Formel für Verzahnung von Schule und Lebenswelt

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An der Berliner Friedensburg-Oberschule macht sich das Lehrerteam stark für mehr Chancen für den selbstbestimmten und erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben. Die Ganztagsschule hat für diese Bildungsaufgabe eine eigene Form gefunden: Berufsorientierende Projekte für Kompetenzlernen. Das  Konzept steht in keinem Handbuch, sondern entsteht begleitend zum Handeln. 

Der Bildungsfahrplan Berlins fordert generell neue Konzepte für berufsorientierendes Kompetenzlernen, vor allem um die Chancen für einen erfolgreichen Berufseinstieg zu steigern. Die Initiative fokussiert das „Duale Lernen“, wobei Schulen ermuntert werden, innovative, aber vor allem schuleigene Konzepte zu finden. Die „Dualität“ beschreibt eine Verzahnung von unterrichtlichem und praktischem Lernen. Die Friedensburg-Schule stellt Rahmenbedingungen und Ressourcen auf die Probe und entwickelt ein außergewöhnliches Format.

Die Friedensburg-Oberschule enthält Regel- und Europaschule. Letztere fördert die Entwicklung der spanischen Sprache. Bilingualer Unterricht knüpft an das intensive Fremdsprachenlernen einiger Grundschulen an. Insgesamt sind knapp 1.000 Schüler an beiden Schulbetrieben der Ganztagsschule angemeldet, die Hälfte davon aus dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf.

Organisatorische Weichenstellung

Seit Beginn des Schuljahres 2010/11 werden vier Wochenstunden neu verplant. Mit dieser organisatorischen Weichenstellung ermuntert Schulleiter Schuknecht seine Kollegen, mit neuen Lernformen zu experimentieren. Sein Motto: „Wege entstehen, indem man sie geht.“ Fehler sind dabei genauso wichtig wie Erfolge. Mit dieser Haltung fällt es ihm und seinem Team leicht. Die engagierten Kollegen beraten sich regelmäßig. Nach dem Prinzip „Ein Blick zurück und zwei nach vorn“ werden Erfahrungen „frisch“ reflektiert, Stationen der Arbeit notiert, aber vor allem neue Etappen gesucht und abgesteckt. Beides ist möglich. So entstehen „Konzeptmuster“, die „im Gehen entstehen“ und bereits im kommenden Jahr wieder aufgegriffen werden und Orientierung verschaffen. Die Schule arbeitet auf diese Weise „Schritt für Schritt“ an ihrer Lernkultur und findet auch an der Art und Weise dieser Arbeiten Gefallen. Teamgeist entsteht durch „Learning by doing“.

Die Schule fokussiert ästhetische, informationstechnische und sprachliche (spanisch) Bildung. Schon vor den „BOP“ wurden etliche Angebote für die Ganztagsschule entwickelt und stehen täglich und wöchentlich auf dem Plan. Mit den „BOP“ gewinnen die damit verbundenen Fächer Musik, Kunst, Theater und Technik, Mediendesign, Naturwissenschaften sowie Spanisch noch mehr Raum. Mit diesem werden „Wahlpflichtstunden“ neu definiert. Die im regulären Kontingent verbuchten Stunden werden nicht mehr als „Verlängerung“ des Fachunterrichts, sondern vielmehr für einen die Kreativität fördernden und praxisorientierten „Kompetenzunterricht“ eingesetzt.

Wirtschaftliches Denken und kreative Selbstverwirklichung

Unabhängig vom Themenfeld können sich die Schüler auf zwei Ebenen entfalten: Wirtschaftliches Denken und kreative Selbstverwirklichung. Dabei müssen sie nicht nur Verantwortung bei der Verwirklichung einer „Geschäftsidee“ übernehmen, sondern sind darüber hinaus angehalten, ihre kreativen und künstlerischen bzw. informationstechnischen Begabungen auszubauen bzw. ihren bereits darauf bezogenen Interessen intensiver nachzugehen. In welches „BOP“ ein Schüler geht, entscheidet er selbst. Je nach Kapazität können bis zu 16 Schüler aufgenommen werden. Kreative Arbeit macht Kindern Spaß und in Verbindung mit berufsorientierendem Lernen gewinnen beide Bereiche die Sympathie der Schüler.

