Die Ganztagsschule beginnt in den Köpfen der Lehrerinnen und Lehrer. Sie gelingt nicht ohne Veränderungen. Ob Schulen diesen Weg gehen wollen, müssen sie ganz allein entscheiden.
Gespräch mit der Bildungsexpertin und ehemaligen didaktischen Leiterin der Laborschule Bielefeld, Dr. Annemarie von der Groeben
Frau von der Groeben, auch Ganztagsschulen müssen sich verändern, der Schritt zu einer Ganztagsschule, der auch schon viel Veränderung voraussetzt, ist also offensichtlich nicht Veränderung genug.
Annemarie von der Groeben
Ich denke, es gibt sehr gute Ganztagsschulen und da würde ich nicht glauben, dass die sich verändern müssen. Und es gibt Schulen, die stehen noch am Anfang und wollen noch konsequenter die Chancen der Ganztagsschule nutzen.
Ich würde gern ein Beispiel nennen: die Max-Brauer-Schule in Hamburg, eine schon vorher sehr bekannte Gesamtschule, hat beschlossen Ganztagsschule zu werden und hat das zum Anlass genommen, noch einmal sehr grundsätzlich über Schule und über Lernen nachzudenken. Das Ergebnis war eine Umstrukturierung, neue Zeiteinteilung, anderer Rhythmisierung. Eine sehr folgenreiche Änderung, die Details kann man im Internet nachlesen. Diese Schule ist für mich ein Musterbeispiel mutiger, innovativer Veränderung mit dem Ziel, die Chancen der Ganztagsschule optimal zu nutzen.
Was kann, was muss in einer Ganztagsschule konkret verändert werden?
Annemarie von der Groeben
Wenn man die Frage beantworten will, setzt das voraus, dass man eine Vorstellung von guter Ganztagsschule hat. Vorab würde ich gerne beschreiben, was eine nicht gelingende Ganztagsschule wäre: nämlich eine Addition von einem Vormittag, der nach üblichem Muster läuft, nämlich Lernen im 45-Minuten-Takt, und einem Nachmittag, wo dann Freizeit, Spiel, Sport, Spaß, Erholung „rangehängt“ werden, ohne dass der Vormittag und der Nachmittag sinnvoll miteinander verknüpft sind.
Eine gute Ganztagsschule muss stattdessen folgende Fragen klären: Wie sieht ein guter Tagesrhythmus, Wochenrhythmus und Jahresrhythmus aus? Was wäre eine gute Zeitgestaltung? Wie sollen die Lernphasen ganztägig verteilt werden? Wann soll anderes Lernen, sagen wir mal erfahrungsorientiertes Lernen, aktives Lernen, praktisches Lernen stattfinden? Wie kann man kognitives Lernen am Vormittag und weniger kognitives Lernen am Nachmittag verbinden?
Neben dem Lernen geht es in der Ganztagsschule auch um „Leben“. Damit tut sich die große Frage auf: Was gehört alles dazu zu einem guten Leben? Da kann man jetzt ins Träumen geraten und märchenhafte Räumlichkeiten und Gelegenheiten erfinden. Es gilt darüber nachzudenken und dafür zu sorgen, dass die Kinder und Jugendlichen in der Ganztagsschule gutes Essen und Bewegung finden. Darüber hinaus muss sich die Ganztagsschule in das Umfeld öffnen. Kinder sollten in die Stadt, in die Natur, ins Umfeld ziehen dürfen, um dort die Lernchancen, die sich bieten, zu nutzen. Dazu gehört auch, dass Klassenräume so gestaltet werden, dass den Kindern nicht nach ein paar Stunden schlecht wird. Räume müssen anziehend und freundlich gestaltet werden. Bewegungsräume entstehen, denn Spiel und Sport müssen in den ganzen Tag integriert werden. Das alles sind sehr viele Veränderungen.
Wie kann man denn garantieren, dass die Veränderungen am Schluss auch erfolgreich sind?
Annemarie von der Groeben
Das kann man gar nicht garantieren. Wichtig ist, dass die Schule ihre Ziele selbst findet und sich denen verpflichtet. Das Wichtigste ist, dass ein Kollegium, bevor es sich auf den Weg macht, erst mal fragt und klärt: Warum wollen wir die Ganztagsschule? Was wollen wir in fünf Jahren erreicht haben? Welche ersten Schritte und welche Hilfe brauchen wir? Welche außerschulischen Möglichkeiten können wir einbeziehen? Das heißt konkret: die Ganztagsschule beginnt in den Köpfen der Lehrerinnen und Lehrer! Diese schreiben den Fahrplan. Sie müssen sehr viel Zeit verwenden, um darüber nachzudenken.
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