Wir stützen uns bei unseren Analysen auf zwei Säulen: zum einen auf – leider häufig alarmierende – Forschungsergebnisse, die den jeweiligen Kapiteln in Informationskästen vorangestellt sind, zum anderen auf praktische Konzepte und Erfahrungen von Lehrkräften, pädagogischen Mitarbeiter/innen, Eltern und Schüler/innen.
Gesunde Schule beruht auf einer schülerorientierten Lernkultur
Die Erkenntnisse des Motivationsforschers Mihaly Csikszentmihalyi könnten und sollten auch in der Schule zu individuelleren Lernkonzepten führen. Er hat das Phänomen analysiert, dass sich Menschen in selbst gestellte Aufgaben vertiefen und intensiv an deren Lösung arbeiten können, auch wenn sie dafür weder eine Bezahlung, noch eine gute Note oder eine sonstige von außen gegebene „Belohnung“ erhalten. Er nannte diesen Zustand „Flow“, weil er von diesen Personen wie ein „Fließen“ erlebt werde (vgl. Csikszentmihalyi 2008). Diese selbstvergessene, hoch konzentrierte „beflügelte“ Tätigkeit ist mit einem Gefühl außerordentlicher Zufriedenheit, großer Kompetenz und Selbstwirksamkeit verbunden. Diese Gefühle sind sogar messbar: Sie äußern sich in einer optimalen Synchronisation von Herzschlag, Atmung und Blutdruck und in einer Ausschüttung von „Glückshormonen“. Das Gefühl von Glück und Zufriedenheit wirkt als „Belohnung“, verlangt nach „mehr“ und führt so dazu, dass sich hochgradige Kompetenzen entwickeln können.
Glücksmomente steigern die Gesundheit – und den Lerneffekt
Voraussetzung für diesen Flow-Effekt ist, dass die selbst gewählte Herausforderung gerade so schwierig ist, dass sie dem persönlichen Leistungsniveau entspricht und mit konzentrierter Anstrengung bewältigt werden kann. Zu schwierige Aufgaben frustrieren und werden abgebrochen. Zu leichte Aufgaben langweilen, die Konzentration nimmt ab, die Lust, sich weiter mit der Aufgabe zu beschäftigen, vergeht. Die meisten Einzel-Computerspiele sprechen genau diesen Motivationseffekt an: Das Leistungsniveau kann individuell eingestellt werden, der Erfolg ist mit Stolz- und Glücksgefühlen verbunden und treibt den Spielenden an, ein höheres Level zu erreichen – kein Wunder, dass manche Kinder geradezu „süchtig“ danach sind. Computerspielen fehlt gleichwohl etwas Wichtiges: Die Spieler/innen entdecken und erforschen nicht etwas Neues, sie ändern und gestalten nicht die reale Lebenswirklichkeit, sondern simulieren allenfalls eine Änderung in einer virtuellen Welt. Das kann zwar große Zufriedenheit erzeugen und mit dem Gefühl verbunden sein, das Ziel aus eigener Kraft erreicht zu haben.
Handlungsorientiertes Lernen
Dennoch können die Spielenden im Prinzip nur etwas nachvollziehen, was das Programm bereits in sich hat. Malen, bildnerisches Gestalten, Tanzen, Musik machen, handwerkliches Tun, konstruieren, experimentieren, erfinden, soziales Engagement, etwas selbstorganisieren, haben in diesem Sinn ein anderes, sozusagen handfesteres Potenzial von „Selbstwirksamkeit“.
Auch die Ergebnisse der ZDF-Tabaluga-tivi-Glücksstudie unterstreichen, dass die „alte Schule“, die darauf abzielt, Schülerinnen und Schüler mit Druck und Angst zu Leistungen anzuspornen, wenig Sinn macht: „Die Schule hat das Potenzial in sich, das Wohlbefinden der SchülerInnen zu erhöhen; dies würde sich auch auf die Effektivität des Lernens auswirken, weil die ZDF-Studie gezeigt hat, dass glückliche SchülerInnen viel aktiver sind.“ (Bucher 2007, S. 3)
DIE SCHULE GESUND MACHEN!
Eine Einladung zum Umdenken
Oggi Enderlein • Nicole Schattat • Marion Welsch
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Datum: 22.01.2009
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