Generell geht es bei „BOP“ um die Frage: „Wie bringen wir unser Können und unsere Produkte in die außerschulische Welt?“ Schulleiter Schuknecht setzt nicht auf die bekannten „Mitleidsprodukte“ wie Vogelhäuschen oder Tischdecken, die oft nur von Eltern erworben werden, sondern mitreißende Orchesteraufführungen, den neuentwickelten „Hocker-to-go“, die digitale Radiosendung, den neuesten Blog und ähnliche, vor allem aber zeitgemäße Kreativleistungen.

Struktur des neuen Formats

Am Beispiel des „Musik-BOP“ wird deutlich, wie das Arrangement funktioniert. Für eine Wochenstunde kommen außerschulische Musiklehrer in die Schule und geben Instrumentalunterricht. Bis zu vier Gruppen bilden sich. Blas- und Streichinstrumente sowie Gesang werden in Kleingruppen unterrichtet. Alle Gruppen arbeiten zeitgleich. Die „BOP“-Lehrerin wandert in dieser Stunde durch die Räume und beobachtet die Arbeit ihrer Schützlinge. Die Eltern zahlen einen Betrag für den externen Lehrer und die Instrumentenausleihe und freuen sich, dass damit die musikalische Förderung in die Schulzeit integriert ist und sie entlastet werden, die Wege zur Musikschule zu organisieren. Dieser Zuschuss ist allerdings nur in diesem „BOP“ erforderlich.

In einer weiteren Stunde haben die Schüler Zeit, auf ihrem Instrument zu üben. Individuell proben sie auf dem Instrument, verstetigen das Gelernte, entwickeln Kompetenz. Innerhalb dieser Stunde ist immer Zeit, um „vorzuspielen“. Das ist wichtig für die darauf folgende Arbeit, weil die Schüler anhand der erlebten Fortschritte die Potentiale für eine Aufführung entdecken bzw. erkennen, welche Beiträge miteinander kombiniert werden können.
Darauf aufbauend werden Programmideen entwickelt, die dann in eine Veranstaltungsidee münden. Für letzteres bezieht „BOP“ zwei Stunden. Die Schüler sind herausgefordert, das Management von „A bis Z“ zu verantworten und dabei auf zwei Ebenen zu lernen. Zum einen geht es um die Fortentwicklung musischer Begabungen und zum anderen um das Konzept der „Vermarktung“. Einladungen und Programme sind zu erstellen und zu verteilen, die Bühne wird dekoriert. Ein Moderator „aus den eigenen Reihen“ führt durch die „hausgemachte“ Show. Im Ablauf ist nichts dem Zufall überlassen, sondern jedes Detail ist genau geplant und von der Gruppe freigeben. Das Konzert wird gefilmt und im Nachgang akribisch ausgewertet. Dann wird daraus gelernt und von vorn begonnen. So wurde kürzlich das erste Konzert vor 160 Kindern aus den umliegenden Kitas aufgeführt.

Spanisch lernen mit „BOP“

Je nachdem, ob mit Schülern der Regelschule oder der Europa-Schule, wird in „BOP“ entweder Deutsch oder Spanisch gesprochen. Vor Einführung wurde in der Eurpoa-Schule, ähnlich wie in der Regelschule, Wahlpflichtunterricht für die Verlängerung traditionell geführten Unterrichts verwendet und die kreative Betätigung wurde wegen intensiven Spanischlernens eher vernachlässigt. Seit „BOP“ hat sich dieser Konflikt auch für die Europaschule gelöst. Sprachlernen wird im Kontext von Berufsorientierung zur journalistischen oder künstlerischen „Talentförderung“. Laut Schuknecht hat vor allem dieser Schulzweig besonders gewonnen.
 

„BOP“ ist für die Schüler ein Höhepunkt. Mit Begeisterung besuchen sie diese Stunden. In einer „Schnupperwoche“ legen sich die Schüler fest. Die Entscheidung gilt für ein Schuljahr. Mit der 7. Klasse hat die Schule gestartet und lässt das Modell „hochwachsen“. Die Schüler entscheiden sich z.B. für „Schülerradio“, „Journalismus“, „Hocker-to-go“, „Schülerorchester“, „Medien und Kommunikation“ oder „Ernährung“ und arbeiten dann in klassenübergreifenden Gruppen. Alle Formate arbeiten nach dem gleichen Prinzip und mit den gleichen Zielen, nämlich Kompetenzen für eine Zukunft zu entfalten und fortzuentwickeln, aber auch die eigenen Interessen auszuleben. Die dafür organisierte Lernkultur belebt den Schulalltag und macht Spaß!

Datum: 06.03.2012
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