Langfristige Konzepte, besseren Unterricht, gesunde und zufriedene Lehrkräfte – das möchte das Team der Grundschule Ebsdorfergrund erreichen und hat dafür kollegiale Hospitationen eingeführt.
"Die Kollegen können ihre ‚Schätze’ einbringen!“ Dieser Satz des Schulleiters der Gesamtschule Ebsdorfer Grund (GSE), Lothar Potthoff, macht deutlich, was für eine Atmosphäre hier herrscht. Wenn man dann von ihm per Handschlag begrüßt wird, ist schnell klar: Hier herrscht ein wertschätzendes Arbeitsklima.Im Gespräch wird deutlich, dass den Erfolg der Schule nicht nur der Umgang miteinander ausmacht, sondern auch das konstruktive Arbeiten. Beides ist ein Grund dafür, warum die GSE seit dem Schuljahr 2010/2011 am Netzwerk Ganztagsschule der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung teilnimmt. Ein weiterer Anreiz ist der Austausch mit Schulen aus anderen Bundesländern, da die Schule dadurch neue Ideen und Impulse erhält.
Kollegiale Hospitation als Pilotprojekt
Das Kollegium der GSE arbeitet im Netzwerk Ganztagsschule an ihrem Pilotprojekt „Kollegiale Hospitation“, davon versprechen sich die Kollegen konzeptionelle Kontinuität, eine Verbesserung der Unterrichtsqualität und positive Auswirkungen auf die Lehrergesundheit durch höhere Arbeitszufriedenheit. Ein Vorhaben, das noch wenig populär ist. Es gibt dazu kaum schulbezogene Literatur und nur wenige Hospitationsschulen. Ziemliches Neuland also.
Dreimal pro Halbjahr sollen Unterrichtshospitationen in Dreierteams stattfinden. Kollegiale Hospitation nutzt das Wissen und die Kompetenz der Fachleute an der Schule, die auch die spezifischen Arbeitsbedingungen vor Ort gut kennen. Der Austausch ist anwendungsbezogen und die Hospitationsteams legen die Beobachtungspunkte selbst fest. „Grundsätzlich können alle Themen aufgegriffen werden, die für die Gruppe relevant sind. Dies können zum Beispiel das Lehrer- oder Schülerverhalten oder methodische Fragen sein“, erklärt der pädagogische Leiter Ludger Vogelbein.
Voraussetzung für das Gelingen der Hospitationen ist die Freiwilligkeit und die Schaffung eines organisatorischen Rahmens. „Jedem Kollegen, der an der kollegialen Hospitation teilnehmen möchte, werden wir es ermöglichen“, verspricht Lothar Potthoff. Das Kollegium entschied sich für eine anfängliche Testphase, aufgrund der dort gesammelten Erfahrungen wurde eine Fortbildung für einen Teil des Kollegiums konzipiert. Im November 2010 starteten die ersten Dreierteams und die Hospitationen wurden im Vertretungsplan berücksichtigt. Trotzdem gab es Stolpersteine bei diesem ersten Testlauf. Eine erste Feedbackrunde am Ende dieser Phase ergab:
- Das Thema ist in das Blickfeld der Kollegen gerückt und es wurde von einigen positiv aufgenommen und als hilfreich für den eigenen Unterricht angesehen.
- Aber trotz des großen Interesses wurde geringe Eigeninitiative entwickelt.
- Bewertungssituationen aus dem Referendariat wirkten im Bewusstsein der Kolleginnen und Kollegen negativ nach.
- Ein bewertungsfreies Feedback war sehr schwer umsetzbar.
- In der Hospitation wurde von einigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern kein persönlicher Gewinn gesehen.
Hinzu kam die Einsicht, dass wichtige Bedingungen für ein gutes Gelingen aus Unerfahrenheit nicht beachtet wurden: Zum einen haben sich einige Teams nicht auf einen Beobachtungsschwerpunkt im Vorfeld festgelegt. Dies erschwerte eine konstruktive Rückmeldung. Zum anderen ist das Kollegium ungeübt, eine bewertungsfreie Rückmeldung zu geben und befürchtet, dass der Unterricht allgemein bewertet wird.
Im Workshop zur kollegialen Hospitation gingen die Teilnehmer vor allem auf das bewertungsfreie Feedback ein und übten dies in einer konkreten Unterrichtssituation.
