Eine Werkstatt entsteht
Die Projektgruppe trifft sich regelmäßig und beschließt, mit Unterstützung eines Moderators eine Zukunftswerkstatt mit Kindern zu machen, um deren Ideen einzufangen. Die Ergebnisse der Zukunftswerkstatt, Zeichnungen und Modelle jeweils mit Erklärungen, werden den KollegInnen, den Eltern und den anderen Kindern vorgestellt. Es kommen Ergänzungen und Konkretisierungen zustande. Es ist deutlich, die Kinder wollen einen anregenden Raum haben, in dem sie sich wohl fühlen können und der durch seine Vielgestaltigkeit zum Verweilen einlädt.
Bei der Arbeit entsteht eine Anschaffungsliste. Sie wird verbreitet mit der Bitte, dass alle mithelfen bei der Suche nach Materialien. Die Erfahrungen aus der anderen Schule können dabei genutzt werden, und nach und nach kommt alles zusammen. Erstaunlich ist, wie viel Material gar nichts oder nur sehr wenig kostet, weil irgendwer aus der Schulgemeinschaft die richtigen Kontakte hat. Die Projektgruppe diskutiert und beschließt, nach welchem System in der Lernwerkstatt gearbeitet werden soll. Es ist klar, dass sie für Unterricht und Hort, für Vormittag und Nachmittag gleichermaßen wichtig werden soll. Man einigt sich darauf, dass es eine Probephase geben wird, in der vor allem die Mitglieder der Projektgruppe mit dem Arrangieren des Werkstattlernens die ersten eigenen Erfahrungen machen.
Und dann ist es soweit: Die Lernwerkstatt wird feierlich eröffnet und alle Gäste werden gleich in das erste Thema mit einbezogen: „Unser Wetter“. Die aufgebaute Lernlandschaft lädt ein, alle Fragen zu stellen, die Erwachsene und Kinder dazu haben: angefangen von der Entstehung von Regen, Schnee und Hagel, über Farbphänomene am Himmel, Wetterfühligkeit und Pflanzenwachstum bis hin zur Erderwärmung. Alle Fragen werden aufgeschrieben und bieten weitere Anregungen für die Kinder der Klassen und AGs, die als erstes die Lernwerkstatt ausprobieren dürfen. Sie arbeiten während der Werkstattzeit jeweils allein, zu zweit oder in kleinen Gruppen an ihren eigenen Fragen und Themen. Sie dokumentieren selbständig ihre Fragen, ihre Bearbeitungswege und ihre Ergebnisse und stellen diese regelmäßig den anderen Kindern vor – Prozesse aus denen wieder neue Fragen entstehen. Neben der vertieften Ergründung des Themas „Wetter“ üben sich die Kinder im Sprechen und Aufschreiben eigener Texte, im Darstellen und Präsentieren von eigenen Fragestellungen, Lernwegen und Lernergebnissen. Die PädagogInnen begleiten die Kinder bei ihren Forschungen. Sie helfen zurückhaltend beim Präzisieren und Formulieren von Fragen, von Hypothesen und Lösungsschritten. Sie überlegen mit den Kindern gemeinsam, wer etwas zu einer bestimmten Frage wissen könnte und welche Hilfsmittel es geben könnte. Sie haben keineswegs auf alle Fragen Antworten parat, vielmehr lernen sie selbst ständig Neues in der Lernwerkstatt.
Die PädagogInnen sprechen miteinander ab, woran die Kinder im Unterricht arbeiten und was Vorhaben sind, die besser in die Lernzeit der VHG, in den Nachmittag oder in die Ferienzeit passen. Dazu bieten sich neben längeren eigenständigen Vorhaben der Kinder, wie Beobachtungen und größere Experimente, vor allem Exkursionen und Besuche von „Fachleuten“ an, die ausgefragt werden können. Die Ergebnisse der Probephase werden natürlich wieder den entsprechenden Gremien an der Schule vorgestellt, Weiterentwicklungsmöglichkeiten werden abgesprochen, so dass die Lernwerkstatt mehr und mehr in den Schulalltag integriert wird. Nebenher hat die Schule einen neuen Raum gewonnen, der sich ganz generell für eigenständige Vorhaben eignet, weil er anregend und wohnlich ist. Hier können kleine Gruppen zum Arbeiten und zum Gespräch zusammenkommen, eigenständige Arbeiten können erledigt werden ebenso wie Schachturniere hier ausgerichtet werden.
Befragt, was das Wesentliche sei, das zu diesem Erfolg verholfen hat, meint eine der InitatorInnen der Lernwerkstatt: „Wir haben unsere Lernwerkstatt geschaffen, dadurch dass wir ein Klassenzimmer völlig umgeräumt haben. Dabei haben wir begriffen, dass auch wir uns ändern müssen. Damit haben wir begonnen und üben es jetzt täglich in der Praxis: den Kindern und den von ihnen gefundenen Lernwegen zu vertrauen und sie beim Lernen zu begleiten.“
Die Autorin, Barbara Tennstedt, ist Beraterin und Fortbildnerin beim Fortbildungsinstitut für die pädagogische Praxis (FiPP) e.V. Im Zusammenhang mit Ganztagsschulen setzt der Träger sich für Lernwerkstätten ein und unterstützt entsprechende Initiativen vor allem im Rahmen des Lernzentrums appolonius.de.