erziehungskontrakte

(c) DKJS / D. Ibovnik
DKJS/D. Ibovnik

Instrumente von Schulentwicklung

In Reformvorhaben zum schulischen Lernen und Leben werden sie als Verfahren zur Umsetzung innovativer Maßnahmen erprobt, das ein hohes Maß an Transparenz und Verbindlichkeit in die angestrebten Veränderungsprozesse bringt und zugleich die Verantwortungsübernahme aller Beteiligten zu sichern sucht. In Deutschland steht diese Entwicklung allerdings noch eher am Anfang, in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern gibt es damit bereits breitere Erfahrungen. Die Motive, Anlässe und Ziele sind vielseitig. Gegenstand können sowohl Leistungs- als auch Verhaltensmodifikationen von Schüle rinnen und Schülern sein, damit verbunden wird aber auch häufig eine verstärkte Zusammenarbeit mit deren Eltern oder auch die Etablierung und der Ausbau einer neuen Lern- und Schulkultur.

Transparenz und Verbindlichkeit

Der Einsatz solcher – häufig auch als Lernverträge oder Erziehungsvereinbarungen bezeichneter – Instrumente kann sich auf einzelne Schulen beschränken, in nationalen Bildungssystemen und Schulgesetzen verankert sein oder auch in internationalen Netzwerken propagiert werden. Die verwendeten Begriffe variieren ebenso wie die damit bezeichneten praktischen Maßnahmen, ihre Reichweite und die jeweiligen theoretischen Hintergründe.

Die hier vorgelegten Expertisen wurden im Rahmen einer Tagung gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus dem In- und Ausland untersucht. Diskutiert wurden dabei sowohl die praktische Relevanz als auch die theoretischen Dimensionen. Beides geschah sowohl vor der Folie gegenwärtiger Schulentwicklungsdebatten als auch neuerer pädagogisch-psychologischer Forschungen zum selbstbestimmten und lebenslangen Lernen.

Vergleichende und bilanzierende Perspektive

Eine doppelte Absicht wurde dabei verfolgt: Zunächst einmal sollten die bislang bereits genutzten Einsatzmöglichkeiten in ihrer Vielfalt dokumentiert werden. Zum zweiten sollte an exemplarischen Fällen aufgezeigt werden, welches Potenzial für Theoriebildung und Gestaltung von individuellen Bildungsprozessen und von Schulentwicklung mit der Erprobung und Erforschung dieses Instruments verbunden ist. Die Expertise aus sehr verschiedenen Einsatzbereichen in ganz unterschiedlichen Bildungssystemen und -traditionen wird auf diese Weise gebündelt. Dies regt gerade durch die Vielfalt und die sehr konkreten Beschreibungen der jeweiligen Praxis eine vergleichende und bilanzierende Perspektive nahe.

Vor dem Hintergrund einer breit angelegten Literaturrecherche haben wir Expertinnen und Experten aus verschiedenen Anwendungsbereichen und unterschiedlichen Ländern eingeladen, die über eigene Erfahrungen bzw. als Multiplikatoren über den Entwicklungs- und Erkenntnisstand in ihren Ländern berichteten. Die Gestaltung unterrichts- oder berufspraxisbezogener Lernprozesse wurde dabei ebenso berücksichtigt wie das Feld der Elternarbeit oder die Zusammenarbeit mit Trägern der Jugendhilfe. Der Focus lag dabei deutlich auf der Betrachtung individueller Kooperationsvereinbarungen zwischen Lehrkräften, Lernenden und eventuell deren Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten.

Steuerungswissen

Der Abschluss institutioneller Kooperationsvereinbarungen, die hierfür zuweilen erst notwendige oder mindestens förderliche Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen, wurde eher knapp unter dem Gesichtspunkt flankierender Maßnahmen thematisiert. Im Vorgriff auf die Ergebnisse unserer systematisierenden Einordnung lässt sich festhalten, dass die eingeladenen Experten einhellig zu der Einschätzung kamen, dass den vielfältigen Praxiserfahrungen bislang in der Regel ein eher bescheidener Grad an theoretischer Durcharbeitung sowie eine eher dürftige Fundierung durch empirische Forschung gegenüber steht. Dies gilt für die Erprobung des Einsatzes solcher Kontrakte unter didaktisch-methodischen Gesichtspunkten, für ihre Einbindung in sozialisationstheoretische Fragestellungen und auch für eine Reflexion aus schulentwicklungstheoretischer Perspektive.

Wir werden daher versuchen, die aus den facettenreichen Diskussionen der Tagung gewonnenen Erkenntnisse zu Empfehlungen zu verdichten, die eine theoriegeleitete Entwicklung und Erprobung dieses vielseitig einsetzbaren Instrumentes unter sorgfältiger wissenschaftlicher Begleitung vorantreiben können. Auf dieser Basis lässt sich dann die Integration verallgemeinerungsfähiger Erkenntnisse in die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften, Schulleitungen und sonstigem pädagogischem Fachpersonal ebenso stützen wie die Beratung von Administration und Schulverwaltung, die auf entsprechendes Steuerungswissen für die Gestaltung des Bildungssystems angewiesen ist.

Internationale Erfahrungen zum Einsatz von Lernkontrakten im deutschsprachigen Raum liefert Andreas Müller (Beatenberg, Schweiz), indem er Konzept und Lernalltag des von ihm geleiteten reformpädagogischen Instituts Beatenberg vorstellt. Dort stellen so genannte Kompetenzraster nur eines der Elemente auf dem Weg der individuellen Förderung aller Schülerinnen und Schüler in einer lebendigen Vereinbarungskultur dar.

Quelle: BMBF, 2007

Datum:
16.08.2009

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