Diese Fortbildung hat bei den Anwesenden einen unheimlichen Energieschub ausgelöst, da einerseits die Sinnhaftigkeit der Hospitation noch mal deutlich wurde andererseits aber auch die Bedeutung und Umsetzung des bewertungsfreien Feedbacks.
Das im Netzwerk behandelte Thema „Kollegiale Hospitation“ steht im Zusammenhang einer kontinuierlichen Schulentwicklung, die den Fokus auf Verbesserung der Unterrichtqualität setzt. Dazu gehört aber ein schulorganisatorischer Rahmen, der rhythmisiertes Unterrichten am „Ganztag“ erst ermöglicht. Ein kurzer Auszug aus der Schulbroschüre der GSE kann das verdeutlichen:
Ganztätig arbeitende Schule
Für alle Jahrgangsstufen ist mindestens ein Tag pro Woche als ganzer Schultag gestaltet. Dieser Tag ist durch ein GSE-Band rhythmisiert bzw. entzerrt. Darüber hinaus können alle Schüler/innen an weiteren Tagen am freiwilligen Ganztagsunterricht (GTA) teilnehmen.
Das GSE-Band wie:
• Gesamtschule Ebsdorfer Grund
• Gesundheit - Sport - Entspannung
• Gestalten - Spielen - Erholen
Das GSE-Band ist ein an der Schule entwickeltes Modell zur Rhythmisierung der langen Schultage (8.05 bis 15.35 Uhr) für die Klassen 5-7. Bisher freiwillige Angebote der ganztägig arbeitenden Schule werden vom Nachmittag auf den Vormittag verlegt und damit zu Pflichtunterricht.
Das bedeutet:
• Ganzheitliches Lernen mit Kopf, Herz und Hand
• Arbeiten ohne Notenstress
• Entspannung/Ausgleich zu oft einseitiger Belastung in den kognitiven
Fächern
• Freiwillige Ganztagsangebote
Die zusätzlich angebotenen freiwilligen Wahlkurse orientieren sich an den Interessen der Schüler. Neben sportlichen, musischen und künstlerischen Angeboten / Themen wird die Schule hier auch Kurse fördern bzw. ausschreiben, die weiterführende Qualifikationen für die zukünftige Berufs- oder Schulausbildung beinhalten. Zusammengenommen stellen beide Elemente (der rhythmisierte Schultag, aber auch das freiwillige Kursangebot) einen Übergang von der Halbtags- zur Ganztagsschule dar und unterstreichen den Willen der Schule, ein umfassendes Bildungsangebot für alle Schülerinnen und Schüler des Einzugsbereichs zu sein.
Die langen Schultage werden also durch das GSE-Band entzerrt und, wie alle Schultage, im 90-Minuten-Takt angelegt. Für die Klassen 5 und 6 gibt es an diesen Tagen keine schriftlichen Hausaufgaben. Darüber hinaus können die Schülerinnen und Schüler an weiteren Tagen am freiwilligen Wahlunterrichts- und Ganztagsangebot teilnehmen. Die verpflichtenden Angebote kommen gut an, obwohl sie nicht zum „üblichen“ Stundenplan gehören. Das zeigt ein Blick in die Arbeitsgemeinschaft „Darstellendes Spiel“ der Klasse 7: eine Gruppe von ca. zehn Schülerinnen und Schüler bewegen sich ganz bewusst und mit hoher Ernsthaftigkeit durch den Raum und alle begrüßen sich gegenseitig in Zeitlupe. Die Leiterin der Gruppe erklärt, dass die Jugendlichen so ein Gefühl für den eigenen Körper entwickeln und das Spielen auf der Bühne wichtig für das Selbstbewusstsein der Jugendlichen ist.
Blick in die Zukunft
„Durch die kollegiale Hospitation soll die Hürde bei allen sinken, die Tür aufzumachen für Kollegen. Und es sollte selbstverständlich werden, dass Unterricht nicht nur mein Geschäft ist“, wünscht sich Ludger Vogelbein für die Zukunft. Der Schulleiter Lothar Potthoff geht noch einen Schritt weiter und wünscht sich pädagogische Leitlinien, die unter anderem beinhalten, dass alle Kolleginnen und Kollegen gemeinsame Leitsätze teilen, Haltungen vorleben und offen für ständige Weiterentwicklung sind. Einen ersten Schritt dorthin hat die Gesamtschule Ebsdorfer Grund mit der kollegialen Hospitation schon gewagt.